Drill

Über den Zusammenhang zwischen Booster-Impfung, Schweinefleisch und Kadavergehorsam

Die artige Bürgerin

Eine Freundin, zweimal geimpft, “alles richtig gemacht, so wie es soll”, schreibt mir aus Berlin: “Die Zahlen steigen wieder. Alle reden davon, dass die Ungeimpften schuld sind. Ich habe keine Lust auf eine dritte Impfung. Oder noch schlimmer: jährlich mindestens eine.”

Sie fragt sich: Wo soll das alles enden? Und: Wem nutzt das?

Sie sagt, sie sei eine “artige Bürgerin”. Sie habe den digitalen Impfnachweis, weil der andere ja leichter fälschbar sei. Sie sei für Sicherheit. Aber sie wollte auch mal wieder ins Theater.

Sie hätte sich nie vorstellen können, dass das Reinkommen ins Berliner Ensemble je so anstrengend wäre: “mit Kontrolle von Impf-App + Ausweis(!)”. Wer nichts zu verbergen hat, macht sich nackt. Woher all das Misstrauen, der ganze Verdacht auf Betrug?

Dann drei Stunden Nibelungen mit Maske und Sitzabstand.

In der Pause durfte meine Freundin an der Bar zwar einen Wein bestellen, sich aber mit dem Glas nicht im Haus bewegen.

Die Seuchenschutzregeln als eine komplette theatralische Inszenierung zum Thema Gehorsamkeit und Selbstunterwerfung: ein Drill, wie einst in der Inszenierung “The brig” von The Living Theatre : eine weiße Linie als Züchtigung und Strafe. Alles dreht sich darum, dass niemand die Linie überschreiten darf.

Der Staat verlangt von uns in Sachen Corona-Maßnahmen bedingungsloses Vertrauen: die Nibelungentreue. Doch womit hat er sich das Vertrauen verdient? Oder ist der Drill die Einübung eines Gehorsams, der die Voraussetzung bildet für die möglichst widerstandslose Einführung einer neuen Wirtschaftsordnung?

Der folgende Text ist meine (öffentliche) Antwort an die Freundin.

I. Nibelungenfront

Liebe …, mit höchstem Interesse habe ich deinen Bericht von der Nibelungenfront im Berliner Ensemble gelesen. Vielleicht ist es das ideale Stück zur Zeit. Vielleicht erkennen wir erst bei einer Aufführung unter solchen Bedingungen, was Nibelungentreue bedeutet.

Ein Stück, das man schon immer hätte vor einem maskiertem, bis zur Willenlosigkeit reduzierten Publikum spielen müssen. Auch lese ich mit dem gehörigen Entsetzen, das einem feuchtkalt in die Knochen kriecht, was deine Schwester erlebt: als Ungeimpfte, die von ihrer (selbstverständlich geimpften) Geschäftspartnerin, “zu ihrem eigenen Schutz” in ihrem eigenen Büro Hausverbot erteilt bekommt.

So hart schlagen die Genesenen zu. So weit haben wir die Verhältnisse schon auf den Kopf gestellt.

Deine Schwester soll zu Hause bleiben, um nicht mit artigen Bürgern, die sich mit dem von ihnen erwarteten Gehorsam zur rechten Zeit haben ihre Dosis verpassen lassen, in ein Ansteckungsverhältnis zu geraten. Warum sagt der offenbar sehr ängstlichen Geschäftspartnerin niemand, dass sie lügt? Dass sie unverschämt ist? Dass sie keine Berufsausübungsverbote für Ungeimpfte verhängen kann? Dass ihre Vakzinierung sie nicht zu exekutivem Verhalten berechtigt?

Klar ist: “Einmal impfen und dann gut” – das (womit wir gerechnet hatten) gibts nicht. Wir sollen immer wieder unter die Nadel. Uns in immer kürzeren Zyklen “boostern” lassen. Nur wenn die Angst vor Durchbruch, Mutant und nächster Welle permanent akut bleibt, lässt sich weiter so regieren wie zur Zeit. Noch zwei, drei Jahre und die alte Wirtschaftsordnung ist endgültig kaputt. So effizient zerstört, wie das bislang nur ein Krieg geschafft hat.

