Nummer 36.3 Bert Papenfuss Schlaffzahn

Dies ist der letzte Teil des Textes. Teil 1 finden Sie hier. Teil 2 hier. Zeilenumbrüche der Lied-Texte sind – damit sie unabhängig vom End-Gerät des Nutzers erkennbar sind – im folgenden Online-Layout jeweils durch ein “/” dargestellt.

Friedensmüde kann man natürlich auch sein, insbesondere dann, wenn Unterdrückung, Ausbeutung, Entfremdung und Zuschiß so unerträglich werden, daß jede Veränderung einen Ausweg bedeuten könnte. Das war die Ausgangssituation vor dem 1. Weltkrieg – damals war von „Weltwende“ die Rede –, später dem 2., dem kalten 3., und heute hier bei uns im 4. Reich, als das der Untergrundtheoretiker Hakim Bey die Europäische Union bezeichnete1, ist von „Zeitenwende“ die Rede. Was Bände spricht, zumal von Frieden nicht die Rede sein kann, wenn die Regierenden Krieg gegen die Regierten führen, seit Jahren mit einem Ausnahmezustand nach dem anderen. Um diese weiterhin zu begründen, gibt es neuerdings die Zeitenwende on tour2

Wenn der Weizen endet, kannst du Netze weiden;/ ist erst Eden entzwei, magst du Ideen wetzen –/ zur Zeitenwende paßt der entzweiende, aber/ dezente Wein anstehender Wendezeiten …/ Seit kurzem auch – „Epochenbruch“3,/ darauf kann der Cherub pochen.

Die derzeitige Verteidigungsministerin verlautbart: „Deutschlands Größe, seine geografische Lage, seine Wirtschaftskraft, kurz, sein Gewicht, machen uns zu einer Führungsmacht, ob wir es wollen oder nicht. Auch im Militärischen.“4 So bricht sich Militarismus Bahn; das Vierte Reich unter der Führungsmacht Deutschlands bekriegt Mordor im Auftrag des Weltpolizisten. Die Ukraine dient hierbei als Spielball US-amerikanischer, britischer und europäischer Interessen. – Ich wollte nie ernsthaft über solchen Scheiß schreiben, aber wenn es der Sache dient – schließlich erörtere ich hier die Probleme des anarchistischen Pazifismus, auch anhand aktuellpolitischer Abschweifungen. Also:

Kriege werden durch staatliche Interessen provoziert, ausgelöst und geführt, nicht „gespielt“, wie ACAB formuliert: „Dieser Krieg wird auf verschiedenen Ebenen gespielt – nicht nur mit Waffen, nicht nur mit Gas und Öl, sondern auch mit Lügen und falschen Narrativen.“5 – Staatliche Interessen sind Interessen des Staates, haben mit den Bedürfnissen der Bevölkerung nichts zu tun, sind das „falsche Narrativ“ per se und werden durch Lügen kommuniziert: Wahlversprechen, Meinungsänderungen, Erfordernisse der „Zeitenwende“, also Verrat. Regt sich wirklich mal Widerstand im Land, wird er als rechts- oder linksextrem diffamiert, notfalls durch einem weiteren Ausnahmezustand abgewürgt. Schließlich vertritt die atlantische „Wertegemeinschaft“ die Mitte der Gesellschaft, die nirgends definiert ist, ohnehin schwer zu fassen ist, sich noch dazu ständig verschiebt, also verarmt.

Wir brauchen Ideen gegen Interessen, um Kultur gegen Konsum zu setzen. Kultur hat Ecken und Kanten, Konsum folgt Algorithmen. Je digitaler, desto scheiße; es ist der Draht zur Welt, der uns vom Leben abhält. Wir brauchen Systemkritik gegen Hedonismus, Nachrichten-, Streaming- und Lieferdienste, Kreuzworträtsel und Patiencen; brauchen Anarchie gegen Zivilisation, die immer wieder „Barbaren“ definiert, die der „westlichen Werteordnung“ entgegenstehen. Die Realität ist eine Verzerrung unwirklicher Ereignisse von jestern, die ins Morgen schwappen und kippen. – Und was wir brauchen, können wir nur selber schaffen. Scheitern heißt, ein paar Schritte in die herrschaftsfreie Richtung gemacht zu haben, obwohl man weiß …

Heute kämpfen ukrainische, russische, weißrussische und andere Anarchisten auf Seiten der Ukraine; italienische, spanische und andere internationale Anarchisten auf Seiten Russlands um den Donbass und die Südukraine. Beide Fraktionen noch dazu an Seiten von Extremisten und Söldnern wie dem Regiment Asow auf ukrainischer und der Gruppe Wagner auf russischer Seite: Die Übergänge zwischen Patrioten, Nationalisten, Chauvinisten, Faschisten und gemeinen Söldnern aus Eigennutz sind fließend. – Immer war klar, daß Anarchisten sich keinen regulären Armeen anschließen, keine hierarchische Befehlsstruktur akzeptieren, sondern eine selbstgewählte; aber damit hatten auch schon Machno und Durruti in Bürgerkriegssituationen ihre Probleme – schließlich waren sie selbst „Väterchen“ und „Kommandeur“.

In dem später als Manifest der Sechzehn bezeichneten, von Peter Kropotkin und Jean Grave im Februar 1916 zusammen geschriebenen (zusammengeschriebenen) Text plädieren beide für eine Unterstützung der Entente gegen Deutschland und die sog. Mittelmächte. Diese Parteinahme sorgte unter Anarchisten für eine Kontroverse; Malatesta, Goldman und Rocker erhoben Protest, auch Landauer und Mühsam bewahrten Vernunft. Anarchistische Parteinahme in aktuellpolitischen Prozessen geht immer in die Hose, ist durch Moralismus und Irrationalismus motiviert, den auch Anarchisten nicht locker aus der Hand abschütteln können. Kropotkin war von Bakunin inspiriert, der für das 20. Jahrhundert einen Konflikt zwischen dem Pangermanismus und Panslawismus voraussagte, der ja auch wirklich stattgefunden hat, sowohl im Großen Krieg als auch besonders im Unternehmen Barbarossa, in dem es um die Vernichtung, Unterjochung und Versklavung der mongolisch und turkvölkisch versifften russischen „Rasse“ ging. 27 Millionen Tote auf sowjetischer Seite: Jetzt möchte ACAB Russland „ruinieren“; Helm ab – zum Gebet.

