Nummer 20.2 Bert Papenfuß Erratischer Block/II

II. Exquisition (19)

Die Vergangenheit ist auf dem Vorbeimarsch.
Unser Feldzug endet erst am Weißen See.
Das Hier und Jetzt erstreckt sich ewig,
kommt wieder mal auf uns zurück.

Wehre dich tätlich,
beschwichtige gütlich,
und analysiere die Misere,
sonst kommtse dir inne Quere.

Anmerkungen

(19) Achtung! Antipolitik, Drogen, Gewalt, außerdem Krebs- und Kröten-Content.

Die Parteien- und Organisationenhierarchie der Nationalen Front der DDR war sowohl ein wenig innovatives Ergebnis überkommener Regimes, als auch eine Blaupause für zukünftige – für uns leider aktuelle – Regierungsformen. Die dichotome Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)(20) entspricht der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD, wahlweise natürlich auch – wahllos – anderen Koalitionspartnerinnen. Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) wird heute von der FDP gespielt. Die gewichtige Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) wird heute vom machthungrigen Bündnis 90/Die Grünen verkörpert. Die 1948 extra für entnazifizierte NSDAP-Mitglieder gegründete Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) hat sich in die neonazistische Alternative für Deutschland verwandelt. Der Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK), dessen Ehrennadel ich aus ästhetischen Gründen am Käppi trage, nennt sich heute Die PARTEI für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative. Die Verbände der Blinden- und Sehschwachen und der Gehörlosen- und Schwerhörigen haben in der Partei DIE LINKE zueinander gefunden. Die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) wurde durch die Liberal-Konservativen Reformer ersetzt. Der Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB) und die Kammer der Technik (KdT) werden heute durch die Fraktions- und Parteilosen vertreten.
Die Nationale Front stand unter dem völkerverbindenden Diktat der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF), ebenso wie heute die jesamte Querfront des Bundestages unter Führung der Atlantischen Initiative, der Atlantik-Brücke, des Transatlantic Policy Network und anderer wirtschaftlicher Diktate agiert.
So unjefähr; ab und zu wird natürlich durcheinander gekungelt, hin und wieder werden die Fronten gewechselt, Korruption ist ein starker Motor für die Gewählten, die sich für Eliten halten. Schließlich wird ins Blaue schmarotzt, was der Staatssäckel hergibt, den die Steuerzahler immer wieder pflichtbesessen füllen. Auch Raucher und Trinker tragen – ohne sich zu schonen – ihr gerüttelt Scherflein bei. Der Einsatz für das Gemeinwohl bedarf einiger Ausgaben, Verausgabungen und Inkaufnahmen. Und ausgiebigen Verzichts: Weder dürft ihr brennen und brauen, Tabak anbauen, geschweige denn Hanf oder Mohn, und für selbstgedrehten Strom müßt ihr auch noch zahlen. Steuern auf Steuern über Steuern. Reißt das Ruder rum! Zögerlichen Vorbeiwählern sei gesagt: Es ist angerichtet, also – ausgewählt! Auskunft, Auswahl, Auszug. Punkt.
Milieuschutz schlägt Klassenkampf, der schlägt zurück, und trifft … die bildungsferne Unterschicht und den geschröpften Mittelstand mitten hinein in die Begrifflichkeit einer stilechten Expropriation, vor der die Elite bangt, weswegen die Multitude krampft und woran das Prekariat krankt. Die Duldung von Ungerechtigkeit führt zu galoppierender Ungleichheit. Hat irjendjemand wat dajegen?
Seid ihr etwa Bürger? Gar Staatsbürger? Eine feste Burg ist unser Staat. – Ich jedenfalls bin kein Bürger, auch kein kleiner; wohne nicht in einer Burg, sondern in einer Stadt, bin also Städter, wenn das irgendwas besagen soll. Die Leute sind also Städter, Dörfler oder Gürtler, Hausmenschen allesamt. Andere sind Streuner, Herumschweifer, erratische Blöcke. In keiner besonderen Reihenfolge; die Hierarchie immer schön flachhalten, und im Dorf lassen, bis Atlantik-Ale (21) kommt – „stürmisch frisch-herb“.
Neulich auf der Schuldenberg-Konferenz des illegalen Gebietskomitees (…) (22) wurden von jungen Ungeduldigen anmaßende Fragen an die halsstarrigen Wenigen gestellt, und von einem Ausschuß des Erratischen Blocks mit Stereotypen der Sprecherinnen der Bundesregierung beantwortet: „Dem Erratischen Block liegen keine Erkenntnisse vor.“ – „Der Erratische Block schildert ihre Sicht der Dinge.“ – „Der Erratische Block sieht keinen Widerspruch.“ – So lautet der perfide Humor der Vorenthaltung und des Nichtweiterwissens … wenn man trotzdem lacht.
Nur so viel sei gesagt: Das Privateigentum an Produktionsmitteln, Grund, Boden und Geld steht zur Abholung bereit, die allerdings bewaffnet sein sollte, weil zu viele Büttel, Schergen und Wachschützer nicht wissen, was sie tun … und wie man sich aus dem Klassenverrat möglichst gewaltfrei rausbugsiert. Wenn allerdings der eiserne Prokrastus erst die Diebe im Gesetz fragen muß, wie man gesetzlos handelt, bleiben die Felle vorerst weggeschwommen. – Und natürlich braucht man auch ein paar Hacker, die das Buchgeld annullieren und die Börsen schließen. – Für eine Handvoll Mobile Payment gibt’s keine Gerechtigkeit.