Liebe …, ich kann diese weltgeschichtliche Volte, diese Dressurnummer, bei der wir immer wieder im selben Kreis laufen, zwar als solche wahrnehmen, sie Dir aber nicht konsistent erklären.

Lass mich anstelle dessen ein paar verstreute Gedanken aus den Lese-Erlebnissen und Begegnungen der letzten Wochen zusammentragen.

II. Die Toten können uns retten

Wir waren kürzlich für ein längeres Interview in Hamburg bei Klaus Püschel. Es ging bei dem Treffen überhaupt nicht um Corona. Es ging um Forschungsmaterial zu einem Gattenmord: eine Köpfung, die Gegenstand meines nächsten Buches sein soll.

Aber wir kamen natürlich nicht umhin, das Thema Corona anzusprechen, insbesondere weil wir eingangs vollmaskifiziert versucht haben, gemeinsam Kaffee zu trinken.

Püschel hat dabei etwas Hochinteressantes erzählt, das in groben Zügen auch in seinem neuen Buch “Die Toten können uns retten. Wie die Rechtsmedizin hilft, Krankheiten zu erforschen und das Sterben zu verhindern.” nachzulesen ist.

Es ging dabei um seine Kritik am Lockdown. Püschel stellt die simple Frage, warum Deutschland im internationalen Vergleich so gut abgeschnitten hat, was die Zahl der Toten durch Corona anbelangt? Natürlich, weil Deutschland ein so gutes Gesundheitssystem hat. Warum hat Deutschland ein so gutes Gesundheitssystem? Natürlich weil es eine so solide und gut funktionierende Wirtschaft hat, die gewaltige Mengen Steuern aufbringt, die zu gutem Teil in das Gesundheitssystem einfließen. Was passiert mit dieser Wirtschaft, wenn die Politik Lockdown anordnet? Sie macht natürlich weniger Umsatz. Der Staat erhält entsprechend geringere Einnahmen. Darunter leidet das Gesundheitssystem.

Mit ein wenig Zynismus könnte man an dieser Stelle, Püschel auf die Spitze treibend, sagen: Lockdown macht krank.

Ein wenig ist es mit dem Lockdown so, wie früher mit dem Krieg: grosse Bereiche der Wirtschaft gehen in die Knie, einige wenige ausgewählte Industrien verdienen enorm. Es ist ein brutaler Prozess der Aussiebung, der in einer gewaltigen Umschichtung von Reichtum, in einer Neuaufstellung der Wirtschaftsordnung mündet, bei dem die kleineren Mitspieler wie immer den Kürzeren ziehen.

III. Schweinefleisch

Das erinnert mich ein wenig an eine Stelle aus “Freund und Feind. Zwei Erinnerungen” , von John Maynard Keynes.

Keynes beschreibt eine Szene im Wirtschaftsrat, die am 12. Januar 1919 nach Ende des I.Weltkriegs spielt: ein Treffen, bei dem es um die Frage der Aufrechterhaltung des Embargos gegen Deutschland geht. Präsident Wilson ist zu tiefst entschlossen: “Solange der Hunger weiter nagt, werden die Fundamente der Regierung weiter bröckeln.”

Gleichzeitig sollte, so notiert Keynes, das Embargo für Fette aufgehoben werden: unabhängig von der Klärung der Frage, wie Deutschland die Versorgung mit Nahrungsmitteln bezahlt, während – nach Auffassung vieler anwesender Politiker – vorrangig zunächst Entschädigungszahlungen für den Krieg zu leisten wären.

Hintergrund der Freigabe der Fette war, “dass Mr. Hoover auf riesigen Lagerbeständen geringwertiger Schweineprodukte zu hohen Preisen sitzt, die er um jeden Preis an irgend jemanden loswerden muss, auch an die Feinde, wenn es nicht bei den Verbündeten geht.”

Der minderwertige Speck musste weg, damit Herr Hoover wieder ruhig schlafen kann, resümiert Keynes.

Die Siegermächte verkauften also dem besiegten Deutschland das schlechte Fett und liessen sie es mit dem Geld bezahlen, dass man ihnen ohnehin im Rahmen der Reparation wegnehmen wollte. So würde durch das miese Geschäft die Begleichung der Kriegsschulden menschlicher aussehen.

