Nummer 11.a, 15. August 2020 Bert Papenfuß SŸSTEMRELEVANZ (Auszug 1)

Politische Gerechtigkeit. Caleb Williams, Frankenstein und Der letzte Mensch

Ein Komplement aus mehr oder weniger psychonautischen Aufzeichnungen von Sepp Fernstaub, zumeist bestehend aus Aufschnappungen, wenigen Erhellungen und abschließenden Lyrizismen von Belang. Der leibhaftige Fernstaub überließ mir seine Notizen notgedrungen, ich brachte sie in eine gedanklich nachvollziehbare Abfolge.***

Vor 226 Jahren erfaßte mich „ein unsagbarer Abscheu, wenn ich der entsetzlichen Verirrungen gedachte, die es mit sich bringen, daß jeder Mensch entweder der Tyrann oder der Sklave eines andern ist. Ich wunderte mich über den Wahnsinn meiner Mitmenschen, der sie daran hinderte, ihre schmachvollen Ketten abzuwerfen, ihrem unsäglichen Elend ein Ende zu machen. Was mich selbst betraf, so war ich entschlossen […], mich diesem widerlichen Schauspiel fernzuhalten und weder die Rolle des Unterdrückers noch die des Unterdrückten zu spielen.“i Aber so einfach war das schon damals nicht; wir spielen immer unsere Rolle im „System“, gern natürlich im Widerstand, besonders nach dem Untergang.

Einige Sozialrevolutionäre aus dem Umfeld des Zentralrats der umherschweifenden Haschrebellen und dem Klüngel der revolutionären Romantiker befleißigten sich handgreiflich des pekuniären Ausgleichs. Die Expropriateure der Expropriateure und ihre Frisöre „waren stets vergnügt und gut aufgelegt. Sie konnten frei umherschweifen nach ihrem eigenen Belieben. Sie konnten Pläne ausarbeiten und sie ausführen, mit einem Wort, sie konnten unbehindert ihren Neigungen folgen. Sie brauchten nicht, wie dies in der Gesellschaft oft der Fall ist, alle Übel stillschweigend über sich ergehen zu lassen oder, was noch schlimmer ist, sich einzureden, daß das Unrecht, das ihnen geschah, berechtigt sei; sie befanden sich auf offenem Kriegsfuß mit ihren Unterdrückern.“ii

Im Laufe der Zeit wurden aus den Expropriateuren der Expropriateure handfeste Revolutionäre: „Diejenigen, welche diese Dinge klar durchschauten, würden […] nicht ruhig warten, bis ihre Unterdrücker den Vernichtungsfeldzug gegen sie eröffneten, sondern vielmehr zur Selbsthilfe greifen, ehe es zu spät ist. Was wäre denn schließlich dienlicher, die feige und kleinmütige Unterwürfigkeit des Sklaven oder die Tatkraft und Beherztheit des Menschen, der es wagt, sein Recht zu verteidigen? Da angesichts der Parteilichkeit und Ungerechtigkeit unserer Gesetzgebung die Unschuld nichts Besseres zu erhoffen hätte als die Schuld, so müßte jeder wahrhaft mutige Mensch sich gegen die Gesetze auflehnen. Und wenn er auch unter ihrer Ungerechtigkeit zu leiden habe, so müßte er wenigstens zeigen, daß er sich von der Vormundschaft der Gesetze befreit habe.“iii

Natürlich kam es bald zu Spaltungen, Patriotismus ist verklärender Kleister: „Der Mensch, der sein Leben aufs Spiel setzt oder gar zum Opfer bringt, um der Sache der Allgemeinheit zu dienen, wird von seinem eigenen Gewissen belohnt dafür. Derjenige aber, der leichtfertig den notwendigen, wenn auch maßlos übertriebenen Sicherungen der Regierung zum Schutz des Eigentums trotzt und in derselben Zeit der breiten Masse seiner Mitmenschen mit ausgesprochener Feindschaft gegenübersteht, handelt vom Standpunkt seiner eigenen Interessen aus nicht weniger töricht als ein Mensch, der sich einer Schützenreihe als Zielscheibe anbietet.“iv