*

Old Gopher, Sepp Fernstaub und Ghillie Dhu, später Florian Günther dazu, in dem verdunkelten illegalen Joint „Athen“ (Indira Ecke Georges) gleich an der nordöstlichen Ausfallstraße, in dem eigentlich nur diverse junge Leute irgendwelche Portionspäckchen (Badesalz und sonstwat) bei der Bardame Minette abholen, schnell irgendwas mit ihrem Handy oder anderen Devisen machen, und sofort mit ihren Mountainbikes wieder verschwinden. Für binäre alte (Dreck-) Säcke gibt’s bipolare Gedecke: „Spezialofferte 1 – 1 Fl. Berliner u. 1 Boonekamp = 2,50 € / Spezialofferte 2 – 1 Fl. Berliner u. 1 Kümmerling = 3,00 € / Luxusofferte – 1 Fl. Berliner u. 1 Jägermeister = 3,50 €.“ Die Schnäpperken sind garantiert von ’nem Laster gefallen, und die Berliner Exportbiere und Tabakbückware aus Polen angekarrt. Hut ab, die Schmuggelkonditionen sind ja im Augenblich wirklich schlecht. – Das Jespräch wurde von Sepp Fernstaub mitgeschnitten und behutsam verschriftlicht. Im Folgenden einige – teils entwirrte, weil durcheinander gequatschte – Stimmungsbilder, Highlights und Delirate; bunt gemischt – also sortiert –, und zwar chronologisch.

