Stellen Sie sich bitte vor, im August 2025 wären etwa gleichzeitig Paris, Madrid und Lissabon bis auf die Grundmauern heruntergebrannt. Dann stellen Sie sich bitte vor, dass die gleiche Fläche an Wald und Wiesen verbrannt ist und dabei etwa 10.000 Mal mehr Lebewesen umgekommen sind, als in den relativ baum- und tierfreien Großstädten. Schließen Sie bei Ihrer Vorstellung das Thema „Wiederaufbau“ als unmöglich aus. Bedenken Sie bitte bei Ihrer inneren Simulation, dass es derzeit noch weiterbrennt. Dass die Feuerwehrkräfte aus ganz Europa gerade in Kolonne zu den Brennpunkten der Krise fahren, um dort festzustellen, dass sie vor Ort machtlos sind.
Weg ist weg. Und bleibt weg. Jedenfalls solange wir alle, die das lesen, noch leben werden.
Nun stellen Sie sich bitte abschließend vor, dass Menschen, die andere Menschen darauf aufmerksam machen wollen, dass wir uns bereits tief in einer planetaren Notlage befinden, von den Amtsgerichten dieses Landes schwer bestraft werden. Natürlich gehen die Verursacher dieser Notlage straffrei aus.
Einige Gedanken zur „Irreführung“ (Hans Joachim Schellnhuber ) in Sachen Klimakrise.
23.8.2025, 19:00 Uhr Achtung! DEPUBLIKATION !!!
Falls Sie sich eine offline-Version meines Textes auf Ihren Rechner geladen haben: Bitte das Kapitel „Wasser“ löschen! Folgerichterweise dann als nächstes bitte auch alles wieder vergessen, was Sie aus der Feder von Herrn Schellnhuber hier gelesen haben.
Warum?
Am Tag der Veröffentlichung (22. August 2025) erreichte mich der Kommentar eines Lesers (siehe unten voller Wortlaut). Darin heißt es: „Die Schellnhuber’schen CO2-Aussagen indes müssen hinterfragt und angezweifelt werden. Es handelt sich beim „menschengemachten“ Klimathema um ein ähnliches Panik-Szenario, wie wir es bei Corona erlebt haben und gegenwärtig u. a. bei der Begründung von neuer Kriegstüchtigkeit…“
Am 23. August morgens antwortete ich auf den Kommentar (siehe ebenfalls unten).
Am 23. August nachmittags erreichte mich durch Dr. Maiken Winter, Vorstandsmitglied der Wissenleben e.V. im bayrischen Raisting, ein Depublikations-Begehren des Herrn Prof. Schellnhuber. Ich solle den Text „Kurze wissenschaftliche Stellungnahme zur sich verschärfenden Klimakrise“ – falls ich vom download-Angebot auf der Website von Wissenleben Gebrauch gemacht hätte – auf meiner Festplatte löschen. Eine Veröffentlichung auf meinem Blog käme nicht in Frage. Einzige magere Begründung: „Der Text war ausschließlich für meine Unterstützung vor Gericht.“ (Winter)
War? Stand zwar im Internet. War aber ein Fehler.
Der oben erwähnte Kommentar meines Lesers schien mir plötzlich, nachdem ich ihn zunächst stark angezweifelt hatte, doch ins Schwarze zu treffen.
Notlage ist Teil 6 meiner der Aasgeier-Reihe.
Die vorherigen Beiträge finden Sie hier:
Teil 1: Lobpreis der Aasgeier Der Wald brennt. Die Oder stirbt. Die Felder um Berlin stinken. Windhosen legen gesunde Baumriesen nieder. “Klima-depressive” Experten geben uns fünf, maximal zehn “gute Jahre”.
Teil 2: Vergeudung Über die aktuelle Kreislaufkollapswirtschaft, die Rache, die wir an ihr üben müssen und über die Konspiration, das Zusammen-Atmen, den Kniff, in verpesteter Luft „einen gemeinsamen Geist zu teilen“.
Teil 3: Mein Leben als Idiot Die “Umweltbewegung der Reichen” (Peter Dauvergne) war und ist ein Desaster. Gegenwärtig versucht sie, uns in das Phantasma einzuspinnen, dass wir mit Superausbeutung im planetarischen Maßstab ruhig weitermachen können und trotzdem wird alles gut, solange es nur unter grüner Parteiobhut passiert.
Teil 4: Gründlich ruiniert Durch das „Notfallthema Bevorratung“ soll das deutsche Volk begreifen, dass die Lage ernst ist – und dass es „das richtige Handeln in der Notsituation“ sei, sich selbst zu helfen. Will die Regierung uns weiß machen, wir seien gründlich ruiniert, damit wir endgültig die Klappe halten?