So geschehen 1914 durch den großen Auftritt der Führung der damals noch größtenteils proletarischen Sozialdemokraten zur Eröffnung des 1. Weltkriegs; fortgesetzt durch weiteren „linken“ Verrat, ab 1970 unter der Parole des „Langen Marsches durch die Institutionen“ des bürgerlichen Staates und der wirtschaftlichen Machthaber, wo er sich wohlfeil etabliert hat, und Krieg führt. Seit 1999 haben sich die ehemals auch irgendwie linken Grünen auf „humanitäre Interventionen“ kapriziert und scheißen aufs Völkerrecht; vermeiden jedoch tunlichst, ihre eigenen Kinder ins Feld zu schicken, motivieren statt derer aufmerksamkeitsdefizitäre und hyperaktive Gören der bildungsfernen Unterschicht, die ohnehin als Störenfriede aufgefallen wären. Am Hindukusch und sonstwo in der Welt, wo Deutschland verteidigt werden muß, werden sie von Militärseelsorgern betreut und „lebenskundlich“ unterrichtet: Selbstmord ist eine Alternative, allerdings erst nach der Entlassung aus dem aktiven Dienst.

Bis dahin können die Reservisten immer noch Büttel des Merkel-Regimes, Schergen des Öffentlichen Personennahverkehrs oder Wachschützer und Rausschmeißer werden, auch schwer traumatisiert; ist sogar besser, kitzelt körperbetonten Einsatz raus. Schließlich brauchen wir rechtschaffene BeamtInnen, die die kapitalistische Vereinnahmung von Protestbewegungen professionell begleiten und auf die richtigen Wege leiten. Schwenk-, Latsch- und Hüpfdemos fördern Greenwashing. Internationaler Antiimperialismus statt globalisiertem Neoliberalismus geht anders. Sich wehren sieht anders aus; die friedliche Variante beginnt mit Wahlboykott, Generalstreik, Vergesellschaftung des Privateigentums und der Wirtschaftszweige, Schleifung der Börsen, Einebnung der Finanzwirtschaft, Schöpfung von Volksgeld … aber das muß man auch wollen.

Motor der Selbstbehauptung im Unterbutterungsprozeß ist Willenskraft, sie ist „vielleicht von allen menschlichen Eigenschaften die wertvollste. Ein gerechtes politisches System müßte ihr ein Betätigungsfeld schaffen, auf dem sie der Allgemeinheit zum Nutzen gereichen würde, anstatt, wie es heute der Fall ist, sie in Bahnen drängen, wo sie nur zerstörend wirken kann. Wir verfahren heute wie der Chemiker, der das edelste Metall beiseite legt und sich nur des minderwertigsten bedient, da es sich für die schlechtesten Zwecke am besten bearbeiten läßt.“v – Richtig, entschlossenes Vorgehen fordert auch Wissenskraft …

Aber dann kommt immer eine der systemimmanenten Krise der neoliberalen Wirtschaft oder des Pfuinanzunwesens dazwischen, oder ein satanischer Virus, oder aber eine internationale Protestbewegung gegen Rassismus, die eigentlich schon mal ein guter Anfang ist: „Laßt das nur zwölf Monate anhalten […], und die Erde wird ein Paradies werden. Die Tatkraft des Menschen war zuvor auf die Zerstörung seiner Spezies gerichtet: sie zielt nun auf seine Befreiung und Bewahrung. Der Mensch kann nicht ruhen, und seine unruhigen Bestrebungen werden nun Gutes statt Böses hervorbringen. Die glückreichen Länder des Südens werden das eiserne Joch der Knechtschaft abwerfen, die Armut wird uns verlassen und damit die Krankheit. Was mögen die Kräfte, die niemals zuvor vereint waren, nicht alles für Freiheit und Frieden in dieser Wohnstatt des Menschen erreichen.“vi – Und das möglichst nicht erst im Jahre 2093, wie Mary Shelley in ihrem apokalyptisch empfindsamen Roman Der letzte Mensch prognostiziert.