OLD GOPHER (Gedeck 3): „Was den Wert eines Menschen ausmacht, ist der Grad seiner Empörung gegen Ungerechtigkeit. Würde ohne Selbstbehauptung gegen Herrschaft is nich denkbar. Permanente Empörung auf kollektiver Ebene führt zu Solidarität … und zum Umbruch. In einer befreiten Jesellschaft is es vielleicht eher anjesagt, sich würdelos zu benehmen. Jenseits von Etikette und Moralin, und Cancel Culture …“
Kommt wieder so’n Hüpfer mit ’nem Mountainbike unterm Arm an, holt sich ’ne Handvoll Irjendwat von Minette ab, und is sofort wieder weg.
GHILLIE DHU (Gedeck 1): „Womit bezahln die eijentlich?“
MINETTE (Irjendwat): „Krypto-Wallet.“
GHILLIE DHU: „Achso, allet klar … und womit zahln wir?“
MINETTE: „Analog mit Barjeld, wenn überhaupt, wenn ick mir eure Zettel so ankiek …“
OLD GOPHER: „… empfehl ick Cancel Culture. Der Konkurrenzkampf is hart inner Meritokratie, die Durststrecke aber schlimmer. Noch ’ne Runde, Minette.“
MINETTE: „Mit Trinkjeld ’n Zehner; aber bezahl erstma die alte, du Taschenratte. Denn herrscht wieder Meinungsfreiheit inner Tresenrunde, und jeder kann bestellen, wat er will – ejal, ob er’t kricht.“
OLD GOPHER: „Macht Flori, der kommt gleich. Hat’n Preis jewonn’ für seine von’ Feuilleton jelobte Pornozeitschrift. – ‚Meinungsfreiheit‘, wenn ick det schon höre; ‚Freiheit ist das Gespenst der Allmacht‘; würde völlig reichen, wenn jeder einfach seine Meinung sagt oder sonstwie artikuliert – gerne auch handfest –, was sich die meisten aus Angst vor ‚Sanktionen‘, Abkanzelungen, finanziellen Einbußen gar nicht trauen. Immer die Staatsmeinung wiederkäuen, schön durchgendern und nich verjessen, danke zu sagen. Diese Neusprech-Schikane gräbt sich in die Jedankenentfaltung. Die Leute könn’ ja kein klaren Jedanken mehr fassen, solln sich erstma von den Zwängen der Entfremdung befreien. ‚Befreien‘ hab ick jesacht; denn kommt die Meinung von janz alleine. Aber nee, ständig diese verlogene jute Miene, krieg’k schlechte Laune. – Betrifft dich jetz’ nich, Minette. Hat auch nüscht mit der beschränkten Jedeckauswahl zu tun. Wat kost’ eigentlich det Żywiec?“
MINETTE: „3 €, du Dœsbaddel, is legale Importware aus ‚People’s Republic of China‘, steht druff, muß ja nich stimm’.“
SEPP FERNSTAUB (Gedeck 1): „Habta vorhin die Ballerei mitjekricht?“
MINETTE: „Ja, da vorne is immer noch allet abjesperrt. Spusi kraucht da rum.“
Quietschende Reifen. Nach einem ruppigen Check-in durch das Fachpersonal wankt Florian Günther ins Lokal. Er hat wiederholt angedroht, einen ausgeben zu wollen.
MINETTE: „Tach Flori, heute wieder ’ne Runde ‚Dem Volk aus Maul jeschaut‘?“
FLORIAN GÜNTHER (Gedeck 2): „Willste eine vorn Latz? Wenn in dieser erlauchten Runde eener det Volk is, denn ick. Ihr seid doch alle Untergrund, wenn überhaupt.“
SEPP FERNSTAUB: „Jut, det wäre schon ma jeklärt. Wo er recht hat, kriegt er eine überjebraten.“
OLD GOPHER: „Nacht Flori, wir feiern Vorkommnisse und Sachverhalte. Aber auch die Schiedssprüche der Konfliktkommission, die wir beschlossen haben.“
MINETTE: „Ick dachte, det sind Philosophen … oder Terroristen … Veteranen von irjendwat.“
GHILLIE DHU: „Nee, Philosophie is Herrschaftswissen, damit ham wa nüscht zu tun. Wer weiß, was Weisheit ist, ist dumm. Aber wir sind nicht blöd; wir wissen, daß wir keene Ahnung haben, aber ’ne Meinung, und zwar ’ne freie. Im Gegensatz zu Soziologen, die noch schlimmer sind als Philosophen – alle Akademiker sind Systemknechte, bis auf – keine Ausnahmen. Besonders Historiker …
MINETTE: „Auch Archäologen, Väterchen?“
GHILLIE DHU: „‚Auch Pferde!‘ – Wir dajegen sind … technophobe Philomanten.“
MINETTE: „Wow, laß det ma so stehn. Und wat jibts noch für Zivilisationskrankheiten? Und wie viele seid ihr eijentlich?“
