Impfen für die Freiheit?
Impfstoffe sind eine zivilisatorische Errungenschaft. Impfen kann Sinn machen. Ob dies so ist, hängt unter anderem von der Gefährlichkeit des Virus ab – kein vernünftiger Mensch wird bei Pocken gegen das Impfen argumentieren – und von der eigenen körperlichen Konstitution. Da können Ratgeber helfen, vor allem aber (hoffentlich) gute Ärzt*innen. Für oder wider Impfen, das ist also ein individuelle, (selbst)verantwortliche Abwägung. Aus gesellschaftskritischer Perspektive sollten allerdings die Zusammenhänge des pharmazeutisch-medizinisch- technokratisch-staatlichen Komplexes mit reflektiert werden: Gesundheit ist von Politik nicht zu trennen.
Hilft Impfen eigentlich gegen Angst und Panik? Erst wird dem Volk von den Drostens, Merkels und Lauterbachern die Panik eingeimpft, auf dass sie anschließend als Erlöser auf den Plan treten, Impfdosen verteilend. Damit hat die Politik ein leichtes Spiel, denn während Infektionskrankheiten auch in Mitteleuropa noch bis in die 1960er Jahre zum Alltag gehörten (und auch deshalb die ziemlich verheerende Grippewelle 1968 kein großes Thema war, so kann sich meine mit einem ausgezeichneten Gedächtnis ausgestattete Mutter nicht daran erinnern, dass die Epidemie damals in den Medien berichtet wurde), so nahmen die Ängste vor „unkontrollierbaren“ Krankheiten in dem Maße zu, wie die Gefährdung durch sie in der Gesellschaft abnahm. Ein Beleg dazu ist das eingehende Zitat, wo der Sinn von Impfungen gar nicht mehr hinterfragt wird. Wird schon helfen.
Im Akkord
Wer sich für die historische Entwicklung des Impfens in Deutschland interessiert, dem sei das ausgezeichnete Buch des Historikers Malte Thießen (2019) empfohlen. Am Ende sind Menschen buchstäblich geimpft: „Ja, ich verstehe, warum Impfungen nötig sind, ich verstehe, was Gemeinschaftsschutz ist und wie wichtig immune Menschen für unser aller Gesundheit sind – und am Ende auch für die freie Gesellschaft“ (die Psychologin Cornelia Betsch in Zeit online. 30.3.2020). Impfen für die freie Gesellschaft? Womit denn schon mal klar ist, dass wer Zweifel gegen das Impfen hat, eben gegen die Freiheit ist.
„Wir müssen quasi im Akkord impfen“, so äußert sich der Infektiologe Clemens Wendtner am 22.1.2021 im Bayerischen Rundfunk, natürlich, nachdem er noch vor einer vierten, fünften… Corona-Infektionswelle warnt. Impfen – das Thema wird bleiben. „Die Pandemie ist erst besiegt, wenn alle Menschen auf der Welt geimpft sind“, so die ehemalige FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda, heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer auf ihrer Homepage dokumentierten Presseerklärung – eine völlig wirklichkeitsfremde Messlatte. Aber wenn man eine Dissertation schreibt zu einem so bodenständigen Thema wie „Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden“, dann kann man halt nicht auch noch Ahnung von Epidemiologie haben.
Impfen als staatsbürgerliche Pflicht?
Verschiedene religiös-fundamentalistische Gruppen sind grundsätzlich und immer gegen jedes Impfen. Die zugrundeliegende, im Kern zutiefst zynische Denkweise, dass wer vom Herrn (oder welcher Figur auch immer) auserwählt sei, schon nicht sterben werde und der Rest selbst schuld sei, muss entschieden bekämpft werden. Mit der Impffrage scheint eine Schnittstelle gefunden worden zu sein zwischen religiösen und rechten Gruppierungen. Ekelhaft jene, die nun Schilder mit Judensternen hochhalten, auf denen das Wort „Ungeimpft“ steht – solchen Konsorten kann man einfach nur mit Abscheu begegnen. Schwieriger wird es mit den Verschwörungsdenker*innen. Sie werfen Bill Gates & Co. vor, mit der Impferei ein Geschäft zu machen, womit sie recht haben, denn ja, das Oligopol der Pharmaindustrie hat zur Folge, dass nun einige Konzerne dank Impfen enorm profitieren. Allerdings liegt dem Herausgreifen und Problematisieren einzelner Personen oder Geschäftsbereiche eine sehr verkürzte, zu kritisierende Kapitalismuskritik zugrunde. Man muss aber auch sagen, dass die Diskurse über das Impfen „ein erschreckendes simplifizierendes Lagerdenken“ offenbaren (Wölflingseder 2021) – auf beiden Seiten.