Das 19-jähriges Mädchen hat uns mit ihrem psychogotischen Briefroman Frankenstein; or, The Modern Prometheus anno 1817vii eine Problematik übergebraten, von der wir heute noch zehren: entweder Verantwortung übernehmen oder Schuld haben, an uns selbst. – Mary Wollstonecraft Shelley (1797-1851) blieb mit ihren leidgeprüften Überzeugungen hinter den politischen Maximalforderungen ihrer Eltern zurück, was ja auch heute nicht ungewöhnlich ist. Ihre Mutter Mary Wollstonecraft (1759-1797) verfaßte – neben diversen journalistischen und belletristischen Texten – das Grundlagenwerk des modernen Feminismus: A Vindication of the Rights of Woman: with Strictures on Political and Moral Subjects (1792). Um ihre gesellschaftskritischen Inhalte „populistisch“ unter die Leute zu bringen, schrieb sie den Roman Maria: or, The Wrongs of Woman, der leider unvollendet blieb, weil sie nach der Geburt ihrer Tochter Mary am Kindbettfieber starb. Ihr Mann William Godwin publizierte das Fragment 1798, es gilt als ihre radikalste feministische Arbeit, stieß damals umgreifend auf Ablehnung und wurde verrissen.

William Godwin, der Nestor – um nicht zu sagen: Patriarch – des modernen – man könnte genauso gut sagen: klassischen – Anarchismus, publizierte 1793 sein Buch Enquiry Concerning Political Justice and its Influence on Morals and Happiness, das bis heute als eines der bahnbrechenden Werke des frühen Anarchismus gilt, allerdings erst nach über hundert Jahren durch Kropotkin, Landauer, Nettlau u. a. einer breiteren Leserschaft bekanntgemacht wurde. Seit 2004 gibt es sogar eine vollständige Übersetzung ins Deutscheviii, die allerdings leider nicht mal antiquarisch erhältlich ist.

Um den emanzipatorischen Inhalt des theoretischen Werkes unter die Leute zu bringen, veröffentlichte Godwin 1794 den Roman Things as They Are; or The Adventures of Caleb Williams. Die dreibändige Ausgabe des Romans war zudem erschwinglicher als die teure Edition der Political Justice. Von der Kritik wurde das Buch kontrovers aufgenommen, war aber ein Bestseller. Eine Dramatisierung von Caleb Williams wurde 1796 im Drury Lane Theatre in London unter dem Titel The Iron Chest aufgeführt, um der Zensur ein Schnippchen zu schlagen.

Godwin plädiert für die Abschaffung von Privateigentum und Staatlichkeit nicht durch eine gewalttätige Revolution, sondern durch Aufklärung, Erziehung und Bildung. Einzige Autorität solle die Vernunft sein; ihr Walten sorge für die Abschaffung politischer Gewalt, der Zwangsinstitution Ehe, des Strafsystems usw. – und führe zu Gerechtigkeit und Gemeinnutz. In der zweiten und dritten Auflage (1796 und 1798) von Political Justice nahm Godwin einige seiner radikalen Forderungen zurück, so z. B. seine ursprünglich kommunistischen Ansichten über das Eigentum. Kropotkin schreibt: „Das Eigentum betreffend legte er dar, daß jedermanns Rechte auf alle Güter, die zum Nutzen menschlicher Wesen beitragen können allein durch die Gerechtigkeit geregelt werden müssen: Die Güter gehören dem, der sie am nötigsten braucht. Seine Schlußfolgerung war Kommunismus. Godwin hatte allerdings nicht den Mut, seine Meinungen beizubehalten. Später schrieb er sein Kapitel über das Eigentum komplett um und entschärfte seine kommunistischen Ansichten in der zweiten Ausgabe der Politischen Gerechtigkeit.“ix

Alle Anarchisten haben – wie alle anderen „normalen“ Menschen auch – Dreck am Stecken; der Repression, der Entfremdung und sich selbst geschuldet. Wer in der Vergangenheit rumstöbert, kommt dreckig wieder raus, hat aber überlebt und ggf. dazugelernt; es sei denn, man ist ein gedungener Historiker. – Godwin war ein Patriarch, wurde ein Feigling und war noch dazu finanziell abhängig von der Adelsfamilie seines Schwiegersohns Percy Bysshe Shelley. Bei Proudhon weiß man gar nicht, wo man anfangen und aufhören soll; Bakunin wird mindestens Antisemitismus vorgeworfen, Kropotkin mindestens Nationalismus und Militarismus; Ernst Fuhrmanns sozialrevolutionäre Absichten waren fast sein ganzes Leben lang autoritär, erst als 60-jähriger wurde er Anarchist. – Allerdings gibt es auch an den Anarchisten, die gern an Anarchisten rummosern, so einiges rumzumosern, falls man drauf aus sein sollte, anzuscheißen, statt sich zu befleiß’en. Man könnte sich allerdings auch darüber beölen, wie unterschiedlich bekloppt wir waren, sind und hoffentlich bleiben. Vorgehensweise: Verdienste würdigen, Schwächen analysieren, Schlüsse ziehen; loslegen, Fehler machen, korrigieren, abfahren, zuschlagen …