GHILLIE DHU: „Vier sind’n Quartett, fünf sind ’ne Bande. Die Zivilisation ist die Krankheit. Herrschaft von – neuerdings ja sogar gewählten – Eliten führt zu Unterdrückung und Ausbeutung, Eigentum zu Ungerechtigkeit und immer mehr Ungleichheit. Aber ick muß hier ja keene Eulen ins Athen scheuchen. Am Rad der Jeschichte dreht man mit ‚Gegenmacht‘. Macht macht allerdings korrupt, auch ‚Gegenmacht‘, dajegen nu wieder hilft erstma Jerechtichkeit auf dem Weg zur Herrschaftslosigkeit. Da könn’ wa denn auch det ‚Rad der Geschichte‘ wegschmeißen. Wie Agamben so schön sacht (23) . – Hallo Zaunjast, haste jehört? Agamben! Klugscheißer, Öltánker-…“
Am anderen Ende des Tresens sitzt unter Hut und Sonnenbrille Mario Mentrup, ein Vertrauer von Fernstaub, vor einem Glas Rotwein und spielt mit seinem Handy. Er hat den Blues und möchte in Ruhe gelassen werden.
MARIO MENTRUP: „Sucht euch neue Freunde. Ich hab mir einen gebrauchten Schlagzeugcomputer und Boxhandschuhe gekauft. Und ihr klärt erst mal den Unterschied zwischen Macht und Herrschaft.“ (24)
SEPP FERNSTAUB: „Allet klar, Mario, tu dir auch weiterhin kein’ Zwang an, fröne der Willkür, den Rest machen wir.“
GHILLIE DHU: „Macht und Herrschaft machen wa ’n andermal. (25) Jottseidank jibtet Anarchismen für alle Lebenslagen. Unter den herrschenden Verhältnissen is’ ja meistens Individualanarchismus anjesagt … wa, Mario? (Kein Reaktion.) Aber wenn eim irjendwelche Identitären dummkommen, denn natürlich Anarchokommunismus. Wenn zu viele Antikommunisten inner Runde sind, kommt man mit Syndikalismus weiter. Manchma’ is sogar für uns alte Säcke Anarchafeminismus anjesagt, muß ja nich vegan sein … wa, Minette?
MINETTE: „Hör uff mit deine sexistische Kackscheiße, sonst kriste ’ne Fatwa, und wirst an’ Frauentach jekreuzigt. Aber wer will dich schon hängen sehn?“
GHILLIE DHU: „Hätt ick wenigstens ma ’n Überblick über det Elend des Matriarchats, unter dem wir darben, jedenfalls privat … also antipolitisch. – Aber so’n bißchen Primitivismus is immer jut, Zivilisationskritik kommt in Fachkreisen jut an.“
FLORIAN GÜNTHER: „Scheiß Fachkreise; in meine Stampe reicht meist einfacher Antifaschismus, allet andere würde die Leute überfordern.“
OLD GOPHER: „Ja, Antifaschist isser, aber mehr nich, der Laureat aus Friedrichshain. Isser nich neulich mit’n Querdenker jesehn worden, oder war’t ’n Antideutscher. Zweihundert Meter jeht er von seine Buchte in die Stampe, da kann man sich ja woll die Leute aussuchen, die neben ein’ jehn. Außerdem hat er ’n Tresenkumpel, der Bulle is.“
GHILLIE DHU: „Alter Kanzler, jetz’ reichts aber. Laß doch ma Flori in Ruh, er is ja nich uff ’ne Demo jegangen, weder mit denen noch den anderen. Außadem: Man demonstriert nich gegen das Volk, von dem man will, daß es endlich wat schnallt. Das sind antideutsche Marotten, also rechts, und gehen nach links hinten los. Was diese etatistischen Idioten ja auch wollen. Die sind doch jeimpft.“
SEPP FERNSTAUB: „Wenn man wat auf Trab bringen will, steht Meister Knorr davor. – ‚Dich hamse wohl jeimpft‘ hat man inne DDR jesagt, wenn einer staatskonform war. Und jetz’ glooben die Leute … ja, wat eijentlich?“
GHILLIE DHU: „Weltreligionen sind Machtinstrumente der herrschenden Klasse, globalisiert oder nich, monotheistisch oder sonstwat; hauen überall durch, oder wirken wenichstens nach. Die Untertanen der westlichen Wertejemeinschaft glauben an die Demokratie, also die Ideologie des Kapitalismus. Andere wollen ihre Kalifate zurück, oder hörn den Messias trapsen. Offenbarungen und Inkarnationen, Rumpelstilzchen und Herr der Ringe … daran glooben die Leute. Dem Wahnsinn is kein Ende jesetzt. Einem einzigen Gott sind unzählige vorzuziehn, also eijentlich alle … alle, die hier rumsitzen, und die restlichen Partikel im Universum … Space Rock …“