Die Treffen weiss Keynes wie einen Krimi zu erzählen, auch wenn sie zunächst für lange Zeit ergebnislos bleiben. Dass die Versorgung der vom Krieg ohnehin schwer geschwächten deutschen Bevölkerung keine gesundheitlichen Ziele hat, wird überdeutlich: die “Verpflichtung aus Gründen der Humanität” (die Lebensmittellieferung in den Worten der Propaganda) soll vor allem die Gefahr einer revolutionären Neuorientierung des besiegten Landes abwenden helfen, da man allgemein fürchtete, dass Deutschland unter zu viel Druck “in den Bolschewismus abgleiten könnte”, (Keynes).

Mit anderen Worten: nach den sich über Monate hinziehenden diplomatischen Verhandlungen zeichnete sich zunehmend ein Bild ab von einem unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch, “wenn die körperliche Entbehrung (der Deutschen) sich nicht bald mildern liesse.” Die Freigabe der Fette aber blieb streng an die gewünschte Gegenleistung (“Gold!”) geknüpft, sprich an eine bedeutende Summe, die man sonst gewiß nur unter großen Schwierigkeiten aus den Deutschen hätte herausleiern können.

Das Fettgeschäft stand all die Verhandlungszeit über aus rein finanziellem Kalkül grundsätzlich außer Frage. Es ging nur um den richtigen Zeitpunkt der Freigabe der Lebensmittellieferung. Verkaufte man zu früh, bekämen die deutschen Oberwasser und wollten den Friedensplan mitbestimmen. Verpasste man den geeigneten Moment, spielte man den Russen in die Hände und der Schaden wäre unermeßlich, mit Gold nicht aufzuwiegen.

Schweinefleisch und Ruhe. Kapitalismus statt Bolschewismus.

Ich kenne keine Passage in der jüngeren (Wirtschafts-)Geschichtsschreibung, in der so plastisch deutlich wird, welchen Wert der einzelne Mensch, “das Volk” in solchen Verhandlungen besitzt im Vergleich zum Wert des Wirtschafts-Systems.

Dieser tiefe Eindruck verdankt sich natürlich dem erzählerischen Talent von Keynes.

Da konferierten also 1919 – nicht unähnlich wie heute – hunderte von hochgebildeten Menschen über die politische Zukunft unserer Welt: Politiker und Militärs, die im Namen ihres Volkes und im Namen der Menschlichkeit zu handeln vorgeben.

Unter dem Strich ging es jedoch nur darum, einen guten Schnitt mit einem ohnehin zum Abstoßen bestimmten Lagerbestand von schlechtem Schweinespeck zu machen. Falls man den Deal am Ende noch als humanitäre Leistung verkaufen kann, umso besser.

IV. Die Diffamierung des Dagegenseins

Es leuchtet ein, dass erfolgreiche (Wirtschafts-)Politik vornehmlich darin besteht, der grossen Masse Schaden zuzufügen, um das Prinzip des permanenten Größenwachstums aufrecht zu erhalten – als Prinzip der individuellen Bereicherung einzelner “Kriegsgewinnler”. Wo alles über Jahre, Jahrzehnte stabil bleibt, lässt sich kein Gewinnzuwachs erzielen. Deswegen ist Destabilisierung die Voraussetzung einer nachfolgenden Steigerung. Grundlage erfolgreichen Wirtschaftens.

Das galt nicht nur 1919. Das gilt ungebrochen auch 100 Jahre danach, heute.

Ein weiterer Weltkrieg, ein globaler Systemzusammenbruch 1990, Dutzende von Wirtschafts- und Finanz-Krisen, sowie Staatsbankrotte und ein heraufdräuender planetarer Öko-Kollaps haben das System, das mit seiner Wachstumsideologie all die zuvor beschriebenen Katastrophen ausgelöst hat, eher befestigt als geschädigt.

Natürlich profitieren dennoch viele von uns von einer Wirtschaft mit ständigen Zuwachsraten. Irgendwer fällt zwar immer hinten vom Tisch herunter, aber im Großen und Ganzen läuft der Laden – trotz oder gerade wegen der andauernden Katastrophen. Was kaputt geht, muss repariert werden und das spielt Geld in die Kasse.

