Das Liberale Institut Zürich hat im März 2021 einen herausragenden Text veröffentlicht: die deutsche Übersetzung von „COVID-19 and the Political Economy of Mass Hysteria“ von Philipp Bagus, José Antonio Peña-Ramos und Antonio Sánchez-Bayón.
Obwohl es an und für sich nicht den Prinzipien von DIE AKTION entspricht, bereits mehrfach veröffentlichte Texte nachzudrucken, möchten wir diesen besonderen Text wegen seiner außerordentlichen Bedeutung für das Verständnis derzeit ablaufender Prozesse hier doch noch einmal den Lesern zur Verfügung stellen.
Dem Gewinn, den der unvoreingenommene Leser aus der Forschungsarbeit ziehen kann, ist keineswegs abträglich, dass die Autoren ihre Kritik am „Wohlfahrtsstaat“ aus der Perspektive des Liberalismus in der weiteren Tradition von Hayek und Mises formulieren. Es soll hier nur zum besseren Verständnis ihrer Position darauf hingewiesen sein. Entscheidend scheint uns an dem Ansatz, dass Bagus et al. in aller Deutlichkeit den ökonomischen Wert der Hysterisierung thematisieren und damit eine wesentliche Lücke in der Analyse der Corona-Politik schließen. Was dem weniger skeptischen Betrachter als Widerspruch erscheinen mag (Schürung der Panik zum Schutz der Gesundheit), enthüllt sich nach der Lektüre der Studie als wohl gesetztes Kalkül – zumindest aber als billigende Hinnahme mit vielen Vorteilen für Einzelne.
Ein PDF desselben Textes steht auch auf den Nachdenkseiten zum Herunterladen bereit.
Zur Einleitung veröffentlichen wir hier das Vorwort von Olivier Kessler, Direktor des Liberalen Institutes.
Der Volltext der Studie in DIE AKTION findet sich hier.
Doch zunächst Olivier Kessler:
«Wir sind hysterisch. Das ist in Zeiten von Corona vernünftig und vorteilhaft», titelte die Neue Zürcher Zeitung kurz nach Ausbruch der Covid-19-Krise. In der Tat kann es uns in bestimmten Gefahrenlagen Kopf und Kragen kosten, wenn wir zu entspannt reagieren. Verharren wir hingegen zu lange im Zustand einer Hysterie, in welcher unsere Instinkte unseren Verstand dominieren, kann dies auch Schäden von gewaltigem Ausmass anrichten. Während wir uns panikartig auf eine tatsächliche oder vermeintliche Bedrohung fokussieren, können wir leicht das Wichtige aus den Augen verlieren. Dies gilt umso mehr, wenn wir es mit einer grossflächigen oder sogar globalen Massenhysterie zu tun haben.
Erkenntnisse aus der gut erforschten Disziplin der Massenpsychologie deuten darauf hin, dass wir alle zu einem gewissen Grad unter dem Einfluss von Gruppendynamiken stehen und uns damit einer kollektiven Hysterie nur schwer entziehen können. Weniger bekannt ist hingegen, wie der Staat eine Massenhysterie beeinflusst und zu ihrer Ausbreitung beitragen kann. Es ist das grosse Verdienst von Prof. Dr. Philipp Bagus, Prof. Dr. Antonio Sánchez-Bayón und Dr. José Antonio Peña-Ramos, mit der vorliegenden Studie in diese Forschungslücke vorzustossen.
Die Autoren entwickeln eine politische Ökonomie der Massenhysterie – und bieten uns damit Einsichten und Erkenntnisse, die angesichts der derzeitigen weltweiten Umstände von enormer Bedeutung sind. Wir erfahren, welche Rolle ein Staat bei der Ausbreitung einer kollektiven Panik spielt – abhängig davon, ob es sich dabei um einen Wohlfahrtsstaat mit umfangreichen Kompetenzen oder einen liberalen Rechtsstaat handelt, der sich primär auf den Schutz der Eigentumsrechte fokussiert.
Die Ergebnisse dürften für Einige überraschend sein. Denn entgegen des derzeit vorherrschenden Paradigmas, wonach umfangreiches staatliches Anpacken und Eingreifen zur Krisenmilderung beitrage, lautet die Devise bei einer kollektiven Hysterie: Weniger ist mehr. Je kleiner ein Staat ist, desto mehr Möglichkeiten der Problembewältigung eröffnen sich den Betroffenen und desto geringer fällt der angerichtete Flurschaden bei der Bekämpfung einer tatsächlichen oder vermeintlichen Bedrohung aus. Insbesondere heutige und künftige politische Entscheidungsträger sollten sich mit dieser Studie gründlich auseinandersetzen.“