Fernstaubs Handy scheppert. Er kiekt aufs Display und verschwindet Richtung Klo.
MINETTE: „Jetz’ hatter Manschetten.“
[Konversationsgeplänkel, wild durcheinander, nicht aufzudröseln.] Fernstaub kommt mit ernster Miene zurück.
SEPP FERNSTAUB: „Die Chefin [der Literarischen Kontrollorganisation (LKO), Ann Cotten] hat extra anjerufen, sie meint, wir solln det nochmal überdenken. – Flori, kannste ma bitte kurz austreten jehn; ick hab da ’ne Linie für dich hinjelegt, damitte wieder nüchtern wirst. – Rejierung, Parlament und Jericht müssen ma wat unter sich klären, jeht um ’ne LKO-Sache. Betrifft dich … eijentlich nich. Niemand hat die Absicht …“(26)
FLORIAN GÜNTHER: „Ihr könnt mich ma am Arsch lecken.“(27)
Er geht trotzdem pissen, weil er sowieso grade muß. Die drei Tresentiere stecken die Köpfe zusammen und kungeln; versuchen, etwas auszukungeln, aber die Meinungsverschiedenheiten siegen.
GHILLIE DHU: „Mir jeht diese LKO-Scheiße auch gegen den Strich, keine Administration hat mir wat zu erlauben, geschweige denn zu verbieten. Immer schön den Stiefel durchziehn gegen Systemausbau und Digitalisierung, wovon sich der Polizeistaat unter Führung der Ständigen Impfkommission Klassenerhalt, Weltherrschaft oder sonstwat erhofft.“
MINETTE: „Ihr seid jenauso bescheuert wie ihr Bescheid wißt.“
FLORIAN GÜNTHER: „Wovon die Idioten keene Ahnung ham. Früher, als ‚kommerziell‘ noch ’n Schimpfwort war, da wußten se Bescheid … wie man an Stipendien kommt.“
Minette unterbricht das Tresengedudel, eine Best-of-Kassette der ersten 5 Platten der Edgar Broughton Band, die Fernstaub zusammengestellt hat. Mario hat ihr ein Email geschickt mit seinen neuen YouTube-Videos. Sie schaltet auf den Bildschirm, wir sehen Schlagzeuggeschichte über unseren neuen Freund. (28) Die Tresenrunde ist bejeistert, aber auch besorgt. Flori gibt Mario eine Flasche Kräuterwein aus.
MINETTE (zu Mario): „Die Jemeine Wegwarte hilft jegen allet …“
OLD GOPHER: „… damit sich keiner wehrt, der’n Problem hat mit der ‚inneren Emigration‘, oder wie die Quarantäne heute heißt. Jedet Einschränkungsmassaker mitmachen, und auf ‚Lockerungen‘ hoffen, wie inner DDR. Hinterher heißtet denn wieder: ‚Waren wir damals blauäugig!‘ – Identitäre aller Sparten vereinigt euch. Anstatt ‚das System‘ zu stürzen, und det Immunsystem zu stärken … Ausjangssperre und Isolation sind jedenfalls jenau det falsche, deswegen sitzen wir ja hier und stecken uns ’n bißchen an, damitter Virus mutiern kann und sich an uns jewöhnt …“
Handygeschepper. Fernstaub bekommt einen Anruf von seiner Tochter Leila.
SEPP FERNSTAUB: „Wat? Wer hat anjerufn? Knofo – nee, kann nich sein, is seit fünf Jahren tot. – Nee, komm bloß nich her. – Nüscht besonderet, selbe Bagage wie immer.“
OLD GOPHER: „Mikroben, also Viren, Bakterien, Pilze, Farne usw., sind unsere engsten Mitarbeiter. Und jetz’ wolln se det Virus, welchet grade Karriere macht, ausrotten. Faschopack!“
MINETTE: „Wenn dir det allet nich paßt, jeh doch uff ne Demo und laß dich verdreschen.“
Bandsalat. Gedankenflaute, Schimpfwörtergeplatter, das Gedächtnisprotokoll versagt.
GHILLIE DHU (zu Mario): „Jeder hat im Leben seinen großen Auftritt, meistens verpaßt man den, und wenn nich, weiß man doch erst hinterher, daß er das gewesen war. Dieset janze Aufgetrete in den asozialen Medien verhindert natürlich den eigentlichen Auftritt.“
Mikey, einer der Einlasser, voll auf Gedeck 3 und Irjendwat, kommt an den Tresen.
MIKEY: „Draußen steht so’n rüstiger Senior, nich janz zivil, der will zu euch.“
OLD GOPHER: „Wahrscheinlich der Messias, laß’n rin.“
Freudiges Entsetzen in der Tresenrunde.
GHILLIE DHU: „Öltánkernotánker, damit hätt ick jetz’ nich jerechnet …“
OLD GOPHER: „Jetz’ sind wir fünf.“