Bakunin bemühte sich, dem zaristischen Panslawismus und Expansionismus, sprich Imperialismus, einen revolutionären Panslawismus entgegenzusetzen, indem er sich mit polnischen, tschechischen, slowakischen usw. Revolutionären – und leider auch Nationalisten – zu verschwören suchte, um Preußen und Reußen anzugreifen, was in die Hose ging. Michail Alexandrowitsch war zwar ein konspirationistisches Schlitzohr, oft weitblickend, aber den antiglobalen Panamerikanismus konnte er natürlich nicht vorausdenken, geschweige denn das antiregionalistische Paneuropa des „4. Reiches“. Nach dem 2. Weltkrieg wurde der sowjetische Panslawismus als „Völkerfreundschaft“ verbrämt. Das Konstrukt Vielvölkerstaat Jugoslawien und die Fusion Tschechoslowakei wurden nach dem Kollaps des Ostblocks auf Betreiben der westlichen Wertegemeinschaft aufgelöst; wenn nicht im Guten durch „Samtene Revolution“ und „Gedankenstrich-Krieg“, dann im Bösen durch banalen Krieg und Bombenterror.

Dugin und Konsorten mit ihrem Eurasien-Flitz setzen auf ihre konservativ-revolutionäre Art den Panslawismus mit anderen Mitteln fort, bemühen sich jedenfalls auf ihre reaktionäre Tour darum. Und wenn sie nicht ermordet werden, werden sie das wohl noch eine Weile tun. Mir geht das Eurasien-Geschwafel am Arsch vorbei. Eurasien ist sowieso Eurasien, und bleibt es geologisch auf längere Sicht auch. Da beißen auch die Transatlantiker keinen Faden ab. Was auf allen Kontinenten doch sehr stört, sind Herrschaftssysteme aller Arten, ob nun sog. Autokratien, Demokratien, Theokratien oder sonstwelche Staaten. Geopolitik ist – wie jede Politik – von äußerstem Übel für alle Untertanen, alle Regierten, die man „Staatsbürger“ nennt, um ihnen das Privileg, Steuern zu zahlen, schmackhaft zu machen – und mit Brosamen wie zunehmend privatisierter und für viele unerschwingliche Gesundheitsfürsorge und gemäß den Inflationsraten sinkenden Renten abzuspeisen.

Angesichts der Querfronten in europäischen Parlamenten und dem bürokratischen Wasserkopf der Europäischen Union in Brüssel6 ist es Anarchisten heute unmöglich, politisch Partei zu ergreifen. Jenosse Sepp Fernstaub recherchierte den Metabolismus der engeren EU vor einigen Jahren folgendermaßen:

Volksverdauung durch Herrschaft im Vertrauen

Die Sieben Organe der Europäischen Union (am Rhein) sind:

1.) das aufgerissene internationale qualitätsmediale Maul;

2.) der vorenthaltene Löhne und eingesparten Arbeitsschutz / verschlingende Hals, den sie nicht voll genug kriegen kann;

3.) die verschlungene transatlantische Speiseröhre, / die das jetzt noch knapp große Britannien untergräbt;

4.) der anreichernde Magen östlich und westlich von Brüssel / und in den aaszersetzenden Banken von Luxemburg;

5.) linksrheinisch unter der Gürtellinie der Dickdarm / (Police nationale) samt Blinddarm (Gendarmerie nationale) / und Wurmfortsatz (Compagnies républicaines de sécurité);

6.) rechtsrheinisch der aufsteigende (Bundespolizei), / querverlaufende (Landespolizei) und absteigende Grimmdarm / (Wasserschutzpolizei) inklusive proppenprallen Mastdarms / (Mobile Einsatzkommandos [MEKs], Spezialeinsatzkommandos / [SEKs], die GSG 9, die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit Plus / [BFE+] und die Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheiten / [MKÜ]), der unermüdlich Unterdrückung gewährleistet; schließlich

7.) der waffenstarrende Arsch, der auch mehr Geld braucht, / damit die Knarrenbauer ihre knappen Krampen biegen können. / Alle anderen lebenswichtigen Organe sind Beiwerk, außer:

8.) das Flatulenzkonsortium der Verkäufer heißer Luft / in der CO2-Steuerbehörde des Emissionshandelsausschusses. / Alle acht Organe dienen der europäischen Machtsicherung / und dem Wirtschaftswachstum zum Zwecke der Profitsteigerung / auf Kosten bildungsferner Unterschichten, eines breiten Prekariats / und schrumpfender Mittelstände bis zum letzten Furz unter uns.

Einfach ist es, bürokratische Apparate und Politik generell abzulehnen; anders ist es bei kriegerischen Auseinandersetzungen, da hat dann doch jeder seine Präferenzen. – In meiner Jugend war es für mich einfach, Partei zu ergreifen: Nach Diskussionen im Freundeskreis fällte man Urteile je nach Gerechtigkeitsgefühl; zumeist „begründet“ durch irrationale Sympathien, oft mangelnder Bildung und Information geschuldet, und einer prinzipiell antikapitalistischen Grundhaltung, die zumindest uns Ostlern als Nachfahren von Opfern von „Vertreibung und Umsiedlung“ nach dem 2. Weltkrieg gemein war – die dafür verantwortlichen Täter saßen ja angeblich alle im Westen; ehemalige – mehr oder weniger entnazifizierte, eher weniger – Mitläufer jedoch gab es im Osten so sehr zuhauf, daß sich unser Jugendprotest antiautoritär, antifaschistisch und antiimperialistisch gebärdete, in einigen Fällen auch anarchistisch.