Auch wenn es sich widersprüchlich anhört, so gilt doch, dass immer mehr Menschen im Prinzip davon profitieren, dass immer weniger Menschen immer mehr gehört. Dass die vermeintlichen Lösungen der Probleme aus dem gleichen Geist entstehen, der das Problem erzeugt hat. Denn das schafft ständig neue Arbeitsplätze.

Solche vermeintlichen Lösungen heißen heute Geoengineering oder Digitalisierung als wundersame Geldvermehrung jenseits jeder Besicherung durch das, was einmal Werte waren. Morgen heißen sie vielleicht Weltraumkolonisierung – durch private Superunternehmen.

All das birgt nur eine einzige Gefahr: je stärker diese Polarisierung voranschreitet, desto mehr sind alle der Willkür der Wenigen ausgeliefert. Die Wenigen könnten morgen beispielsweise das demokratische, für alle gleichermassen zugängliche Bildungssystem abschalten, weil solide Bildung für alle zu viele kritische Fragen produziert und für den Konsum sowieso überflüssig ist.

Sie könnten übermorgen entscheiden, dass Freiheit ein überbewertetes Privileg sei, nicht geeignet, allgemein verfügbar zu sein. Mit anderen Worten: ein Irrtum des ideologischen 20. Jahrhunderts, das sich wirtschaftlich nicht rechnet. Was wir Bürger in der Denktradition der antifeudalen Revolutionen einmal mit Freiheit meinten, sollte nun wiederum nur den Wenigen “dort Oben” zustehen. Der Rest der Menschheit hat künftig die “leichte” Aufgabe, Knöpfchen zu drücken und über Bildschirmscheiben zu wischen. Sie werden stillgestellt mit der Wahlfreiheit zwischen den im Angebot befindlichen Produkten. Die Masse soll zuhause sitzen bleiben und keinen Ärger machen. Und die Klappe halten.

Um das zu erreichen, diskreditiert die gegenwärtige Politik jeden kritischen Impuls als gemeingefährlich. Wir sind in einer Phase der Demokratie angekommen, die das Dagegensein diffamiert, mit anderen Worten: das Demokratische an ihr ablehnt.

Damit kommen wir zur Frage des Vertrauens in die Politik.

V. Vertrauen

Der Staat verlangt von uns seit zwei Jahren, in denen unsere Rechte eingeschränkt sind, dass wir seiner Kompetenz in Sachen Gesundheit vertrauen.

Was ist die historische Voraussetzung für die Annahme, dass der Staat das Richtige für seine Bürger entscheidet? War es nicht zuvor ein Privileg der westlichen Nationen, dass der Bürger für sich selbst entscheidet?

Man lese hierzu noch einmal in “Ego” von Frank Schirrmacher nach: hieß es nicht immer, dass der Kommunismus seine Bürger bevormunde, indem er wisse und befehle, was gut für sie sei?

Ein kurzer Blick auf die Geschichte der Entscheidung des Staates in Sachen Gesundheit, wohlgemerkt: der “westlichen” Staaten, lehrt uns etwas anderes.

Als die westlichen Staaten sich für die Atomkraft entschieden, wer kümmerte sich da um die Gesundheit der Bürger? Wurde an Krebs gedacht, und abgewogen, ob Strom ohne Ende oder die Gesundheit der Bürger wichtiger sei?

Das gleiche gilt für die Atombombenversuche auf der Erdoberfläche: die Sorge um die gesundheitliche Unversehrtheit war dabei nicht sehr präsent.

Wie war es, als der Staat die Energiesparlampe und darauf das LED-Licht zwangseinführte? Wurde dem Bürger da gesagt, dass er unter Schlafstörungen leiden würde aufgrund der falschen Farbtemperatur? Augenleiden zu gewärtigen hätte? Dass er hochgiftiges Quecksilber ins Grundwasser eintrage, wenn er die Leuchtmittel in den Hausmüll wirft? Wo war bei dieser wirtschaftlichen Entscheidung der Fokus? Auf der Gesundheit der Bürger?