Impfzwang
Kritiker*innen der autoritären Corona-Politik warnen vor einem Impfzwang, eine Warnung, die für sich schon reicht, diesen Menschen das Etikett der Verschwörungstheoretiker*innen umzuhängen. Immerhin betont Forschungsministerin Anja Karlicek ja, dass Impfungen absolut freiwillig bleiben. Sie kann sich dabei auch auf einen Meinungsumschwung verlassen: waren im Sommer 2020 in Deutschland nur die Hälfte der Menschen vom Impfen überzeugt – was Richter (2021: 87) bereits als Wirksamkeitsnachweis von Verschwörungstheorien betrachtet – so waren nach monatelangen Kampagnen für das Impfen Anfang 2021 bereits über 70% gewillt, sich impfen zu lassen. „Alle“ (Merkel) sind das aber noch längst nicht. Jens Spahn: „Überall da, wo wir durch Bereitschaft und gutes Argumentieren zum Ziel kommen, braucht es aus meiner Sicht keine Pflicht“ (DPA, 30.4.2020).
Wenn alle brav sind, ist es gut, ansonsten also doch eine Impfpflicht?
Der Europarat sah sich im Januar 2021 genötigt, die Mitgliedsstaaten und die Europäische Union aufzufordern, dafür Sorge zu tragen, dass die Bürger informiert werden, dass die Impfung nicht verpflichtend istund dassniemand politisch, sozial oder anderweitig unter Druck gesetzt wird, sich impfen zu lassen. Ein indirekter Impfzwang für Erwerbstätige könnte auch über den §56(1) des Infektionsschutzgesetzes ausgeübt werden, nach dem für Ungeimpfte Entschädigungen durch Quarantäne oder Schließungen entfallen können: Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, regte den Versicherungsausschluss bei einer Impfverweigerung an (Handelsblatt, 14.12.2020). Die gesetzlichen Grundlagen für Zwangsimpfungen (§ 20 Abs. 6 und Abs. 7 Infektionsschutzgesetz) gibt es längst, auch wenn beispielsweise Bodo Ramelow (Die Linke) dies in einem Interview mit der taz leugnet (10.5.2020). Menschen, die die Corona-Maßnahmen kritisieren, und Impfgegner*innen werden von Ramelow als „toxische Mischung“ bezeichnet und umstandslos in einen Topf geworfen.
Die globalisierungskritische Bewegung Attac (2020) bezeichnete die Vorstellung kommender Zwangsimpfungen kurzerhand als „Übertreibung“. Vielleicht sollten die Attac-Leute mal Gesetzestexte lesen – zugegeben, keine erheiternde Lektüre. Und das „Linke Bündnis gegen Antisemitismus München“ (2020) moniert, dass die Kabarettistin Lisa Fitz auf das Recht jedes Einzelnen, sich selbstbestimmt für eine Impfung entscheiden zu können, besteht. Die umwerfende Logik: „Damit knüpft sie an das Narrativ der Corona-Rebell*innen an, dass eine staatliche Zwangsimpfung bevorstehe. Zudem beklagt sie, Staat und Medien würden die Meinungsfreiheit der Bürger*innen zu untergraben versuchen“. Ach so. Nein, so etwas tut natürlich kein Staat. Meinen Linke.
Implantate?
Wenn die Linken dann aus ihrem Schlaf aufwachen, werden sie möglicherweise mit Chips herumlaufen, die mit der Impfdosis unter der Haut implantiert werden, ihre Gesundheitsdaten enthalten und zugleich Möglichkeiten zur digitalisierten Überwachung beinhalten. Nein, mir geht nicht die Phantasie durch. Das Massachusetts Institute of Technology befasst sich seit Längerem mit dem Thema (https://news.mit.edu/2019/storing-vaccine-history-skin-1218), und in den neueren Gesetzesentwürfen „zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ wird recht unbestimmt von „digitaler Gesundheitsförderung“ gesprochen. Das muss sich nicht in Informationsangeboten erschöpfen.