Teil 5: Brandgeruch Die sogenannte „Ampel“ hat uns in kürzester Zeit in einen Abgrund gestürzt. Jetzt kommen die Falschen, um uns aus dem Loch zu fischen. Steuerprivilegien, Energiewende und Rechtsruck: was ist zu halten von den Bauernprotesten?
Die Wiese
Als wir vor vierzehn Jahren die Großstadt verlassen mussten, bot sich die Gelegenheit, ein völlig verfallenes Haus mit einer sehr großen Wiese günstig zu erwerben. Die Ruine war denkmalgeschützt. Deswegen mussten wir nur die Wiese bezahlen. Alle waren froh. Wir, weil wir durch die Wiese rundum so viel Abstand zu den Nachbarn hatten, die dauernd Holz sägten, Bretter frästen und im Viertelstundenrhythmus den Traktor anwarfen. Die Verkäufer, weil sie in uns einen Nachfolger für die maroden Bauten gefunden hatten.
Nach dem ersten Frühling sahen wir das Problem. Die Wiese stand gefühlt zwei Meter hoch. Wenn die umfällt, verfilzt alles, sagten die Nachbarn. Kannst Du nie wieder mähen. Ist wertlos dann.
Wir hatten keinerlei Geräte, um die riesige Fläche zu bewirtschaften. Deswegen haben wir einen Bestandsvertrag mit einem landwirtschaftlichen Großbetrieb gekündigt und die Wiese an einen vermeintlich ökologisch denkenden Bauern verpachtet. Am Anfang kam der neue Pächter in einem niedlichen Alt-Traktor mit schmalen Reifen und gutem Wendekreis auf unser Grundstück. Das schien uns erheblich sympathischer als die Riesenmaschine der Nachfolge-Gesellschaft der LPG, die bislang unsere Wiesen „pflegte“ und sämtliche Wiesenbewohner, Frösche, Lurche, Käfer, Mäuse, Vogelnester mit einem Gerät namens Jaguar förmlich aussaugte und in riesige Anhänger spritzte. Den Feldhäcksler bewirbt der Hersteller mit dem Slogan „20% mehr Durchsatz„.
Der Jaguar schien uns naiven Naturfreunden ein Gefährt(e) des Teufels.
Mit seinem gigantischen Gewicht und den irrsinnig breiten Reifen hatte nach Aussage der Vorbesitzer der Jaguar über Jahre auch das reichhaltige Mycel einer ausgedehnten Wiesenchampignons-Kultur zermalmt. Mit ganzen Kofferräumen voller Pilze seien sie damals nach einem Besuch bei Mutti und Opa wieder nach Schwerin zurückgefahren. Angeblich.
Hinzu kam, dass zyklisch und auch unabhängig von dafür geeigneten Jahreszeiten, Gülle auf unserer Fläche abgeschüttet wurde. Als wir vor 14 Jahren umsiedelten, lebten dennoch schier unglaubliche Mengen Frösche auf der Wiese. Die Kinder haben sie wassereimerweise aus dem Graben gesammelt, als einmal ein Stromkabel über die Wiese verlegt wurde. Die anhaltende Dusche mit der Gülle haben die Frösche nicht überstanden.
Wir haben deswegen vom Altpächter zunächst gefordert, dass künftig ein Blühstreifen stehen gelassen wird, damit die Tiere Möglichkeiten zum Rückzug haben. Das ließe sich „technisch“ nicht realisieren, wurde uns beschieden. Der Bauer mit dem kleinen Traktor schien uns deswegen doppelt ideal. Zumal er behauptete, dass alle anderen wahnsinnig wären mit ihren Riesentraktoren. Es sei wie mit den SUVs: die bräuchte man gar nicht. Mehr als 50 PS seien reiner Machismo. Eine Wiese ließe sich auch mit einem viel kleineren Traktor wunderbar bewirtschaften.
Wie es so kommt, wurde der Pächter älter und übergibt das Geschäft an seinen Sohn. Der Sohn, stolzer Fahrer eines Riesen-SUV, kauft zunächst einen größeren Traktor mit einem breiteren Mähwerk, weil er sich „nicht so quälen“ wolle, heisst: nicht so viel Zeit verplempern mit den paar Quadratmetern, die wir dem väterlichen Betrieb verpachtet haben. Ob das kompatibel sei mit dem Prinzip der ökologischen Landwirtschaft?
Auf Nachfrage antwortet er: Man muss mit dem Kapitalismus gehen.
Neben dem Totschlag-Argument „Rentabilität“ präsentiert sich im neuen Mähwerk und dem Glauben an die Abschaffung der Qual durch höhere Spurbreite das Kernstück der patriarchalen Macho-Kultur als als Sinnbild einer phallokratisch-kapitalistischen Irrlehre: nichts ist besser als ständiges Größenwachstum – außer noch mehr Größe.
