Nummer 23.3 Christiane Wadephul Der Krempling

Lebenshilfe

Ich bin kürzlich 84 Jahre alt geworden und in Bremen geboren, wo ich bis heute lebe. Ich habe als junge Frau erst Kinderpflegerin gelernt und später eine Zusatz-Ausbildung als Lehrkraft für Einrichtungen mit geistig behinderten Kindern gemacht. Zuguterletzt – da war meine Tochter schon geboren – habe ich in Remscheid Rhythmik im Elementarbereich für Kinder und Alte studiert. Ich habe damals bei der Lebenshilfe mit blinden und taubstummen Kindern gearbeitet.

In Delmenhorst habe ich die erste Schulklasse für behinderte Kinder eingerichtet, parallel zur Hausarbeit. Für die Arbeit mit den Kindern bekam ich einen Raum im Stadion zugeteilt, den ich frei gestalten durfte. Dafür habe ich mir einen anthroposophisch gebildeten Maler gesucht. Die Sportler, die manchmal gucken kamen, waren entsetzt: rosa Farbe an der Wand und dazu orangefarbene Vorhänge!

Mein Mann Frank fuhr als Kapitän zur See. Seit ich ihn kannte, wurde es natürlich etwas schwieriger mit der Arbeit, denn ich musste mich auf seine Reisepläne einstellen, weil er immer nur für ein paar Tage mal in Rotterdam war und in der Zeit wollte ich natürlich zu ihm fahren. Sonst hätte ich ihn ja nie treffen können. Damals habe ich mit dem Arbeiten aufgehört, weil das alles organisatorisch zu schwierig wurde. Mir war auch wichtig, meine Kinder selbst zu erziehen und das nicht der Oma zu überlassen, die ganz andere Ansichten zu dem Thema hatte als wir.

Oma ist in Russland geboren und einmal ist sie auf einem Schiff von Frank mitgefahren nach Archangelsk. Dort wurde sie erwischt, als sie eine Schaufel Erde in einer Tüte mitnehmen wollte. Das war um die Zeit von Tschernobyl. Oma ist verhaftet worden, den Sack mit der Erde haben sie ihr abgenommen und Frank musste sie freikaufen. Wahrscheinlich hatten die Russen Angst, dass wir die Erde analysieren lassen wollten.

Reisen

Die größte Leidenschaft meines Lebens ist das Reisen. Schon bevor ich meinen Mann kennengelernt habe, bin ich immer alleine losgezogen nach Finnland, Norwegen, in die Schweiz. Ich bin mit einer Freundin getrampt, und wir haben es auf uns zukommen lassen: einmal sind wir in Nizza gelandet, wo wir gar nicht hin wollten, aber wir haben die Gelegenheit genutzt, dass der Fahrer dort hin musste. Ich habe meine Eltern sehr bewundert für den Mut, uns einfach losziehen zu lassen.

Als meine Tochter zwei Jahre alt war, bin ich oft auf den Schiffen meines Mannes mitgefahren, im Sommer, im Winter, nach Brasilien, Argentinien, überallhin. Ich reise nach wie vor gerne, auch wenn es mit dem Alter etwas schwieriger geworden ist, weil ich nicht mehr gut so lange im Auto sitzen kann. Ich leide unter Osteoporose, die ist ziemlich weit fortgeschritten, aber mein Mann weiß das sehr schön zu machen, dass der Weg schon zum Erlebnis wird.

Seit Februar letzten Jahres wurde die Sache etwas schwieriger. Wir haben noch ein paarmal versucht, los zu kommen, aber man konnte ja unterwegs nicht mal mehr einen Kaffee kriegen. Da stehst du Schlange mit zwei Meter Abstand und es geht nicht weiter.

Also, sowas Verrücktes!

Da sind wir deshalb zu Hause geblieben.

Krebs

Seit ich vor acht Jahren Krebs bekommen habe, tue ich ganz viel für mein Immunsystem. Ich habe jetzt zwei Krebs-Behandlungen hinter mir. Seit sechs Jahren habe ich einigermaßen Ruhe. Ich lasse auch keine Bilder mehr vom Krebs anfertigen. Ich will das gar nicht wissen. Ich mache viel für meine Gesundheit und dabei geht es mir gut. Alle sechs Wochen eine Kurkuma-Infusion. Versetzt dazu im gleichen Rhythmus eine Vitamin-C-Infusion. Zusätzlich kriege ich jetzt noch eine Serie von zehn Thymus-Spritzen.