Im zarten Alter von 8 Jahren las ich 1964 ein Kinderbuch7 über die Heldin der „Befreiungskriege“ Eleonore Prochaska8, das mich zu Tränen rührte. Mein Vater, Sohn eines Ludendorff-Anhängers, Absolvent der Militärmedizinischen Sektion an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald9, hatte es mir geschenkt. Seine militärische Laufbahn war auch inspiriert von den „Befreiungskriegen“ 1812/13-1815. Daß irgendetwas mit den „Befreiungskriegen“ nicht stimmte, merkte ich erst einige Jahre später, denn nach Einstellung der Kampfhandlungen war niemand „befreit“, die Ausbeutung der verbliebenen Untertanen und Veteranen ging weiter wie gehabt. Wer für Kaiser, König, Führer, Volk und Vaterland ins Feld zieht, muß damit rechnen, den Heldentod zu verdienen, meist als unbekannter Soldat in einem Massengrab.

Als „nonkonforme“ – heute würde man sagen: renitente10 – Jugendliche der 60er/70er Jahre war unsere Parteinahme in kriegerischen und politischen Auseinandersetzungen stets gegen Deutschland gerichtet. Selbstverständlich waren wir gegen Kaiser und Führer, gegen die Bonner Ultras und gegen den Spitzbart, seinen Nachfolger Honecker und Konsorten. Neugier und Konfusion geschuldet lasen wir die Mao-Bibel, Kim Il-sungs Dschutsche-Quatsch und Gaddafis Grünes Buch, hörten Radio Tirana, waren pro Jugoslawien, die zumindest so etwas wie Volkseigentum – statt Staatseigentum – versuchten, hatten wir jedenfalls im Feindsender gehört. Wir sympathisierten rückblickend mit den Anarcho-Syndikalisten der FAUD und den Rätekommunisten der KAPD und plädierten aktuell für die Bewegungen mit drei Buchstaben: IRA, ETA, PLO, RAF und B2J.

Apropos KAPD: Paul Mattick (1904-1981) trat schon als Jugendlicher in die rätekommunistische KAPD ein und war an zahlreichen Kämpfen beteiligt, emigrierte 1926 in die USA, wurde dort Mitglied der anarchosyndikalistischen IWW und war vielfältig engagiert aktiv. 1935 antwortete er auf die Frage „Was wirst du tun, wenn Amerika in den Krieg zieht?“: „Ich persönlich habe weder Freude noch Interesse daran, in irgendeinen Krieg zu ziehen; aber sich gegen den Krieg auszusprechen, erscheint mir albern und nutzlos. Man muss ihm materielle Kräfte entgegensetzen, nicht bloße Verhaltensweisen, und jeder, der sich nicht an der Gestaltung dieser Kräfte beteiligt, ist auch nicht gegen den Krieg, so sehr er das auch beteuern mag. Die Frage selbst legt den Gedanken nahe, dass man sich für den Frieden und gegen den Krieg einsetzen soll, aber ich bin genauso gegen den kapitalistischen Frieden wie gegen den kapitalistischen Krieg. Ich habe auch keine Wahl zwischen den beiden Situationen; ich kann nur dazu beitragen, einem System ein Ende zu setzen, das seine Existenz durch die Tendenz zum Wechsel zwischen Krieg und Frieden sichern muss. Um sich dem kapitalistischen Krieg entgegenzustellen, muss man sich dem Kapitalismus entgegenstellen, denn Kriege sowohl als die Krise gehören zu den Existenzbedingungen des Systems. Es versteht sich von selbst, dass ich keineswegs helfen werde, ein System zu verteidigen, das ich völlig widerwärtig finde und das mein Leben ruiniert.“11

Diese schnörkellosen Sätze sind heute ebenso gültig wie damals. Staaten und Nationen produzieren Kriege, schließlich herrscht Konkurrenzkampf unter enormem Wachstumszwang. Ein Ausstieg aus diesem System ist möglich, wenn genügend Leute die Ungerechtigkeit begreifen und angreifen. Alle Grenzen von Nationalstaaten – wie alle Grenzen überhaupt – sind ungerecht und nur durch das Gewaltmonopol jeweiliger Staaten „gerechtfertigt“. Wenn die Basken und Katalanen nicht zu Spanien gehören wollen, sollen sie sich abspalten und autonom werden, möglichst ohne einen weiteren Nationalstaat zu gründen, sondern eine libertäre Selbstverwaltung. Gleiches gilt für die Bretonen und Korsen in Frankreich, für die Schotten – und hoffentlich auch bald die Waliser – in „Großbrittanien“, für die Sami in Norwegen, Schweden, Finnland und Russland usw. usf.

Daß man aus einer diktatorisch regierten Sowjetrepublik mit Grenzen, die durch Kriege, Bürgerkrieg und wiederum Krieg entstanden, nicht problemlos einen Nationalstaat machen kann, sollte eigentlich jedem klar sein. Ebenso wenig wie es eine Ukraine gibt, existiert auch kein Russland, kein Deutschland, Frankreich, Spanien usw. – Hört mir auf mit „historisch gewachsen“ – Grenzen werden durch Siege und Niederlagen herbeigeführt, durch Kriege oktroyiert. Darum: Nicht „Give Ireland back to the Irish“12, was niemals geschehen wird, sondern „Take Ireland back from the British“. Nehmt Vorpommern weg von Mecklenburg, nehmt Vorpommern weg von Deutschland, weg vom deutschen Staat, nicht um einen Freistaat zu gründen, sondern gar keinen, organisiert euch selber, oder …

Menschen ohne Fische und Katzen

Zuschiß bereitet Überdruß und Unmut, / Narzißmus breitet sich globalmedial aus, / konzertierter Widerwille bricht sich Bahn – / was Besseres als das Leben13 finden wir immer. / Menschen ohne Fische und Katzen / können sich gleich salutieren lassen. / Wie alles im All, / endet’s mit’n Knall. / Naturgesetze existieren nur so lange, / bis wir ihre Ungültigkeit erkannt haben. / Genau so ist es mit der Gesetzgebung / und dem Strafrecht, das Eigentum schützt. / Menschen ohne Fische und Katzen / können sich gleich salutieren lassen. / Wie alles im All, / endet’s mit’n Knall. / Jegliche Satzung ereilt ihre Ächtung, / Willkür bekämpft man nur mit Willkür; / wer auch nur Rahmen absteckt – eckt an: / Regeln sind Ausnahmen der Gesetzlosigkeit. / Menschen ohne Fische und Katzen / können sich gleich salutieren lassen. / Wie alles im All, / endet’s mit’n Knall. / Gesetzwidrigkeit zwirbelt Gesetze, / die sich der Regeländerung widersetzen. / Zivilisation gleich Kannibalismus / plus Digitalisierung der ganzen Welt.14