Nun gab es 2021 ein wochenlanges Problem: erst verkauft man den Menschen die Impfungen als Segen, beschwört in staatlichen Plakatkampagnen wieder einmal den völkischen Zusammenhalt („Deutschland krempelt die Ärmel hoch“) – und hat dann doch gar nicht genug Impfrationen zur Hand. Um an eine Impfung zu kommen, braucht es angesichts dauerbesetzter oder gar nicht besetzter Telefonleitungen und eines komplizierten Anmeldeprozederes denn einen Internetzugang, den zumal die Hauptzielgruppe – wie meine Mutter – vielfach gar nicht hat. Von einem „Impfdesaster“ ist die Rede. Ich will hier nicht näher auf den Vorwurf mangelhafter Versorgung, die Verteilungsprioritäten, der Frage einer angemessenen Kommunizierung der Impfstoffstrategie, die unterschiedlichen Impfstoffstudien, die Frage der Wirkung und Sicherheit von Impfungen etc. eingehen. Dazu ließe sich ein eigenständiges Buch schreiben.
Impfdesaster oder Impfstoffdesaster?
Ich betrachte die Impffrage hier nicht primär als medizinische, sondern vor allem als soziale Frage, und zwar unter einer kapitalismuskritischen Brille. Nur kurz an dieser Stelle daher der Hinweis, dass Mediziner*innen seit Längerem die Zunahme von Autoimmunerkrankungen beobachten, die u.a. mit Impfungen in Verbindung gebracht werden – vor allem, da inzwischen die meisten Impfstoffe Aluminium und Quecksilber enthalten, das als Auslöser dieser Erkrankungen gilt (Ehberger 2013; Rehberg 2021; Wölflingseder 2021). Es gibt also durchaus medizinische Gründe, Impfungen zumindest skeptisch zu beurteilen und von Fall zu Fall individuell zu entscheiden, wann eine Impfung sinnvoll und nötig ist – und wann nicht (vgl. Hirte 2005).
Was den sozialen Aspekt ausgeweiteter Impfprogramme im digitalen Zeitalter angeht, so zeigen sich hier bezüglich des Datenschutzes doch einige noch ungeklärte Fragen. Mag der einst in reiner Papierform vorliegende Impfpass noch unbedenklich gewesen sein, so wird nun ein elektronisches Impfregister aufgebaut, in dem der Name, Geschlecht, Geburtsdatum und – zum Redaktionsschluss dieses Buches noch ungeklärt – wohl zumindest, wie schon jetzt in Österreich, der Impfort, eventuell auch die Postleitzahl der Geimpften gespeichert werden soll. Dies ist angesichts der ressentimentgeladenen Stimmung, die schon in den letzten Monaten eine Nebenwirkung der Pandemie war, riskant. Werden demnächst Karten veröffentlicht mit den Prozentzahlen der Ungeimpften? Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu wissen, welche Stadtteile dies sein werden – nach den Gründen dafür aber wird wieder einmal nicht gefragt werden.
Wundermittel
Die Zahlen alleine werden reichen, um Vorurteile zu bestärken. Wenn dann die per se als verdächtig betrachteten, misstrauisch beäugten Elemente zwangsläufig zuhause bleiben müssen, weil sie sich nicht impfen ließen, passt das jedenfalls bestens mit dem staatlichen Sicherheitsdispositiv zusammen. Bequem lassen sich dann Stadtteile abriegeln, was gar keine ferne Zukunftsdystopie mehr ist, der Ausnahmezustand – pandemisch, kriminologisch – rechtfertigt das schon jetzt. Bereits jetzt stellt das Robert-Koch-Institut das Impfmonitoring zumindest nach Bundesländern differenziert online. Anfragen nach den exakt gesammelten Daten sind derzeit nicht möglich: „Wegen eines erhöhten Aufkommens an Anfragen aufgrund des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 können derzeit keine Bürgeranfragen beantwortet werden“, vermeldet das Robert-Koch-Institut (Stand 15.2.2021).