Wie ist es mit der Abwrackprämie für Autos gewesen? Wurde die Gesundheit des Bürgers bedacht, als man ihn mit der Prämie köderte, einen Neuwagen zu erwerben? Oder ging es um den Umsatz der Konzerne?

Wie ist es mit der staatlich angeordneten Energiesparverordnung? Wurde dem Bürger das Risiko für seine Gesundheit klargemacht, als man ihn aufforderte, jedes Haus außen 30 cm dick mit chemischen Produkten einzupacken, von denen die Feuerwehr bis heute nicht weiß, wie sie sie löschen soll? Vom Desaster einer ungeklärten Entsorgung von abertausend Tonnen von Schaum einmal ganz abgesehen.

Wurden dem Bürger bei der Einführung einer umfassenden Digitalisierung die Gefahren klar gemacht, die ihm gesundheitlich drohen, wenn er einen Großteil seiner Lebenszeit krummbucklig vor LED-Bildschirmen sitzt und sich im Kreuzungspunkt von Strahlung befindet?

Ja, wer zwingt ihn, krumm zu sitzen? Er könnte ja auch gerade sitzen, auf einen wirbelsäulenmotivierenden Sitzball, er könnte die neueste chinesische Sprach-KI nutzen, statt sich die Finger an der Tastatur zu ruinieren und mit dem Gerät ins Gespräch kommen! Jedermann könnte es auch radikal einschränken: nicht den ganzen Tag mit dem Drehen von Clips für Tiktok verbringen, nicht sein Privatleben auf Instagram hochladen, nicht tindern, facebooken oder tweeten.

Es einfach lassen. So simpel geht das, süchtig machende Medien los zu werden. Wir sind doch freie Menschen, oder? Es ist doch ganz einfach, sich zu entziehen, oder?

Genug Sarkasmus!

Es wurde jedenfalls bestimmt staatlicherseits nichts vorgesehen, als es beim “new screen deal” (Naomi Klein) um die seelische Gesundheit der Bürger hätte gehen müssen.

Oder erinnert jemand dass unser Seelenheil gegen den Umsatzanstieg des Onlinehandel abgewogen wurde , als man die Bürger dazu brachte, einen Großteil ihrer Persönlichkeit nur noch im Netz zu entfalten?

Wurde die seelische Gesundheit der Schüler beachtet, die ihre Jugend jetzt in Zoom-Konferenzen und hinter Masken verbringen müssen?

Geht es bei der Sorge, dass sich alle die dritte Dosis Impfstoff abholen, wirklich um unser aller Gesundheit?

Woher kommt der Druck, dass wir alle das entsprechende Zertifikat auf unser Mobiltelefon laden?

Haben sich die Minister Europas, die sich hauptberuflich mit Landwirtschaft und Energie befassen, Gedanken gemacht, als sie die Bioökonomie-Richtlinien einführten, ob die Umnutzung von Flächen, die früher zur Nahrungsmittelerzeugung dienten und nun die verblüffend wenig effiziente Biomasse produzieren und dafür Millarden von Tonnen genetisch manipulierter Organismen nutzen, gut für die Gesundheit der Bürger ist?

Die Fragen lassen sich von jedermann, der sich nicht vollständig der unkritischen Hörigkeit oder anderen Formen von Stumpfsinn verschrieben hat, relativ leicht beantworten, so dass ich dies hier nicht stellvertretend tun muss. Es lassen sich sicher auch einige “gute Gründe” benennen für die zuvor zitierten Entscheidungen. Aber die Annahme, dass das Gute, die Gesundheit von Mensch und Natur, gewollt war, dass es das Leitmotiv aller Entscheidungen gewesen sei, liegt nicht sehr nahe. Das Gute war vielleicht – ähnlich wie 1919 beim Verkauf des schlechten Schweinespecks – ein brauchbares Verkaufargument und ein sicherer Schutz vor der Entwicklung einer breiten kritischen Front.

Worauf also stützt sich das im Fall von Corona geforderte Vertrauen in die Entscheidungen und Maßnahmen der Regierung ?

Geben wir wirklich so voller Überzeugung, dass es richtig und alternativlos sei, unser Leben, unsere Gesundheit in die Hände von Regierungen, die uns in den letzten fünfzig Jahren mit Atomkraft, fragwürdigen Konzepten zur Erreichung von Energiesparzielen und einer hochgradig gesundheitsschädlichen Digitalisierung beglückt haben?