Tja, Poesie ist keine Theorie, kein Expertismus, sondern Praxis, Lebenspraxis; auch wenn sie nicht gut ausgeht, bleiben Versuche, die es wert waren – werden unsere Nachkommen einander sagen, nachdem sie die „sozialen Medien“ in die Tonne getreten haben. – Apropos Katzen: Nicht unerwähnt soll bleiben soll an dieser Stelle das herzergreifende Lied Человек и Кошка (Mensch und Katze)15 von Fjodor Valentinowitsch Tschistjakow und seiner Band НОЛЬ, in dem es zwar um die allgemeine – und nur diffus geschilderte – Bedrückung des „zivilisierten“ Menschen und Drogensucht geht, also das „Allzumenschliche“, aber das so eindrucksvoll, daß Generationen davon zehren werden. Katzen, so sehr sie ihre „Halter“ auch knechten, fördern Unbeherrschbarkeit, Köter hingegen Autoritarismus. Noch gibt es in Deutschland mehr Katzen als Köter.

Wir haben alle eine offene Rechnung mit dem selbstgebastelten und zusammengelebten Schicksal, den restriktiven Lebensbedingungen unter den speziellen Verhältnissen des Spätkapitalismus; wenige sind dafür (Oligarchen, „Philanthropen“ und ihre Bonzen, Schergen und Wähler), andere dagegen (die sog. Linke, von etatistisch bis „kritisch“ und extrem[autoritär]), die meisten so verunsichert, daß sie sich nicht äußern können, wollen und sollen. „Links“ im klassischen emanzipatorischen Sinne sind heute nur noch die zersplitterten Anarchisten. – Man kann sich gut einrichten im Niedergang, wir machen das schon ein Leben lang. Hauptsache, man macht einen guten Eindruck. Abbildung ist Überwältigung, Andeutung vollendet Ausmalung, Übertreibung wird zur Wahrheit, die niemand gepachtet hat, denn sie gehört dem Machtapparat. „Lost am I in this world of timelessness and woe.“16

Abschwiff 5: Durst, Anblick und Verzicht

1987 besuchte ich zum ersten Mal den Westen, nahm an einem Literaturfestival in Rotterdam teil und fuhr danach – unerlaubterweise mit einem wohlfeilen westdeutschen Reisepaß – mit Freunden nach Südengland. Eines späten Nachmittags standen wir irgendwo in Dartmoor rum und warteten darauf, daß die Kneipe endlich wieder aufmachte; nach einem Ertüchtigungs- und Ernüchterungsgesetz aus dem Ersten Weltkrieg durften ja bis 1988 die Kneipen zwischen drei und halb sechs nachmittags nicht öffnen.

Unwirklicherweise preschte eine Einheit britischer Kindersoldaten (16+) auf uns zu, von ihren Ausbildern angepeitscht, und hastete an uns vorbei, um einen naheliegenden Hügel zu erstürmen. Plötzlich wurde mir klar, diese „Freiwilligen“ sind meine Feinde. Genervt sahen ihre Gesichter aus, aber auch hochmotiviert, sie waren bei der Sache, weil sie ansonsten keine Zukunft hatten in dieser Heimstatt von „No Future“, außer als NATO-Söldner. Das war eins von diesen Gefühlen, die man weiß. Und an dem einem der Witz im Halse stecken bleibt.

Ich druckste rum, maulte, daß es ja noch ewig dauern würde … wir fuhren langsam in einen anderen Pub, der dann auch mittlerweile auf hatte. Die Musik war gräßlich, nicht nur dort, überall lief damals die Platte Brothers in Arms von den Dire Straits hoch und runter; auch in den Kneipen in Ostberlin, denen ich auf diesem Trip kurz entflohen war. – Meine Freundin Diana Mavroleon bot an, wenn wir zurück in London wären, zusammen Penny Rimbaud im Dial House im Speckgürtel von London zu besuchen, aber ich mußte zurück nach Prenzlauer Berg.

Der Song Brothers in Arms17 von den Dire Straits gilt als Antikriegslied, wurde angeblich als Reaktion auf den Falkland-Krieg geschrieben – ein widerliches reaktionäres Lied, das seither weltweit auf Begräbnissen von HeldInnen, VeteranInnen und gemeinen SoldatInnen abgespielt wird. Ich werde auf dieses Machwerk nicht näher eingehen. Ähnlich, nur etwas „unschuldiger“ ging der Song Yours Is No Disgrace18 der Progrock-Band Yes über den Vietnam-Krieg in die Hose. Ich kann leider nicht verhehlen, daß ich den Song 1971 gut fand, es gibt einfach zu viele Zeugen. Allerdings verstand ich damals den Text nicht in seiner politischen Dimension, die sehr verquast rüberkam. Auch dieses Lied wird seither auf Begräbnissen von sensiblen Mördern und sonstigen Tätern gespielt. Das wenigstens wird Crass nie passieren; entweder hat ein Antikriegssong die Kraft und ästhetische Kompetenz der Gegengewalt, oder nicht – wenn nicht, wird er unter Umständen zum Soundtrack für militaristische Nekrophilie.