Die Fixierung auf das Impfen als vermeintlichem Wundermittel ist virologisch unhaltbar. Nicht nur, weil Impfungen eben häufig auch unerwünschte Nebenwirkungen zeigen, siehe z.B. die Schweinegrippe 2010/ 2011 (Wölflingseder 2021) – auch dies damals ein ziemlich schnell auf den Markt gebrachter, nicht hinreichend erforschter Impfstoff. Beim Coronavirus liegt die Sache wohl noch komplizierter. Denn die Mutationsgeschwindigkeit der Coronaviren wird dafür sorgen, dass ein grundlegender Anti-Covid-19-Impfstoff vermutlich unrealistisch ist (vgl. Hendrik Streeck im Interview mit der FAZ, 16.7.2020). Vielmehr ist es eine sehr realistische Annahme, dass die Impfstoffentwicklung den neuartigen Corona-Mutationen immer hinterherhinken wird. Mehr noch: es ist so, dass, je mehr geimpft wird, umso mehr Virus-Mutationen auftreten werden (Welt, 29.1.2021).
Nebenwirkungen
Im Fall der sehr schnell auf den Markt gebrachten Impfstoffe gegen das Coronavirus kommt hinzu, dass langfristige (Neben-)Folgen nicht annähernd hinreichend erforscht sind. Notfallzulassungen wurden unter Umgehung der üblichen Sicherheitsstandards ermöglicht (ZDF, 11.10.2020). Es wurde ein enormer Zeitdruck aufgebaut, angesichts dessen das Netzwerk Evidenzbasierte Medizin in einer Stellungnahme vom 8.9.2020 betont „Wir haben die Sorge, dass die üblichen Nachweise von Wirksamkeit und Sicherheit eines Impfstoffes zugunsten einer beschleunigten Bereitstellung einer Impfung aufgeweicht werden könnten“. Der Chef der deutschen Arzneimittelkommission, Wolf-Dieter Ludwig, kritisierte, dass es bei der Impfstoff-Zulassung Druck durch Jens Spahn gegeben habe (ZDF, 19.12.2020).
Gerade bei geschwächten älteren Menschen kann eine Impfung offenbar ziemlich unmittelbar den Tod zur Folge haben, weshalb etwa die norwegische Gesundheitsbehörde bei den über 80jährigen inzwischen ihre Impfempfehlung änderte (taz, 15.1.2020). Teils werden Impfstoffe von der Europäischen Arzneimittel-Agentur gar nur für unter 64jährige empfohlen (Welt, 29.1.2021), also eben gerade nicht für die Hauptrisikogruppe. Gerade Ärzt*innen und Pflegende stehen den – vermeintlichen? – Segnungen der Impfungen mit Skepsis gegenüber, was nachdenklich machen kann.
Privilegien
Diese Eigenverantwortung ist nicht gewünscht, und so wird inzwischen ein Impfzwang zumindest für Pflegekräfte diskutiert (Cechura 2021). Von systemrelevanten, beklatschten Pflegekräften zum „Querdenker“-Vorwurf – so schnell kann es heute gehen, wenn nicht jede staatliche Maßnahme kritiklos und hundertprozentig mitgetragen wird. Der Weltärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery unterstützt den Vorschlag, die großen Sozialverbände hingegen weisen die pauschale Unterstellung einer „Verweigerung“ zurück und betrachten angesichts der ohnehin problematischen Personal- und Arbeitssituation diese Forderung als demotivierend (BR, 12.1.2021).
Warum wird den Menschen nicht einfach gesagt, dass sie sich an ein Leben mit dem Virus gewöhnen werden müssen? Stattdessen wird nun ein Impfpass eingeführt, der den – fälschlich – als „immun“ Bescheinigten dann bestimmte Privilegien einräumen soll. Bundesliga live gucken – damit lässt sich sicher eine „freiwillige“ Impfbereitschaft erhöhen. Oder einfach nur den Zug benutzen dürfen. Oder was sonst so bei der nächsten Ausgangssperre noch – vor allem für die dann Ungeimpften – kommen könnte.
Herdenimmunität ?