Sehen wir nicht das wirtschaftliche Kalkül hinter jeder einzelnen dieser Maßnahmen? Zahlen wir nicht gerade einen recht hohen Preis für unsere Nibelungentreue?

VI. Die Zügelung der Freiheit

Die Auswahl der Textstellen, liebe B, die ich dir heute sende, sind von keinerlei Stringenz gekennzeichnet. Ich habe sie zufällig gefunden, aber sie reihen sich schlüssig aneinander und verstärken das Gefühl, dass man nur bei sehr alten Texten auf Stellen trifft, die noch von einer gewissen Pluralität des Denkens zeugen.

Ich stolpere über einen sehr sperrigen Text, den ich schon lange auf dem Tisch liegen habe, bei dem ich nie über die ersten Seiten hinausgekommen bin. Ein Text – aus einem anderen Jahrtausend. “Die Einübung des Ungehorsams” von Ulrich Sonnemann. Das Un- vor dem Gehorsam liest sich heute wie ein Druckfehler.

In dem Text von 1964 geht es um eine Mentalitätsgeschichte der Deutschen, die gefühlt “gerade eben” das Dritte Reich hinter sich gebracht haben und dessen Exponenten noch weitgehend in der Macht stehen.

Der jüdische Philosoph Sonnemann war Häftling im KZ in Gurs. Er hatte Anfang der Sechziger bei seinem Wiedergutmachungsverfahren in der BRD, in die er Mitte der Fünfziger Jahre zurückgekehrt war, um nicht “die endgültige Bestimmung meines Verhältnisses zu meinem Geburtsland den Nazis anheimzustellen“, entsprechende Richter kennengelernt.

Es geht aber auch – und daher stammen meine im Abschnitt zuvor benutzen Worte – um die völlig “Verstumpften”, die bereit sind, alles zu schlucken, denn was “dort oben” entschieden wurde, muss ja richtig sein. 

Es geht um die “Hassbereitschaft” der Masse der Mitläufer (ein Wort, das mir angesichts der Stigmatisierung der Ungeimpften höchst aktuell scheint) und um die von der Regierung verhängte “Zügelung” der Freiheit (Berufsverbote, Notstandsgesetze).

Sonnemann sagt, die Freiheit sei ja wohl kein Pferd.

Liebe …, ich bin nun weit von deinen ursprünglichen Fragen zur Gegenwart abgekommen. Aber es gibt ein paar markante Gedanken, die nicht alt werden, die mir helfen, mit der Gegenwart zurecht zu kommen und ich fand verblüffend viele davon bei Sonnemann.

In Sonnemanns Texten liest Du Sätze wie: “Schon damals wusste man ja, dass der Staat keine von oben eingesetzte Ordnung und gerade in Ordnung also nur dort ist, wo er die Prüfungen der Vernunft besteht.” 

Denkt heute niemand mehr so etwas?

Oder schweigt er still, weil er denkt, so wie Du sagst: “leider darf man ja überhaupt nichts mehr sagen (und denken), was nicht pc ist. aber grundsätzlich müssen doch verschiedene ideen / gedanken / gegensätze / meinungen möglich sein, ohne gleich eine terroristin zu sein oder schlimmeres…”

Die (auch das ein Zitat von Sonnemann) “Diffamierung des Dagegenseins” ist eine deutsche Spezialität – mit langer Tradition.

Wenn man das jenseits des historischen Kontextes liest, fällt einem auf, dass all das, was wir gerade erleben, wirklich und wahrlich nicht zum ersten Mal passiert. Aber was haben wir daraus gelernt?

Die Deutschen, gemeinhin von außen, aus der Perspektive fremder Nationen betrachtet, als das “Land der Dichter und Denker” angesehen, hatten selbst ja schon immer einen klammheimlichen Hass gegen eigenständiges Denken. 

In den Sechzigern ging es noch ganz gut. Da hatte unsere Gesellschaft ein vielköpfiges Gegenüber von unbequemen Geistern, Peter Brückner, Carl Amery, die ganze Frankfurter Schule und ihre Kritische Theorie. Insgesamt sicher einige Hundert. Heute ist die Zahl solcher widerständiger Köpfe gefühlt unter fünf gefallen.