Ein besonderes Lied ist Shipbuilding19, komponiert von Clive Langer für Robert Wyatt, Elvis Costello schrieb den Text dazu. Er schildert den Hoffnungsschimmer eines arbeitslosen Werftarbeiters auf Wiedereinstellung, weil nach der Zerstörung von Kriegsschiffen im Falkland-Krieg nun wieder neue gebaut werden müssen: „Ist es das wert? Eine neuer Wintermantel und Schuhe für die Frau, und ein Fahrrad zum Geburtstag des Jungen. Von den Frauen und Kindern wurde in der Stadt das Gerücht gestreut, daß wir bald wieder Schiffe bauen.“20 Irgendwie gut, daß mal ein Blick auf die Bedrängnisse des Proletariats geworfen wird, aber die Sichtweise ist meiner Meinung nach – zumal der Text ironisch gemeint ist21, ich würde sagen: zynisch – in erster Linie kleinbürgerlich ambivalent: „Es ist nur ein Gerücht, daß in der Stadt gestreut wurde; jemand sagte, daß irgendwer zusammengeschlagen wurde, weil er sagte, daß letztlich Leute getötet werden wegen des Schiffbaus.“22 Dann wird auch noch der Sohn eingezogen, verspricht natürlich, Weihnachten wieder zu Hause zu sein („Vater, sie rufen mich zum Dienst, aber Weihnachten bin ich wieder zurück“), es geht nicht gut aus usw. usf. – stilistisch ist das Lied kitschig und gegen Ende irrational und eskapistisch, aber der Gesang von Robert Wyatt ist herzzerreißend überzeugend. Wegen der Erwähnung von Weihnachten wurde der Song von den Jahresendrezensenten empfohlen, woraufhin die Plattenfirma beschloß, ihn im nächsten Jahr nochmal rauszubringen. Mit einer forcierten Werbekampagne wurde er dann zum ersten Jahrestag des Falkland-Krieges eine Art Hit; seither ist der Song eines dieser Weihnachtslieder, die man nicht mehr hören kann. – Shipbuilding ist einer von diesen Grenzfällen, von denen ich nicht weiß, wie genau kontraproduktiv sie eigentlich sind, auf jeden Fall: irrevolutionär. Schließlich finden sich die Leute mit allem Scheiß ab. – In der aktuellen Situation der Wirtschafts-, Stellvertreter- und Bürgerkriege müßte man sich kraß fassen: „Tankbuilding“, um der notleidenden Rüstungsindustrie auf die Sprünge zu helfen.

Von der militanten Anarcho-Szene wurden Crass, Penny Rimbaud par excellence, als „peace wanker“ bezeichnet. Im Osten nannten wir die meist religiös unterfütterten Friedensbewegten „Peacer“, abwertend jedoch auch „Pisser“, jedenfalls nicht „Wichser“, keineswegs aus einem „woken“ Impuls – den Selbstbefriedigern gegenüber – heraus. Nüscht gegen Hedonismus, wie einsam auch immer. Der frühe Punk war zwar – zugegeben – fünf nach Glam, aber dennoch war Slade keine Proto-Punkband, sondern Kapellen wie MC5, die Stooges oder die Pink Fairies und Hawkwind, die sich damals aber auch farbenfroh anzogen, und nicht etwa uniformiert schwarz (gefärbt) wie Crass.

Crass kann man, wie gesagt, fast allet vorwerfen: Man könnte die Grafik als häßlich beschreiben, die Musik als gräßlich und zu uffjeregt; viele Leute empfinden so. Die Texte sind kräßlich politisch unkorrekt, „unwoke“ wohltemperiert, eigentlich „über-woke“ mit anderen Mitteln, denen der Provokation – die heute kaum noch angewandt werden; wenn ein Fernsehkasperkopp einen Politiker unter der Gürtellinie angreift, ist das keine Provokation, sondern ein kalkuliertes quotenbringendes Highlight des Medienspektakels.

Fundamentale Herrschaftskritik in Form von Pazifismus ist eine schwierige Disziplin, die ohne Gegengewalt nicht funktioniert. Gegengewalt braucht eine Popularkultur, die sie trägt, in der sie sich bewegt und ausschlägt. Pazifismus heißt militanter Kampf gegen Kriegstreiberei, gegen Schurkenstaaten aller Arten; über, unter oder in uns. – Der Propagandismus von Crass funktioniert heute nicht mehr, Provokation stößt ans woke Verständnis. Nichts gegen Lyrics – am schwierigsten sind die deutschen –, aber das ganze Gequatsche geht nach 50 Jahren Hip-Hop auf den Zünder. Militanter Pazifismus braucht – als Motor – einen rhythmischen Impuls, Worte stören hierbei nur, verkommen zu Parolen, die schleunig verschleißen.

Während ich den letzten Teil dieses Elaborats schreibe, höre ich altbekannte Instrumentalmusik, die ich seit über 50 Jahren liebe, zumeist Soft Machine (und Matching Mole), besonders die Third23, aber auch die ersten der inkriminierten folgenden ohne Robert Wyatt, spätere arten in Kulturradio-Dudel-Fusion aus, werden dort aber nie gespielt, wahrscheinlich zu experimentell, oder nicht im Verwertungssystem. – Es gibt Musik zum Nachdenken (Soft Machine), zum Argumentieren (Crass), Musik zum Tanzen und Balzen, zum Ficken, Fressen, Sterben usw. – nur Musik gibt es meiner Meinung nach nicht, Musik hat Sinn, ist eigentliche Architektur (alles andere sind „Gebäude“), und macht Sinn.

Ich habe mich in anderen meiner Essays (und freien Assoziationen) weit und breit über Musik ausgelassen, muß mich hier nicht wiederholen, möchte aber dennoch ein paar Hausnummern geben. Sogar Crass hat ein dezidiert experimentelles instrumentales Bruchstück jenseits aller Punk-Hörgewohnheiten hinterlassen, nämlich einen Schwanengesang24, der auf einer Mixkassette zwischen Earth25, Sunn O))) und Wolves in the Throne Room nicht groß stören würde, aber leicht. Von Yuri Gagarin26 aus Göteborg, den instrumentalen Janitscharen unter den Spacerockern, will ich hier gar nicht erst anfangen zu schwärmen, geschweige denn von The Heads27 aus Bristol.