Die Fokussierung auf das Impfen wähnt Menschen in etwas trügerischer Sicherheit: schließlich ist mit den Impfungen voraussichtlich keine sterile Immunität zu erreichen – so Carsten Watzl von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie -, daher können auch Geimpfte prinzipiell weiterhin ansteckend sein (Augsburger Allgemeine, 21.1.2021). Damit wird auch der Wunsch nach der Herdenimmunität übers Impfen ein frommer Wunsch bleiben. Bis diese Erkenntnis durchsickert, werden die Pharmakonzerne allerdings einige Milliarden Euro reicher sein.
Schließlich verweist die Entwicklung und Verteilung der Impfstoffe auch auf die Probleme, die ein privatwirtschaftliches Gesundheitssystem so mit sich bringt. Wäre, wenn alle Forschungskapazitäten von vornherein zusammengeführt worden wären und ein intensiver, offener Austausch geführt worden wäre, ein Impfstoff schon Monate vorher verfügbar gewesen? Angesichts dessen, dass doch jedes einzelne Menschenleben nun als extrem bedeutsam betrachtet wird – jedenfalls sobald es mit dem Coronavirus infiziert ist -, drängt sich eine solche Frage eigentlich auf, unabhängig von der Skepsis am Impfen als vermeintlicher Allzweckwaffe. Der Erfinder des Poli-Impfstoffs, mit dem die Kinderlähmung weitgehend zum Erliegen gebracht wurde, Jonas Salk, antwortete einmal auf die Frage, wem nun das Patent gehöre, wenn überhaupt, dann gehöre es der Menschheit: „Es gibt kein Patent. Könnte man die Sonne patentieren?“ (Welt, 25.10.2014).
Tödliche Patente
Das Patentsystem ist eines der größten Hindernisse für einen global gerechte Zugang zu guter gesundheitlicher Versorgung. „Die WHO schätzt, dass ein Drittel aller Patient*innen weltweit aufgrund hoher Preise und anderer struktureller Hindernisse keinen Zugang zu dringend notwendigen benötigten Medikamenten hat“ (https://www.patents-kill.org/deutsch/). Mit anderen Worten: hätte man das Coronavirus wirklich global ernsthaft bekämpfen wollen, so hätte man das geistige Eigentumsrecht abschaffen müssen. Regierungen hätten dies tun können, immerhin arbeiten die Konzerne innerhalb eines gesetzlich festgesetzten Handlungsrahmens. Mehr oder weniger jedenfalls: AstraZeneca etwa wurde schon vor zehn Jahren zu einer Strafzahlung von 390 Millionen Euro wegen der irreführenden Vermarktung eines Medikamentes verurteilt (Ärzteblatt, 28.4.2010).
Goldgrube
Firmen wie AstraZeneca, Moderna, Pfizer und BionTech haben Milliarden an Steuergeldern für ihre Forschung bekommen: Biontech allein 375 Millionen Euro von der deutschen Regierung. Die Firma residiert unter der wunderbar treffenden Adresse „An der Goldgrube 12“ in Mainz.
Anschließend sind die Konzerne Inhaber der Patente und können völlig frei den Preis für die Impfstoffe festsetzen, bei Moderna etwa sind dies bis 37 US-Dollar pro Dosis (tagessschau, 11.11.2020). Auch wenn die anderen Pharmakonzerne günstiger liefern – die Herstellungskosten sind nicht transparent, die Marge dürfte immer noch für reichlich Rendite reichen. Doch kann man den Konzernen schlecht eine unmäßige Bereicherung vorwerfen – sie nutzen im Kapitalismus eben die ihnen gegebenen Möglichkeiten. Das ist bei allen Produkten so – was sind beispielsweise die unmittelbaren Produktionskosten eines iPhones, was der Verkaufspreis, was bleibt wo hängen – und was sind letztlich die sozialen und ökologischen Kosten, und wer zahlt diese?
Für die 300 Millionen Euro, mit der sich die Bundesregierung bei der Firma Curavec einkaufte – Eigner sind u.a. SAP-Gründer Dietmar Hopp und die Bill und Melinda Gates Stiftung -, hat sie dabei nicht einmal eine Versorgungsgarantie oder Mitspracherechte bei der Verteilung bekommen. Die Universität Oxford wollte einen Impfstoff entwickeln, der frei verfügbar sein sollte – Bill Gates, großer Spender der Uni, forderte stattdessen zu einer Zusammenarbeit mit den Pharmafirmen auf (Arnold 2021). So wird allein Pfizer mit seinem Impfstoff bis Ende 2021 geschätzte 20 Milliarden Euro verdient haben.