Wichtig dabei ist, nicht alles auf einmal zu verabreichen, weil der Körper das gar nicht aufnehmen kann. So gehe ich seit einigen Jahren vor und das bekommt mir sehr gut. Mein Immunsystem ist absolut stabil.

Ich stamme aus einer Familie, die nicht viel von Impfungen gehalten hat. Man kann auch sagen: meine Eltern waren Impfgegner.

Das Notwendigste, die Pocken-Impfung, haben wir gekriegt. Die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung haben wir abgebrochen. Da ging das schon los, dass meine Eltern das nicht mehr wollten. Sie haben uns mit Homöopathie behandelt und mit Kneipp. Sie haben uns im Winter nackig in den Schnee laufen lassen und damit eingerieben, während drinnen schon einer mit dem dicken Handtuch wartete, um uns trocken zu rubbeln. Wir bekamen Gläschen mit Tropfen hingestellt, mit einem genauen Plan: in der ersten Viertelstunde musst du das nehmen, in der zweiten Viertelstunde das andere Gläschen. Wenn man krank war, kriegte man kein Zäpfchen rein geschoben, sondern Wadenwickel und eben diese Tropfen. Damit ging alles gut. Wir bekamen jede kleinere Krankheit gut in den Griff.

Als ich mit Frank immer öfter auf dem Schiff nach Afrika gefahren bin, musste ich natürlich alle möglichen Impfungen über mich ergehen lassen, gegen Gelbfieber und so weiter. Da war der Sog, zu meinem Mann zu kommen, größer als die Ablehnung der Behandlung.

1945 bin ich dem Tod von der Schippe gesprungen. Damals hatte ich mich in Österreich mit Typhus infiziert. Es waren gerade die KZs geöffnet worden. Die Leute, bei denen wir wohnten, wollten unbedingt helfen. Sie waren außerordentlich menschenfreundlich. Sie besaßen eine Mühle und eine Bäckerei und haben KZ-Häftlinge aus Dachau eingestellt. Unter ihnen waren Typhuskranke. Mein Bruder war noch sehr klein und ist am Typhus gestorben.

Als ich die Diagnose Krebs erhielt, habe ich mich geweigert, eine Chemotherapie machen zu lassen. Die Ärzte haben mir wirklich absurde Sachen erzählt. Zum Beispiel sagten sie: ohne Behandlung habe ich zwei Monate Lebenserwartung. Mit einer Chemotherapie könnte es sein, dass ich zwei Monate länger lebe.

Warum hätte ich mich für zwei Monate mehr einer solchen Tortur unterziehen sollen?

Das ist – wie gesagt – acht Jahre her.

Die Entscheidung

Es war eine ganz schreckliche Zeit für mich, weil alle mich unheimlich bekniet haben, die Behandlung zu machen. Die Ärzte, aber auch bei meinem Mann merkte ich, dass er das lieber gehabt hätte.

Es war für mich eine Horrorvorstellung, die Chemotherapie machen zu lassen. Ich saß hier ganz alleine. Ich habe nachgedacht. Irgendwann habe ich auf den Tisch gehauen und gesagt: “Na gut, wenn ihr das alle unbedingt wollt, mache ich es eben”. Aber danach bin einmal ums Haus und durch den Garten gelaufen, habe ich mich wieder beruhigt und habe nachgedacht und mich schließlich entschieden, es doch nicht machen zu lassen. Gleich darauf habe ich mit den Behandlungen begonnen, die ich eben beschrieben habe. Mein Mann hat den Arzt gefragt: “Ist das denn vernünftig?” Und der hat geantwortet: “Chemotherapie abzulehnen ist sehr vernünftig.”

Ich habe diesen ganz heftigen Impuls, mich zu wehren gegen alles, was von außen in mich hineingesteckt wird. Nachdem ich den Typhus überlebt hatte, bin ich irgendwie stark geworden. Ich habe da vielleicht irgendwelche Kräfte gesammelt. Ich habe das nie gewusst. Auch heute habe ich natürlich keinen Beleg dafür. Es ist nur ein starkes Gefühl.