Es geht um den Rhythmus; ohne Entschlossenheit keine Zuversicht, das Stampfen der Zukunft, die wir uns bereitet haben, kann uns vernichten. Ist das ein Verlust für Schlaffzahn, Schnapphahn, Raffzahn, Schnapsdrossel, Unkrieg, Freudentod und Gieremund? – Nichts in der Welt stirbt wirklich; Metempsychose ist nur Metabolismus, Empörung führt zu Entrüstung; fehlen nur noch Durchblick und Witz. Schließen möchte ich mit einer Notiz:

Akme, Aura, Amok; / Eris, Eros, Ouroboros: / Thetys peitscht Okeanos. / „Bumms, aus.“28

Coda

„Die Anarchisten sind schließlich gegen den Antimilitarismus (oh weh, da habt ihr den Versprecher, seht, ein Versprecher passiert nie völlig zufällig, tatsächlich sind die Anarchisten auch gegen eine gewisse Art von ‚Antimilitarismus‘). Wie auch immer, um unangenehme Missverständnisse zu vermeiden, lasst uns versuchen, deutlicher zu sein. Ich korrigiere mich: Die Anarchisten sind gegen den Militarismus. Daran besteht kein Zweifel. Sie sind gegen den Militarismus, und dies nicht im Namen von einer einstimmigen pazifistischen Auffassung. Sie sind vor allem gegen den Militarismus, weil sie eine andere Auffassung des Kampfes haben. Das heißt, sie haben nichts gegen Waffen, sie haben nichts gegen das Konzept der Verteidigung vor der Unterdrückung. Aber sie haben hingegen viel gegen einen bestimmten, vom Staat gewollten und befehligten, und von den repressiven Strukturen organisierten Gebrauch der Waffen. Sie haben viel einzuwenden gegen einen militärischen Gebrauch der Waffen. Während sie aber einverstanden sind, oder zumindest in ihrer überwiegenden Mehrheit einverstanden sind, mit dem Gebrauch der Waffen gegen den Unterdrücker, mit dem Gebrauch der Waffen gegen jene, die unterdrücken und ausbeuten, mit dem Gebrauch der Waffen in einem Befreiungskrieg. Mit dem Gebrauch der Waffen gegen bestimmte Personen, gegen bestimmte Realisierungen der Ausbeutung.

Es ist also falsch, zu sagen: ‚Die Anarchisten sind Antimilitaristen, was das gleiche ist, wie zu sagen, dass sie Pazifisten sind.‘ Die Anarchisten sind nicht gegen den Militarismus, weil sie alle Pazifisten sind. Sie haben nichts gegen das Symbol der Waffe, und ebenso wenig können sie eine Verurteilung des bewaffneten Kampfes im Generellen akzeptieren, um hier diesen streng technischen Begriff zu gebrauchen, der eine ausgedehnte Betrachtung verdienen würde. Sie sind hingegen völlig einverstanden mit einem bestimmten Gebrauch der Waffen: Welchen? Jenen, bei dem diese Gegenstände gebraucht werden, um sich zu befreien, da keine Befreiung auf friedliche Weise möglich sein wird. Denn jene, die die Macht besitzen, werden nie so höflich sein, sich in aller Seelenruhe beiseite zu stellen, ohne Widerstand zu leisten und ohne zu versuchen, diese um jeden Preis zu erhalten.“29

Периметры

„Denn je mehr es schneit, / bewegen sich die Wolken nicht.“30 / „Weißes Haus zeigt sich tief besorgt.“ / Eine kalte Hand kann zwar nicht geben, / eine tote Hand31 dagegen umso mehr austeilen, / in diesem herbeipropagierten Winter, der kommt. / Der Kalte Krieg war eine klare Sache; / genau so schlimm, wie ein sog. „Frieden“; / fangen wir an, „Klarheiten“ dorthin zu schaffen, / wo sie schrumpfen, schmelzen / wie Kalter Hund in Mittsommerglut: / Hochgerüstet prasselt Hagel auf Harsch. / One, two, three; Einsame-Ameisen-Amnesie, / Verschwörung, Empörung, Armageddon – / Muspilli, Jah War, Священная война …

Heiliger Krieg, Weltuntergang, Weltwende, Zeitenwende, Epochenbruch – wie auch immer die reaktionäre Panikmache genannt wird – nutzt niemand. Machthaber, die ihre Herrschaft erhalten und ausdehnen wollen, sind Niemand. Keiner, der die Wahl hat, sollte Niemand wählen. Leider haben wir keine Wahl, weil wir unsere Macht aus den Händen gegeben haben, zusammen mit unserer Erfahrung, unserem Wissen, unseren Vorlieben, Schwächen und Adressen.

Eine „freie Wissenschaft“ gibt es nicht; unter den herrschenden Verhältnissen weltweit ist Wissenschaft in erster Linie Herrschaftswissen – und gehört zusammen mit aller Politik in die Tonne getreten. Uns helfen keine Klassiker – auch keine anarchistischen –, keine Analytiker – geschweige Analysten –, keine Futurologen, erst recht keine Quantentheoretiker. Unser Problem ist die Bourgeoisie und die sog. Demokratie, kurz: Kapitalismus.

Die Bourgeoisie allerdings sind wir solange selber, in welchen Klassen auch immer, bis wir uns zur Selbstbehauptung aufschwingen, und dem profitorientierten Merkantilismus – der inzwischen dank der Robotisierung kaum noch Arbeiter braucht und sie nach und nach abschafft, außer als Konsumenten – die Kante zeigen. Meinetwegen auch antimilitaristisch, aber in jedem Falle vehement, darunta jeht’s nich’. Entweder gehen wir der Sache radikal auf den Grund – oder zu Grunde. Von unten auf können wir unsere Gesellschaftsverhältnisse regeln – und, dem Ernst der Sache gemäß, geopolitischen Zielen entgegen spielen …

Wenn man … auf Ankertaue blickt, sieht es schlecht aus

Wenn man die Akteure anblickt, die den Klub attackieren, / begreift man das beknackte Ritual der Atlantikbrücke … / wenn einem „Altbautenkicker“, so der kackbraune Titel, / der Reibelaut knackt, wenn er auch nur Bräute anklickt, / auf unteilbare Naturliebe kackt und Bauartikel neckt, / dann sorgt man dafür – daß er auf Ankertaue blickt.