Dabei ist es ein weiteres Problem des Gesundheitssystems im Kapitalismus, dass keine Vorsorge getroffen wird – so gab es ja schon jahrelang Warnungen vor dem Coronavirus, geforscht wird aber erst, wenn es da ist, sprich: Rendite verspricht. Ein privatisiertes Gesundheitswesen ist in Bezug auf Pandemie damit höchst dysfunktional. Zugespitzt gesagt: „Die Kranken haben Glück, wenn sie an einer Krankheit leiden, deren Behandlung Renditen abwirft“ (Pehrke 2021) – oder wenn sie nicht sterben, ehe sich die Konzerne mit den Regierungen auf die Forschungsförderbedingungen geeinigt haben. „Im Impfstoff spielt der Bund Lotto mit Steuergeldern“, kommentierte selbst die wirtschaftsnahe Neue Zürcher Zeitung (7.8.2020).
Impfstoff-Nationalismus
Die nationalstaatliche Konkurrenz, in der jeder Staat gegen den anderen wie im kapitalistischen Markt als Konkurrent auftritt, verstärkt im Corona-Zeitalter globale Ungleichheit. Das Wettrennen um Impfstoffe ist auch deshalb absurd, da die Menschheit es mit einer globalen Pandemie zu tun hat, die sich dementsprechend allenfalls global bekämpfen lässt. Dennoch werden nationalstaatlich teils noch gar nicht vorhandene Impfstoffe schon einmal im Voraus gehortet in einem Ausmaß, dass das Klopapier-Horten der Privathaushalte weit hinter sich lässt.
Von „Impfstoff-Nationalismus“ spricht der südafrikanische Präsident angesichts der Tatsache, dass, während in Europa bereits Millionen Impfungen verabreicht wurden, in ganz Afrika bis Ende Januar 2021 erst ganze 25.000 Impfungen erfolgten (NTV, 29.1.2021). Selbst das kleine Norwegen alleine hatte zu dem Zeitpunkt mehr Impfungen verteilt als der afrikanische Kontinent. Dies ist auch deshalb verheerend, da gerade die meisten Entwicklungsländer andere, schon bestehende Impfprogramme unterbrochen oder eingestellt haben, um die verfügbaren Mittel gegen Covid-19 zu konzentrieren. Die Pharmakonzerne treten dabei den Staaten des Trikont gegenüber äußerst aggressiv auf. So hat Pfizer in Peru im Rahmen eines Pfändungsrechtes den Zugriff auf eigentlich unpfändbares Staatseigentum gefordert, falls das Land seine Impfdosen nicht rechtzeitig bezahle (ARD Weltspiegel, 7.2.21).
Zahnlos ist so die Forderung der WHO an die Staaten, sich für eine gerechte Verteilung der Impfstoffe einzusetzen. Dieselbe WHO, deren „heimlicher Chef Bill Gates ist“ (Zeit online, 4.4.2017), da sie finanziell vollkommen abhängig ist und absurderweise je mehr Geld ausgaben kann, je mehr Bill Gates vorher an der Pharmaindustrie verdiente. Ein ungeachtet dieser Tatsache richtiger Vorstoß der WHO im Mai 2020, einen globalen Patentpool zu verankern und die Impfstoffe als „globales öffentliches Gut“ verfügbar zu machen, ist gescheitert, nicht zuletzt an der deutschen Haltung übrigens (Medico international 2020). „Mit der Zuteilung des Impfstoffs verteilen wir im wahrsten Sinne des Wortes Lebenschancen“, so FDP-Politiker Stephan Thomae. Wenn der Impfstoff dann tatsächlich so wirksam ist wie erhofft, dann wird jedenfalls auch deutlich, wem die Lebenschancen vorenthalten werden. Foucaults Bio-Politik lässt grüßen. Leben machen und sterben lassen.