(20) Nicht zu verwechseln mit der SED, einer Zwangsvereinigung der Kreuzberger Patriotischen Demokraten/Realistisches Zentrum (KPD/RZ, * 1988, kpd-rz.de) mit den Friedrichshainer Amorphen Zentralisten (FAZ, Scheinorganisation, seit ihrer Gründung im Untergrund; versuche „Friedrichshain First“ anzuklicken auf: s-e-d.org, 19. 2. 2021), die 2001 notgedrungen wegen der chruschtschowschen „Bezirksreform“ in Berlin stattfand. – Anfang der 90er Jahre hatte mich Chicken „Bevor du’s theuer kaufst, klau’s!“ Liebermann von Endart zum Eintritt in den Scheißverein KPD/RZ genötigt, ich war auch tatsächlich auf einigen Parteikonzerten. Als ich 2000 beschloß, aus persönlichen Gründen aus allem auszutreten, wo ich so drin war (NGBK, seit 1994; Deutsches PEN-Zentrum Ost, seit 1996; PDS, seit 1999; außerdem gab ich meine Kommandantur-Kreditkarte Nr. 0100 ab, weil die Kneipe sowieso pleite war, trotzdem ich meine Rechnung bezahlt hatte), gelang mir dies bei der KPD/RZ nicht, „weil dieser Vorgang nicht vorgesehen ist“. 2005 fusionierten die Idioten der KPD/RZ mit den Komikern von Die Partei (und/oder umgekehrt); ich betone: ich bin nur Zwangsmitglied von Die Partei, weil mir ein Austritt aus der KPD/RZ verweigert wurde. Niemals habe ich als Wahlpampel des korrupten „Parlaments“ in Brüssel gedient. Wobei; 2011 veranstaltete Die Partei Sitzungen unter Führung von Martin Sonneborn (nach dem kürzlich ein Fußgängertunnel in Neuenhagen benannt wurde) in unserer Kneipe Rumbalotte continua, die schlecht besucht waren und wenig Umsatz brachten. Anders als die Treffen der FAU (Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union, fau.org), bei denen mich allein Hansi Oostingas Bierkonsum immer wieder beeindruckte, und herausforderte, ich hab immer verloren. Schon kurz nach der Jahrtausendwende wollte ich in die FAU eintreten und einer von diesen engagierten Schluckspechten werden, aber es ging nicht. Ich war damals Unternehmer (der Tanzwirtschaft Kaffee Burger, 1999-2008) und hatte Angestellte, war also Kapitalist, und konnte somit kein Mitglied der Gewerkschaft FAU sein. Als wir 2010 die Rumbalotte aufmachten, flog die FAU so langsam aus ihrem Büro schräg gegenüber der Kneipe, fand ein anderes und entschwand. Als wir 2015 endlich pleite waren, hätte ich als Hartzer in die FAU eintreten können; aber ich bin nun mal kein Paradesyndikalist, insgesamt ein schlechtes Mitglied von sonstwat auch ümma. – 1990 hab ich den Unabhängigen Frauenverband (UFV, * 1989) und die Wydoks (Autonome Aktion Wydoks, AA-Wyd, * 1989) gewählt, danach hin und wieder die PDS, weil ich dachte, daß es jemand ärgern würde, aber ich habe mich geirrt. – Jetzt, 31 Jahre später, könnte man sagen, daß ein Zusammengehen von KPD/RZ und Wydoks unter dem Matriarchat des Unabhängigen Frauenverbandes sinnvoll gewesen wäre, aber; die KPD/RZ gab es damals noch nicht wirklich, die Aktivisten der Wydoks waren sonstwo in der Welt als Rocker unterwegs und der UFV ging in den Grünen und sonstigen Opportunisten auf. Die Leute fanden nicht zusammen wegen „gap“ und „lag“, wie man heute sagt. Lücken und Verzögerungen sind die schlimmsten Hürden für drückende Bürden.