1 Hakim Bey (Peter Lamborn Wilson): „I’ve always thought of the European Union as the Fourth Reich—this is a scam for Germany to take over the world.“ Siehe unten: Fn. 63.

2 „Zeitenwende“ jetzt auch „on tour“: „Zum Auftakt der ‚Zeitenwende on tour‘ diskutierte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am 23. September 2022 mit Bonner Schülerinnen und Schülern.“ – Ich habe bis 1990 (nicht wirklich) gedacht, penetrante Agitation und Propaganda sei die Spezialität staatskapitalistischer Systeme, während der privatkapitalistische Sektor (wirklich) bestrebt ist, die Produzenten und Konsumenten mit Reklame zuzuscheißen und einzulullen, aber, aber …: „Was ist ‚Zeitenwende on tour‘? / Die Münchner Sicherheitskonferenz [1963 als Wehrkundetagung bzw. die Internationale Wehrkunde-Begegnung begründet] als das weltweit führende Forum für außen-, sicherheits- und europapolitische Debatten wird deshalb die wichtigen Gespräche zur Zeitenwende aus den Kreisen der EntscheidungsträgerInnen und ExpertInnen hinaus in die Breite der Gesellschaft tragen. / Mit der Veranstaltungsreihe ‚Zeitenwende on tour‘ wird die Münchner Sicherheitskonferenz mit den Menschen ins Gespräch kommen, die in den deutschen Großstädten, aber auch in Kleinstädten und im ländlichen Raum von der Zeitenwende betroffen sind. Im Zuge der Kampagne sollen in allen 16 Bundesländern im Laufe der kommenden zwölf Monate Veranstaltungen mit in der jeweiligen Region stark verankerten Partnern stattfinden. An ungewöhnlichen Orten, mit unterhaltsamen und interaktiven Formaten und prominenten Gästen werden Fakten und Zusammenhänge dargestellt und die drängenden Fragen der Bürgerinnen und Bürger beantwortet. Der Münchner Sicherheitskonferenz ist es im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern besonders wichtig, immer sachlich, klar und verständlich zu bleiben. / ‚Zeitenwende on tour‘ wird vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung gefördert. Die Münchner Sicherheitskonferenz wird bei ‚Zeitenwende on tour‘ eng mit der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP), der Deutschen Atlantischen Gesellschaft (DAG) und weiteren Partnern zusammenarbeiten.“ (Quelle: securityconference.org/zeitenwende/, 13. 10. 2022)

3 Neuerdings heißt die „Zeitenwende“ auch „Epochenbruch“; so Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Rede an die Nation im Schloss Bellevue am 28. 10. 2022, die eigentlich eine klassische Kriegserklärung war, vor allem gegen die „eigene“ Bevölkerung. Ich kann unmöglich daraus zitieren, mir sträuben sich alle Finger. Wenn jemand in der Nachwelt mal den Ursprung der Floskel „Epochenbruch“ nachweisen möchte, soll er sich einfach auf das abgestürzte Internet berufen. (bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2022/10/221028-Alles-staerken-was-uns-verbindet … usw. usf., 6. 11. 2022)

4 Aus einer Rede der Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bei der Veranstaltung zur „Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Implikationen der Zeitenwende für Deutschlands erste Nationale Sicherheitsstrategie“ am 12. September in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. (bmvg.de/de/aktuelles/lambrecht-bundeswehr-muss-kern-deutscher-sicherheit-sein-5494860, 14. 9. 2022)

5 Aus: Rede von Außenministerin Annalena Baerbock zur Einbringung des Bundeshaushalts 2023 im Deutschen Bundestag, 7. 9. 2022 (auswaertiges-amt.de/de/newsroom/haushalt-auswaertiges-amt/2550546, 13. 9. 2022).

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6 Die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union, die Europäische Verteidigungsagentur EDA, die Exekutivagentur für Bildung, Audiovisuelles und Kultur, die Exekutivagentur des Europäischen Forschungsrates, die Exekutivagentur für kleine und mittlere Unternehmen, die Exekutivagentur für Forschung, die Exekutivagentur für Innovation und Netze, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, der Europäische Ausschuss der Regionen, das Sekretariat und die Überwachungsbehörde der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA, das Generalsekretariat der Benelux-Union, das NATO-Hauptquartier usw. usf. – das ist nur der Scheiß, der mir ohne große Recherche im Internet entgegensprang. Kost’ ja nüscht; außer dem digitalen Wegzoll der GEZ, und die Unkosten der zahlreichen Behörden und die opulenten Gehälter zigtausender Beamter, die übrigens – apropos Demokratie – niemand gewählt hat, fallen nicht ins Gewicht.

7 Charlotte Thomas. Das Mädchen von Potsdam. Erzählung aus der Zeit der Befreiungskriege. Gebr. Knabe Verlag, Weimar, 1964.

8 Marie Christiane Eleonore Prochaska (1785-1813) war ein deutscher Soldat in den Befreiungskriegen. Als August Renz schloß sie sich 1813 dem Lützowschen Freikorps an, erst nach einer tödlichen Verwundung in Schlacht an der Göhrde am 16. 9. 1813 wurde entdeckt, daß sie eine Frau war. Sie wurde zu nationalistischen Zwecken glorifiziert.

9 Die Universität Greifswald hieß von 1933 bis 1945 und von 1954 [sic!] bis 2018 Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, seither wieder Universität Greifswald.

10 bzw. verhaltensauffällig und erlebnisorientiert auf die „Delegitimierung des Staates“.

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11 Aus: Paul Mattick. What will I do when America goes to War? (A Symposium). In: Modern Monthly, Vol. IX, No. 5. September, 1935, S. 267 f. – Zit. nach: Soligruppe für Gefangene. Anarchismus, Nationalismus, Krieg und Frieden (Quelle: panopticon.blackblogs.org/2022/10/06/anarchismus-nationalismus-krieg-und-frieden/#more-2789, 7. 10. 2022. Dort findet man auch das englische Original.)

12 Give Ireland Back to the Irish (Paul McCartney, Linda McCartney), Apple, 1972. Erste Single von Paul McCartneys Band Wings.