Mit spätestens sechzehn wird man aufgrund gesunden Menschenverstandes und angeborenen Gerechtigkeitsgefühls Anarchist, wenn man nicht völlig deformiert und entfremdet aufgewachsen ist. Man muß es aber auch bleiben … wollen, ansonsten: keine Vision, kein Ethos, kein Humor, jedenfalls kein ernstzunehmender. Ernst an sich ist erst gefragt, wenn es darum geht, keinen Spaß zu verstehen, weil es um Kämpfe in Machtverhältnissen geht, die Gegengewalt erfordern.

William Godwin schrieb Political Justice durchaus nicht als Anarchist, erst im Verlauf des Schreibens bekam Anarchie für ihn eine positive Bedeutung. Gewalttätige Revolutionen lehnt Godwin, wie gesagt, ab – „for revolution is a species of anarchy“, ein Willkür- und Terrorregime einer Übergangszeit; daher gilt: „the more anarchy can be held at bay, the more fortunate will it be for mankind“. Je mehr die Anarchie im Zaum gehalten werden kann, desto erfreulicher für die Menschheit. Aber auch: „Die Natur der Anarchie ist nie hinreichend verstanden worden. Sie ist zweifellos ein schreckliches Unheil, aber sie ist weniger schrecklich als der Despotismus. Wo die Anarchie Hunderte erschlagen hat, hat der Despotismus Millionen über Millionen geopfert, mit dem einzigen Ergebnis, dass die Unwissenheit, die Schlechtigkeiten und das Elend der Menschen verewigt wurden. Die Anarchie ist ein kurzlebiges Unheilx, während der Despotismus nahezu unsterblich ist. […] Der Despotismus ist es, dem die Anarchie ihren Stachel verdankt.“xi Denn: „Es bleibt ein Aspekt, in dem Anarchie und Despotismus sich stark voneinander unterscheiden. Anarchie erhellt das Denken und streut Energie und Unternehmungsgeist in der Gesellschaft aus, wenn auch nicht im besten Sinne, denn von ihren Früchten, zur Reife gebracht, darf man nicht erwarten, ein starkes Durchhaltevermögen höchster Güte zu haben. Im Despotismus allerdings wird der Verstand niedergetrampelt in eine Gleichheit der abscheulichsten Art.“xii

Positiv gewertet als Herrschaftslosigkeit und Gerechtigkeit, als Freiheit von Regierung, Privateigentum, Unterdrückung, Ausbeutung und Staat wurde Anarchie wohl erst ab 1840 durch Proudhon. Heutige Sozialkritik vermeidet das Wort „Anarchie“, selbst wenn ein Interview mit einem erklärten Anarchisten geführt wird, erwähnt man es nebenher und möglichst spöttisch. Kritik an den Unterdrückungsmechanismen Privateigentum, Staat und Religion wird ins Illusorische abgeschoben. Profunde Kritiker des Neoliberalismus wie Noam Chomsky und Rainer Mausfeld stellen nicht vordergründig die Eigentumsfrage, plädieren jedoch für Basisdemokratie, die letztlich auf die Lösung des Problems Privateigentum hinausläuft. Auch einige emeritierte Akademiker – von Rang … – und Politiker in Rente – … und Namen – neigen zu (proto- bzw. semi-) anarchistischen Positionen, stellen jedoch nie die Eigentumsfrage und kritisieren lediglich ein übermächtiges Einwirken des Staates auf den wirtschaftlichen und sozialen Prozeß. Das ist natürlich alles Pipifax.