Gewinngarantie
Impfen kann helfen. Beim Coronavirus scheint das Impfen nur für jene Risikogruppen empfehlenswert, die sich auch gegen Grippe impfen lassen (sollten). Eine Wunderwaffe ist das Impfen nicht, und gerade bei den Impfstoffen gegen Covid-19 bleiben etliche Fragen offen. Heilserwartungen sind unangemessen. Die Art und Weise, wie vermeintlich doch so elementare medizinische Mittel erst entwickelt werden, wenn es staatliche Forschungsgelder und zugleich Gewinngarantien gibt, wie auch die Art und Weise, wie der Impfstoff vermarktet und verteilt wird, ist geradezu ein politisches Lehrstück.
Vor diesem Hintergrund ist es doch sehr seltsam, wenn gerade Linke in Mitteleuropa nun offenbar so sehr danach lechzen, sich endlich impfen zu lassen und dabei nicht nur die problematischen Zusammenhänge ausblenden, sondern gleich die ganze Pandemie primär auf eine Impf-Frage eindampfen.
Quellen
(alle Internet-Links wurden letztmalig am 1.3.2021 geprüft)
Arnold, Jakob (2021): zit. nach https://www.cicero.de/wirtschaft/patente-impfstoffe-corona-oeffentlich-finanziert-subventionen
Attac (2020): zit. nach https://www.attac.de/was-ist-attac/strukturen/gremien/kokreis/stellungnahmen/8-mai-2020-stellungnahme-zu-coronaskeptikerinnen/
Cechura, Suitbert (2021): zit. nach https://www.heise.de/tp/features/Der-falsche-Kurs-der-Impfskepsis-5030122.html?seite=all
Ehberger, Bert (2013): Dirty Little Secret – Die Akte Aluminium; Steyr
Hirte, Martin (2005): Impfen – Pro und Contra; München
Linkes Bündnis gegen Antisemitismus München (2020): zit. nach https://lbga-muenchen.org/2020/10/03/nachtrag-zu-lisa-fitz/
Medico international (2020): zit. nach https://www.presseportal.de/pm/14079/4757034
Pehrke, Jan (2021): zit. nach https://www.zeitschrift-luxemburg.de/big-pharma-der-virus/
Rehberg, Carina (2021): zit. nach https://www.zentrum-der-gesundheit.de/artikel/impfungen/autoimmunerkrankung-durch-impfung-ia
Richter, Dirk (2021): War der Coronavirus-Lockdown notwendig?; Bielefeld
Thießen, Malte (2019): Immunisierte Gesellschaft – Impfen in Deutschland im 19. Und 20. Jahrhundert; Göttingen
Wölflingseder, Maria (2021): Wie Impfungen gegen Kritik immunisiert werden; in Hofbauer, Hannes/ Kraft, Stefan (Hrsg.): Herrschaft der Angst – Von der Bedrohung zum Ausnahmezustand; Wien
Meine mich immer wieder innerlich untreibende Frage ist…aus dem diesbezüglich gespaltenen Wendland kommend … wie konnte die Antifa unter Corona hier so “ geimpft “ / so „staatskonform“ werden? Wer genau hat da was geschrieben?
Die AntiFa hat mir vor der sog. Pandemie gerade im Atomwiderstand teils sehr imponiert mit ihrem Mut…. und jetzt? Verrat und wenig Entschuldigung angesichts der vielen mRna-„Impf“Schäden… Die AntiFa hat ja hier die Jugendlichen mit ihrer ImpfDich!Haltung massgeblich beeinflusst. Auch Lisa Neugebauer von fff sagte “ lasst euch impfen…“ wie kann das sein? Wie undifferenziert ist das denn?
Könnte sich eventuell als schwerwiegender Fehler erwiesen haben….? Das wissen wir noch nicht….aber ich mag nicht mehr nix sagen, war lang genug wie mundtot…. zutiefst gekränkt…
… Jede einzelne Verschwörungstheorie müsste von unabhängigen JournalistInnen genau recherchiert überprüft werden auf ihren Realitätsgehalt.
Was ist denn nun wahr?
Wem kann ich nu glauben?
Wir müssen reden, aufarbeiten, hinschauen in aller Ruhe… wieder zusammenkommen…. uns gegenseitig zuhören und unsere Ängste thematisieren. Vielleicht können wir uns wieder vertragen, wir linke Szene …
(von der Redaktion gekürzt)