13 Nach: „Vielleicht gibt es etwas Besseres als das Leben.“ Aus: Clifford D. Simak. Die Viecher [Im Original: Drop Dead; aus dem Englischen von Walter Ernsting]. In: Erik Simon (Hrsg.). Maschinenmenschen. Science-fiction aus Großbrittanien und den USA. Verlag Das Neue Berlin, 1980, S. 72.

14 Frei nach Peter Lamborn Wilson (a.k.a. Hakim Bey, 1945-2022): „Wilson: […] The tipping moment I came to feel was in Sumeria, about 4000 BC, when irrigation, agriculture, and writing developed together. This made possible action at a distance and social hegemony. One city could conquer another city and turn everybody into a serf. And then you have civilization. Recently I coined my new slogan, which is Civilization Equals Cannibalism Plus Electricity—to paraphrase Lenin.“ In: Civilization Equals Cannibalism Plus Electricity. Peter Lamborn Wilson [im Gespräch] with Lucía Hinojosa, Diego Gerard, Raymond Foye, and Anne Waldman (https://brooklynrail.org/2021/05/art/Civilization-Equals-Cannibalism-Plus-Electricity?fbclid=IwAR0BIY1Nd-q8cOpaZx3wjGR2BfTkHHvfMxcG2V3rUNC1kUdvQs8koL5pkv8, 25. 5. 2022) – „Welt“ in Sinne von althochdeutsch weralt (= Menschen[zeit]alter); die „Welt“, die uns immer wieder morgen schon gehören soll – und über uns hinweggeht, wie alles im All. „Anthropozän“ ist auch so ein Schimpfwort; mit „Neuen Menschen“ will ich erst recht nichts zu tun haben, mir reichen schon die alten. Mildernd wirken, wie gesagt, Frösche und Ratten; wohlgemerkt „Milchfrösche“ und natürlich „Kanalratten“.

15 Auf: НОЛЬ. Песня о безответной любви к Родине (Lied über die unerwiderte Liebe zur Heimat), Feelee Records, 1991.

16 Aus: Seven By Seven (Dave Brock). Auf: Hawkwind. The Space Ritual Alive in Liverpool and London, United Artists, 1973.

17 Auf: Dire Straits. Brothers in Arms, Vertigo, 1985. – Habe mir die Scheiße eben aus Recherchegründen noch mal angehört; schlimm, schlimm – staatseidank gibt’s Gin hier im Ernst-Fuhrmann-Institut, den ein befreundeter Archäologe vor Jahren vergessen hat.

18 Auf: Yes. The Yes Album, Atlantic Records, 1971.

19 Shipbuilding (Elvis Costello, Clive Langer), erschien als Single im August 1982 bei Rough Trade, wurde im April 1983 zum 1. Jahrestag des Falkland-Krieges wiederveröffentlicht.

20 “Is it worth it? / A new winter coat and shoes for the wife / And a bicycle on the boy’s birthday. // It’s just a rumor that was spread around town / By the women and children, soon we’ll be shipbuilding”

21 Englischer Humor ist in deutschen Augen und Ohren so eine Sache.

22 “It’s just a rumor that was spread around town / Somebody said that someone got filled in / For saying that people get killed in / The results of their shipbuilding”

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23 Soft Machine. Third, CBS, 1970. Übrigens auch die Lieblingsplatte von Wolfgang Grams, wie mir ein Freund von Grams mitteilte.

24 Ten Notes on a Summer’s Day (instrumental). Auf: Crass. Ten Notes on a Summer’s Day, Crass Records, Catalog No. 6, 1986.

25 Höre Raiford (The Felon Wind) von Earth (auf: Hex; or Printing in the Infernal Method, Southern Lord, 2005), den Hammerschwinger für Apparatezertrümmerer.

26 Höre: Yuri Gagarin, 2013; At the Center of All Infinity, 2015; Sea of Dust, 2015; The Outskirts of Reality, 2020. – Der Titeltrack At the Center of All Infinity bietet die Partitur für militanten Aufruhr gegen Privateigentum. Der Mob bäumt sich auf, Arabesken nach links und rechts; da eine Bank, dort eine Nobelbudike, vorn das Regierungsgebäude …

27 Zum Einstieg für jeden Uneingeweihten reicht Spliff Riff (auf: The Heads. Delwyn’s Conkers, Man’s Ruin Records, 1996).

28 So Hartmut „Tex“ Köppen, Direktor des Ernst-Fuhrmann-Institutes Stolpe; vulgo: Jedankenstrich, Absatz, Freizeile, neuet Thema. – Konsequenterweise ist dieses Elaborat nicht gut ausgegangen. Seit Jahren geht es nicht mehr um die „Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen“, sondern um Schadensbegrenzung. Politisch sind wir von parlamentarischer Querfront und Retrogarde umzingelt – Totalitarismus, ick hab dir trapsen jehört, jetz biste einjetreten. Eine irritierte und zujeschissene Jesellschaft hatte nüscht dajegen. Aber antipolitisch rüttelt und schüttelt sich wat. Merkt ihr, wie das Blatt sich kräuselt? Bevor wir es wenden. Mit aller Macht gegen Herrschaft!

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29 Aus einem Vortrag von Alfredo Maria Bonanno, der am 14. Januar 1994 an der Philosophiefakultät der Universität von Florenz gehalten wurde. Deutsch in: Alfredo M. Bonanno. Wie ein Dieb in der Nacht – Anarchismus zwischen Theorie und Praxis, Konterband Editionen, Zürich, Januar 2014. Zit. nach: anarchistischebibliothek.org/library/alfredo-m-bonanno-wie-ein-dieb-in-der-nacht, 15. 10, 2022.

30 Kindermund auf der Bizetstraße, Berlin-Weißensee, 2014.

31 Der Begriff Tote Hand (Мёртвая рука, offiziell Система Периметр = „System Umfang“) steht für ein im Kalten Krieg durch die Sowjetunion installiertes Atomwaffen-Führungssystem, mit dem im Falle eines nuklearen Enthauptungsschlags, der die sowjetische Führung aktionsunfähig gemacht hätte, ein allumfassender Gegenschlag automatisch ausgelöst werden sollte.