(21) Weltweit prämierte Brauspezialität des Hauses Korsettbeere in Stralsund, womit der Körbetester Krebse ortete und Sekt eroberte bis die Kerbe rostete auf daß die Kröte berste und das Ererbte koste.

(22) i. e. Weißensee/Чёрное море/Белое море/Eswatini.

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(23) Sagt er so nicht, sondern: „Und in seinem Fresko im öffentlichen Palast von Siena stellt Lorenzetti eine Stadt im Frieden dar, deren Bewohner, während sie ihren Verrichtungen und Vergnügungen nachgehen, sich frei bewegen, während im Vordergrund Mädchen Händchen haltend tanzen. Obwohl das Fresko traditionell den Titel ‚Die gute Regierung‘ trägt, ist ein solcher Zustand, gewoben aus den kleinen alltäglichen Ereignissen des gemeinsamen Lebens und den Wünschen eines jeden, in Wirklichkeit für die Macht auf Dauer unregierbar. So sehr dieses Leben auch Begrenzungen und Beschränkungen aller Art unterworfen sein mag, so sehr neigt es jedoch von Natur aus dazu, sich der Berechnung, der Planung und festen Regeln zu entziehen – oder zumindest ist dies die geheime Angst der Macht. Dies kann man auch so beschreiben, dass die Geschichte, ohne die Macht letztlich nicht denkbar ist, auf engste mit dem Krieg verknüpft ist, während das Leben in Frieden per Definition ohne Geschichte ist.“ – Aus: Giorgio Agamben. Krieg und Frieden (23. Februar 2021); Quelle: sunzibingfa.noblogs.org, 8. 3. 2021. (Der 23. Februar wurde in der Sowjetunion als „Tag der Roten Armee“ gefeiert, im heutigen Russland als „Tag der Verteidiger des Vaterlandes“ ebenfalls ein Feiertag. Als ich in den 60er Jahren in Leningrad zur Schule ging, beschenkten uns die Mädchen am 23. 2. und wir revanchierten uns am 8. März. Das nur nebenbei, der ‚Geschichte‘ wegen: Erst die „Verteidiger des Vaterlandes“, dann die „Internationalen Frauen“. Wie das Jahr, so die Jahrzehnte. BP)