Wenn also 2020 ein Hans Ulrich Gumbrecht – wohl gemerkt im Zusammenhang mit der sogenannten “Coronakrise” – von den Intellektuellen als den “Claqueuren der Mehrheitsmeinung” spricht, wird eine Hetzjagd veranstaltet, wie zu Zeiten von McCarthy.

Wie kommt unter solchen Bedingungen nun die notwendige kritische Relativierung der Regierungsposition, der angeordneten Verhaltensweisen zustande?

VII. Die gesunde Wirklichkeit

Der Zufall spielt uns im Moment viele interessante Gesprächspartner zu. Kürzlich haben wir beim Wandern zwei Briten getroffen, reiche Leute, wie sich am Ende der Route zeigte, als sie in ihr Boxter-Cabriolet einstiegen. Beide in der Pharmaindustrie tätig, wo sie ein Berufsleben mit Ärzten und Konzernen verbracht haben. Mit den Spitzen der Impfstoff-Forschung von Astra Zeneca sind sie privat befreundet. Beide schon lange geimpft.

An der frischen Luft und fern jeder Maskierung lag das Thema Corona nicht nahe. Dann brach es durch: die trotz zweier Impfung steigenden Zahlen würden benötigt, weil die Verteilung des Boosters vor der Tür stehe. Wir kriegen keine einzige überprüfbare Zahl dafür geliefert, sagen die beiden. Ob der Booster sinnvoll ist, kann ich nicht beurteilen. Aber eins ist unübersehbar: ohne das “verblüffend erfolgreiche Projekt Angst” (so nannten es unsere britischen Gesprächspartner) wird keine einzige Dosis Booster verkauft. Insofern, resümierten sie, könne man es als gesicherte Erkenntnis ansehen, dass, wenn alle Ärzte, alle Politiker, alle Vertreter der Pharmaindustrie einer Meinung seien, man es nicht mit einem gesundheitlichen Problem, sondern mit Propaganda zu tun habe.

Mit der „gesunden Wirklichkeit“ jedenfalls sei es vorbei!

Was genau mochten sie meinen mit Propaganda? Wir fragten nach. Ich fasse, was ich verstanden habe nachstehend zusammen.

Propaganda lebt von Verhetzung. Die Beweisbarkeit ihrer Argumente nimmt sie nicht besonders ernst. Eine Formel, der sich die aktuelle Propaganda bedient, lautet daher die “Pandemie der Ungeimpften”. Ob medizinisch etwas dran ist oder ob die verbliebenen paar Prozent Ungeimpfter überhaupt auch nur die kleinste Kräuselwelle im aktuellen Gesundheits-Geschehen auslösen könnten, bleibt dabei gegenstandslos. Hauptgegenstand der propagandistischen Verlautbarungen ist die Durchsetzung der autoritären Linie.

Das ist nach meinem Verständnis, was die beiden Briten meinten, als sie davon sprachen wenn alle Mediziner offiziell einer Meinung wären, dann…

Diese Form der Hemmungslosigkeit, die sich in Rechtsaussetzungen, Gesetzesverschärfungen, Straferhöhungen und Einschränkungen aller Art äußert, ist die politische Kehrseite der zuvor beschriebenen wirtschaftlichen Polarisierung, der Umverteilung von Arm zu Reich.

Der emotionale Aspekt dieser Hemmungslosigkeit, auf kollektiver Ebene, ist die Verachtung, zumindest Geringschätzung aller, die sich nicht dem Diktat des Gleichmachens unterwerfen. Die Verfemung Andersdenkender.

Sie markiert einen sehr alten Konflikt zwischen der Masse derer, die gleich sind (“flexibel”) und den wenigen, die (“stur”) anders bleiben. Damit keine Unsicherheit aufkommt, dass das, was man entschieden hat, richtig war, müssen alle, die es anders sehen, aus der Gesellschaft ausgeschieden werden. Nur unter Gleichen ist man sicher.

VIII. Das Unbehagen

Wie, liebe …, lassen sich all diese disparaten Aspekte, diese Versatzstücke aus Texten und Gedanken, zu einer Summe bringen?