Von daher war für mich von Anfang an klar, was auch immer dieses Corona ist, ich werde mich auf gar keinen Fall dagegen impfen lassen. Das ging natürlich nicht ganz ohne Konflikte ab, zumal mein Mann sich unbedingt impfen lassen wollte. Wieder haben mich alle bearbeitet. Mich nur deswegen impfen zu lassen, damit ich irgendwo hingehen kann, das geht mir gegen den Strich.

Damals, als ich mich gegen Gelbfieber habe impfen lassen, da war ich noch nicht so weit.

Unterdessen habe ich viel gelernt.

Wenn ich jetzt meine Kinder in Irland besuchen will, muss ich mich eben einfach testen lassen. Das geht ja. Das würde ich natürlich auch in Kauf nehmen. Ich halte mich ja auch sonst an die Regeln und trage Maske, selbst wenn es mir unangenehm ist.

Ein bisschen beunruhigend ist der Gedanke, dass ich von den Leuten, die erfahren, dass ich mich aus Überzeugung nicht impfen lassen will, anders behandelt werde als jemand, der sich impfen lässt.

Sterben unter Corona-Bedingungen

Ich bin auch skeptisch gegenüber der Begründung, dass die Alten nur aufatmen können, wenn sie alle geimpft sind.

Die Alten im Heim gehen ja meist nirgends hin, so dass, wenn sie angesteckt werden, das vom Pflegepersonal kommt, so wie bei meiner Schwester, die tatsächlich auch letzten Sommer an Corona gestorben ist. Eigentlich müssten zuerst die jungen Leute alle geimpft werden, die im Pflegedienst arbeiten.

Wenn man es ganz genau betrachtet, ist meine Schwester an Nierenversagen gestorben. Wir hätten sie, nachdem die Diagnose gestellt war, gerne wieder aus dem Krankenhaus heraus geholt und zu uns genommen. Aber das war nicht zu machen. Es wurde uns nicht erlaubt. Sie hat dort auf einem Zimmer mit drei anderen Leuten gelegen und alle sind schlussendlich an Corona gestorben. Sie wäre zwar so und so nicht durchgekommen, aber mit Corona ist es natürlich viel schneller gegangen: geschwächt, wie sie war, war sie eine leichte Beute für das Virus.

Was das Schrecklichste daran war: dass sie allein unter fremden Leuten Abschied nehmen musste.

Zum Glück hat sie nicht mehr mitbekommen, was danach noch passierte: sie, ihr Körper, wurde in Plastik eingeschweißt und verbrannt. Ihre Klamotten, die wir vom Krankenhaus zurückerhielten, waren dick eingeschweißt, zusammen mit Kleidern von fremden Leuten. Das Rote Kreuz wollte die Sachen nicht annehmen.

Alle hatten plötzlich Angst.

Aber man darf sich nicht einschüchtern lassen.

Der Stoff

Ich fand es von Anfang an nicht gut, dass Frank sich impfen lassen wollte. Ich traue einfach diesem Stoff nicht. Der ist zu schnell entwickelt worden. Man weiß nicht, ob das Spätfolgen haben kann.

Außerdem, so wie wir leben, war das eigentlich nicht notwendig. Als es Frank nach der zweiten Impfung so wahnsinnig schlecht ging, da habe ich tatsächlich das erste Mal Angst bekommen.

Das war ein Bild, wie ich mir vorstelle, wie es ist, wenn er mal wirklich ernsthaft krank ist. Er konnte nicht laufen. Er konnte nicht sprechen. Das war ganz furchtbar.

Trotzdem haben die Kinder mich ständig weiter bekniet: “Oma du musst dich impfen lassen!” Da habe ich sie mir zur Seite genommen und gesagt: “Jetzt lasst mal gut sein! Ich sage euch auch nicht, dass ihr euch nicht impfen lassen sollt. Ich entscheide für mich und ihr entscheidet für euch.”

Jetzt lassen sie mich damit in Ruhe.

Wisst ihr, mit dieser schnell entwickelten Impfe ist es ein wenig so, wie mit dem Krempling : den soll man ja auch nicht mehr essen, weil die Spätfolgen nicht absehbar sind. Früher galt er nicht nur als ein gut essbarer Pilz, sondern sogar als besonders schmackhaft. Heute hält man ihn für giftig, insbesondere bei wiederholtem Genuß und er kann viel später im schlimmsten Fall zum Tode führen. Aber anfangs merkst Du noch nichts.