Die Masque der Anarxaquy
„Rekelt euch wie Löwen nach dem Schlummer,
reckt und streckt euch, ihr seid unschlagbar!
Werft eure Ketten ab, wie das Nachtprogramm,
das sich im Schlaf über euch ergossen hat:
Ihr seid in Unzahl – Willkür hat keine Wahl!“ xiii
Ihr seid die Masse – bedient euch der Kasse!
Ihr, sogar Dichter sind dabei, seid die Menge,
das Risiko – die Banken sind in der Klemme.
Euer die Welt ohne Privateigentum und Geld!
Unsereins kommt aus der Enge, breitet sich aus,
nimmt überhand, bereitet Garaus dem Garaus.
Kiek und sieh, möglichst genau hin;
was uns allen bevorsteht xiv, ist auch drin.
Unsre Allernächsten
sind auch Anarchisten;
spritzen Remdesivir,
trinken Rammdöser Bier.
Auf den Kehraus des Garaus’ folgt Freude
einerseits, andererseits aber auch Rache;
ein Gelüst, dem Vernunft nicht beikommt,
so sehr sie auch eine Geige spielen sollte.
Ist man der Rechtsbeteiligung kundig,
weiß man genau; Bildungsungerechtigkeit
erzeugt nicht nur blutige Kriegsdichtungen,
sondern findet jede Gitterbeschneidung ulkig.
Wer die Kundgebung richtig liest,
die neben der Beseitigung durchklingt,
weiß, es werden Schreibunkundige getilgt.
Kiek und sieh, möglichst genau hin;
was uns allen bevorsteht, ist auch dran.
Unsre Allernächsten
sind auch Anarchisten;
spritzen Remdesivir,
trinken Rammdöser Bier.

Die Übernahme von Verantwortung im emanzipatorischen Prozeß führt naturgemäß zur Befreiung von Bedrückendem, z. B. der deutschen Klassik: Wer Godwin und Shelley hat, braucht Goethe und Schiller nicht.

Faustregel
Wahlboykott ist der Daumen,
Generalstreik schüttelt die Pflaumen,
Volksbewaffnung sammelt alle zusammen,
Machtvernichtung bringt Volkseigentum nach Haus,
und der kleine Neuanfang, der teilt alles gleichmäßig auf.
Statt zerstreuen, flanieren, zentrieren, vernichten, verlieren:
ausschwärmen, umherschweifen, sammeln, zuschlagen, siegen.
Und was man partout nicht brechen kann, muß man eben biegen. xv

Falls es wider Erwarten zu Rückschlägen kommt, schlage ich vor, in sich zu gehen … um auszubrechen und sich umzusehen:

Dämon, den Abgrund betrachtend

Die Katze xvi starrt ins Dunkel,
ich stiere ins Gegenüber –
der Anblick kiekt zurück:
Jünger bin ich gewesen,
aber langsam genesen.

Los geht’s … Ihr seid die Menge – sie in der Enge. Das Paket ist angekommen, klammheimlich … Überraschung! Ihr seid … Du hast … Ji un ik okxvii … [Rest unleserlich].

Erläuterungen

***Bert Papenfuß (Hrsg.). SŸSTEMRELEVANZ. Schriften aus dem Vorlaß von Sepp Fernstaub, Bd. 1. Erscheint im Herbst 2020 im Berliner Quiqueg-Verlag.

Sepp Fernstaub * Mitte des 18. Jahrhunderts v. u. Z.; Pseudonym eines engen Vertrauten von Bert Papenfuß, der vorerst – wegen seiner Machenschaften und seines fortgeschrittenen Alters – anonym verbleibt.

Bert Papenfuß * 1956; Untergrundschriftsteller im Vorruhestand, lebt noch in Berlin.

Endnoten

i Aus: William Godwin. Caleb Williams oder Die Dinge wie sie sind (1794). Aus dem Englischen von Rudolf Rocker. Reclam jun., Leipzig, 1985, S. 194.

ii Ebd., S. 268 f.

iii Ebd., S. 271 f.

iv Ebd., S. 279.

v Ebd., S. 270.

vi Aus: Mary W. Shelley. Der letzte Mensch. Aus dem Englischen von Maria Weber. BoD, Norderstedt, 2018, S. 251. – Der definitive Corona-Roman!

vii Geschrieben 1816/17, erstveröffentlicht in drei Bänden (war damals aus kommerziellen Gründen üblich) am 1. Januar 1818 in dem kleinen Londoner Verlag Lackington, Hughes, Harding, Mavor, & Jones in einer Auflage von 500 Expl., und zwar anonym, versehen mit einem Vorwort von Percy Bysshe Shelley und einer Widmung an Marys Vater (To William Godwin, author of “Political Justice,” “Caleb Williams,” etc., this volume is respectfully inscribed by the author.), weswegen die Leserschaft dachte, das Buch sei von Percy B. Shelley, der neben anderen sozialen Verfehlungen auch als Fan von William Godwin berüchtigt war.