Vielleicht so:

Der Staat hat sich mit Einmischung ins Privatleben seiner Bürger aus gutem Grund schon immer verdächtig gemacht. Den aktuellen Empfehlungen zur Eindämmung der Pandemie zu vertrauen, ist zudem eine schwierige Angelegenheit, wenn er – wie wir zuvor gesehen haben ­– den Bürgern keine nachvollziehbaren, keine belastbaren Daten liefert, er auf Einschüchterung und Angst, statt auf Einsicht und Kooperation setzt, wenn er im Verdacht steht, mit den Maßnahmen nur das von seiner Regierungsspitze zugrunde gesparte Krankenhaussystem vor dem Kollaps bewahren zu wollen, eben damit nicht auffällt, welcher Schaden zuvor schon angerichtet wurde, wenn er sich urplötzlich mit solch einschüchterndem Elan bis an die Grenze zum Zorn um unsere gesundheit kümmert, ein verhalten, das nahezulegen scheint, dass etwas Anderes, ungleich Schlimmeres verborgen werden soll – könnte dies eine aus Gewinnsucht bereits vollzogene Ruinierung der Fürsorgeeinrichtungen sein, von denen wir bislang dachten, dass ihr Erhalt unverbrüchlich zu den Aufgaben des Staates gehört?

Ich meine, die Summe der Erfahrungen unseres Lebens erlaubt uns nicht, vorbehaltlos anzunehmen, dass der Staat das Beste für seine Bürger will und dies verlässlich und prioritär organisiert.

Daraus erwächst für uns die Pflicht, seinen Anordnungen kritisch zu begegnen, um herauszufinden, in welche Zwangslage wir angesichts von Corona wirklich geraten (sind).

Wo so viel Profit im Spiel ist, wie wir jetzt nach zwei Jahren erkennen können, wo so viele Menschen mit kleinen Geschäften in Bereichen wie Kultur, Dienstleistung oder Einzelhandel, von denen sie zuvor zwar nicht luxuriös, aber doch recht anständig leben konnten, nun ruiniert sind, wo so viel schwer nachvollziehbare oder oft völlig an den Haaren herbeigezogene Kostensteigerungen (zB. bei Baumaterialien, Papier etc. pp.) “der Pandemie” wie einer Ausrede zugerechnet werden, ist tiefe Skepsis wohl das Mindeste.

Insbesondere aber dort, wo der Staat unmittelbar in unseren Körper hineinregiert und ihn mit streng ausgeübter Befehlsgewalt pharmakologisch versorgt.

Dass aus dieser Lage ein “Unbehagen in Permanenz” (Sonnemann, Einübung des Ungehorsams, S.12) entspringt, leuchtet ein.

Wie ist dieses Unbehagen zu verstehen? Die Menschen wollen nicht opponieren, ahnen jedoch zugleich, dass sie damit womöglich das Falsche bestätigen. Sie entschließen sich, alles mitzumachen, auch wenn es einer kritischen Überprüfung nicht standhielte, eben weil sie Angst haben. Sie treiben sich mithin selbst die konzertiert geschürte Angst aus, indem sie gutheißen, was ihnen abverlangt wird, ohne es zu überprüfen. Sie profitieren, indem sie sich sicherer fühlen. Das Unbehagen aber schwindet nicht.

Es würde zum Ausbruch kommen, wenn man skeptisch bliebe. Aber alle wollen das Unbehagen los sein. Skepsis gilt daher nicht mehr als überlebensnotwendig, sondern im Gegenteil: bedrohlich.

Keiner soll die Empfehlungen hinterfragen: “Ich habe nichts falsch gemacht, wenn ich das tue, was der Staat mir rät.”

Dass dieser psychische Mechanismus bei uns so reibungslos funktioniert, lässt sich nur so erklären, dass die Deutschen – mit ihrer vielfach gebrochenen Obrigkeitstreue von geradezu mythischer Dimension (Sonnemann erwähnt in diesem Zusammenhang den “sagenhaften Siegfried und den abermals sagenhaften Biedermann”) – sich mit aller Kraft über die “Beunruhigungen des Abgrundes hinweghelfen” wollen.

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