(24) Mario Mentrup, Multitalent, stammt aus Ostfriesland, spricht eine Art (Schauspieler-) Hochdeutsch, er kann natürlich aus anders, aber er will ja nicht. Sich zumindest hier nicht in die Jespräche der Erwachsenen einmischen. – SF

(25) Siehe: Glossar; in: Bert Papenfuß u. v. a. m. Abriß!, Moloko Print, 2019; „Herrschaft“ S. 177 f., „Macht“ S. 179.

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(26) Es geht um einen 10 Jahre alten Konflikt der Doppelzeitschrift Prenzlauer Berg Konnektör/DreckSack, an dessen Ursache sich die beiden Herausgeber Florian Günther (DreckSack) und Bert Papenfuß (Prenzlauer Berg Konnektör) nicht erinnern können, wohl weil keiner der beiden jemals die andere Hälfte der Doppelzeitschrift gelesen hat, bis auf den heutigen Tag nicht. Allerdings hat Papenfuß mal im Januar 2011 in die # 3 des DreckSack gelunst, und muß entsetzt gewesen sein, jedenfalls verfasste die (Geheim-) „Organisation SISTA“ der LKO-Exekutive (i. e. Ann Cotten und Papenfuß) das paranoide Pamphlet Wir wollen wissen, mit wem wir nicht rechnen können!, in dem es von einem [sic!] Anwurf an die Adresse DreckSack nur so wimmelt: „Schon nach einer Nacht [der Einspeisung, Speicherung und Projektion ins poetische WRK] kann man beliebige Teile zerstören, die Information bleibt erhalten, da alles überall eingeprägt ist.“ Das ist natürlich eine perfide Methode, eventuell sogar WRK-immanent, und somit ein Systemfehler einer u. a. auf Löschung spezialisierten Institution. Diese oder eine ähnliche (pandemische) Laus muß Ann über die Leber gelaufen sein, was ich gut nachvollziehen kann, denn es ist in den letzten 10 Jahren ja nichts besser geworden, auch nicht der florierende DreckSack (ca. 43 Editionen, edition-luekk-noesens.de/drecksack/). Oder ist es mit Abwärts! etwa ¡Empör gegangen? Oder wenigstens umgekehrt? Literatur dreht jedenfalls nicht an der Uhr. – BP

(27) Fernstaub sandte Florian Günther am 11. 3. 2021 das vorliegende Jesprächsprotokoll zur Einsichtnahme zu, weil er in der Jamboree eine „entscheidende Geige“ gespielt hatte, wenngleich einige seiner weniger fundamentalen Beiträge wegen Schwerverständlichkeit (und/oder Ausfälligkeiten) nicht aufzudröseln waren und folglich gestrichen wurden. Günther bestätigte umgehend die prinzipielle Richtigkeit, warf aber ein: „Also, du elendes Arbeitsvieh, ick finde ja, daß von ‚entscheidender Geige‘ nicht die Rede sein kann. Ich komme statistenmäßig vom Klo und gehe aufs Klo, während ihr andren Süffels in einer Sprache miteinander palavert, die dem bodenständigen Klempner (Gas, Wasser, Scheiße), also mir, klingt, wie Volkshochschulenmandarin. Aber: Daß du und die kleine Österreicherin (aus USA) so ruppig mit dem DreckSack umgesprungen seid, freut mich natürlich. Denn eins ist doch klar: Man kann euch nur mit Lob zur Strecke bringen!“

(28) youtube.com/watch?v=AUiFiimcKKU, 6. 3. 2021. – Nach Lektüre des Transkripts schlug Mario zurück und veröffentlichte auf Youtube sein Solo-Hootenanny Schlagzeuggeschichte in einem modernen Drama (youtube.com/watch?v=pKtTQCPxv6U, 12. 3. 2021). So isset: „Die Wiederholung wird euch überholen.“