viii William Godwin. Politische Gerechtigkeit. Herausgegeben [in der „Schriftenreihe zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung“] und mit einem Anhang versehen von Hermann Klenner. Haufe Mediengruppe, Freiburg/Berlin/München/Würzburg/Zürich, 2004. Siehe: dadaweb.de/wiki/William_Godwin:_Politische_Gerechtigkeit, 23. 7. 2020. – Wer ein Expl. übrig hat, melde sich bitte bei mir.

ix Peter Kropotkin in seinem Artikel Anarchism für die Encyclopedia Britannica (1910). Übersetzung aus dem Englischen: B. P.

x An anderer Stelle heißt es: “Anarchy, in its own nature, is an evil of short duration. The more horrible are the mischiefs it inflicts, the more does it hasten to a close. But it is nevertheless necessary that we should consider both what is the quantity of mischief it produces in a given period, and what is the scene in which it promises to close.” (Chapter V: Of Punishment Considered as a Temporary Expedient)

xi W. Godwin. Politische Gerechtigkeit, 2004, S. 501. Zitiert nach: Jochen Schmück. Anarchie, Anarchist und Anarchismus (dadaweb.de/wiki/Anarchie,_Anarchist_und_Anarchismus#cite_note-45, 28. 7. 2020). Ein sehr lesenswerter Artikel zur Geschichte der Verwendung des Wortes „Anarchie“.

xii Übersetzung aus dem Englischen: B. P. – “There is one point remaining in which anarchy and despotism are strongly contrasted with each other. Anarchy awakens thought, and diffuses energy and enterprise through the community, though it does not effect this in the best manner, as its fruits, forced into ripeness, must not be expected to have the vigorous stamina of true excellence. But, in despotism, mind is trampled into an equality of the most odious sort.” (Quelle: theanarchistlibrary.org/library/godwin-political-justice, 14. 8. 2020)

xiii Launisch nach der vielzitierten Schlußstrophe von Percy Bysshe Shelleys Jedicht The Masque of Anarchy (1819): „Rise, like lions after slumber / In unvanquishable number! / Shake your chains to earth, like dew / Which in sleep had fallen on you: / Ye are many—they are few!“ – Die anarchaische Schreibung „Anarxaquy“ stammt aus James Joyce’ Finnegans Wake (siehe: finnegansweb.com/wiki/index.php/Page_388), sie bringt Herrschaftslosigkeit in den Fluß bzw. das Wasser des Lebens (Whiskey).

xiv „What is this that stands before me? / Figure in black which points at me / Turn ’round quick and start to run / Find out I’m the chosen one / Oh, no“ – Aus: Black Sabbath (Tony Iommi, Bill Ward, Geezer Butler, Ozzy Osbourne); auf: Black Sabbath. Black Sabbath, WB, 1970.

xv Mitschrift eines kollapsologischen Fingerspiels des Komödianten Tatanka Yotanka. Beim Ausrufen des Titels zeigt er die Faust, beim Hersagen der ersten Zeile zeigt er den Daumen, bei der zweiten Zeile streckt er nur den Zeigefinger aus, bei der dritten nur den Mittelfinger, bei der vierten nur den Ringfinger (die schwierigste Übung ist die Nichtung der Macht) und bei der fünften nur den kleinen Finger. Die sechste Zeile improvisiert er mit einer Hand, die siebente mit der anderen, und die letzte mit beiden Fäusten.

xvi Der seit 1990 tote sozialdemokratische Desperado Herbert Wehner, der sich auch im anarchistischen und kommunistischen Umfeld rumtrieb, bevor er die „Partei des Verrats“ (nach seinen eigenen Worten) wählte, schleimte sich 1925 bei Erich Mühsam ein. Im Frühjahr 1927 hütete er während einer Abwesenheit von Zenzl und Erich Mühsam deren Wohnung in Berlin; er stahl nicht nur die Kasse und die Mitgliedskartei der Anarchistischen Vereinigung Berlin, sondern ließ die Katze der Mühsams verhungern – und genau hier hört der Spaß auf.

xvii Plattdeutsch (Ostmecklenburg): Ihr und ich auch.