Banken denken so, weil sich immer größere Zahlen leicht wegparken lassen. Deswegen ist der Finanzkapitalismus auch die Speerspitze der strukturellen Gewalt gegen alles und jeden. Ökologisches Denken hilft eben nicht, den Fängen des Finanzkapitals zu entgehen. Nur Kapitalismus-kritisches Denken hilft. Doch das gilt im Osten dauerhaft als SED-kontaminiert.
Der aktuellste Traktor des Pächtersohnes ist etwas größer als die damaligen Traktoren der Nachfolgegesellschaft der LPG. Unfreiwillig lässt er nun Blühstreifen stehen, weil die Maschine so breit ist, dass beim Wenden am Wiesenende riesige Dreiecke nicht mehr ausgemäht werden „können“.
Unwillkürlich muss ich an Harun Farocki denken. In einem Text aus den siebziger Jahren beschreibt Farocki eindrucksvoll die politischen Vorzüge der „großen Maschine“ für den Widerstand. Sie böte eine hervorragende Chance für die Guerilla. In den Ecken der Felder, die die große Maschine aus ökonomischen Gründen nicht mäht, könne man sich hervorragend verstecken. Man könne sich von dem übriggelassenen Getreide ernähren. Man könne die große Maschine von hinten, wo sie am wenigsten geschützt sei, angreifen. Typisch Farocki. Intelligent und höchst amüsant zugleich.
Ich setze mein kubanisches Barett auf, stecke den Kampfstern an die Stirnseite und wandere aus: in die nicht gemähte Ecke unserer Wiese.
Leider ist es in der Ecke ziemlich heiß. Erst hat es dauernd geregnet, so dass nicht gemäht werden konnte. Jetzt brennt die Sonne erbarmungslos auf mich herunter. Das überlange Gras steht dürr und bietet wenig Sichtschutz. Frösche gibt es keine mehr. Die große Maschine kommt erst nächstes Jahr wieder vorbei, um ein paar Ballen Heu zu gewinnen. Das System, dass Farocki attackieren wollte aus der Ecke, hat sich auf andere Felder verzogen. Es bietet keine Angriffsfläche mehr.
Was tun? Man muss mit dem Kapitalismus gehen! Vielleicht kann ich auf My Hammer jemanden finden, der all die kleinen Traktoren unserer Bauern gekauft hat und jetzt Mäh-Dienste für Leute mit unrentabelen Wiesengrößen anbietet?
Ich muss grundlegend darüber nachdenken, in welche Lage mich dieser Kapitalismus gebracht hat.
Der Wald
„Mir ist die Zündschnur ein wenig zu pessi. Auch wenn es den Weltennagel auf den Kopf trifft.“, schreibt mir mein treuester Kommentator Rudolph Bauer. Da ich lernfähig bin, fahnde ich nach dem Verbleib meines inneren Lächelns. Auf dass es sich wieder außen zeige nach einiger Zeit. In einem feinen, nicht-ironischen Fältchen. In positiv gestimmten Texten. Im aus Zufriedenheit über den Weltzustand geborenen Lächeln.
Wo ist es? Vielleicht habe ich es im Wald verloren?
Achim und ich sind geradelt. Im Süden. Im Frühsommer 2025. Im heissesten Frühsommer seit Menscheitsgedenken. Jedes Jahr wird dieser Rekord erneuert. Wir radeln früh los. Immer am Wasser lang. Nach fünf, sechs Tagen wussten wir, wo die seltene Perleidechse morgens am Wegesrand sitzt. Wo besonders viele Libellen hocken und hochschwirren, wenn wir kommen. Wo der Pirol nistet. Wir radeln täglich, bevor die canicule kommt, die tägliche bestialische Todeshitze. Radeln durch eine liebliche Paradieslandschaft mit grünen Weinfeldern und noch grüneren Wäldchen. Achim hat von unserer letzten Abfahrt vor der Rückreise fahrend ein Video gedreht und es hochgeladen bei Instagram (auf „2. Bild“ gehen, bzw. Bild nach links schieben, um das Video zu sehen).
Was ist 14 Tage später übrig vom Paradies?
Nichts. Alle Tiere verbrannt. Alle Bäume weg. Mondlandschaft.
Das kam so. Kaum dass wir weg waren aus dem Dorf, in dem die meisten unserer Freunde wohnen, gingen die Feuer los. Wir sitzen tagelang über Instagram und schauen den Feuerwehrleuten zu bei ihrem Kampf gegen die Übermacht. 100 km/h Windgeschwindigkeit in unheiliger Allianz mit Dutzenden von krankhaften Pyromanen, verstärkt durch Legionen von Scheißegalies, die gerne mal grillen wollen mitten im Hochsommer oder immer noch nicht begriffen haben, dass Zigarettenstummel weiterbrennen, nachdem sie sie beim Rausschmeißen aus dem Autofenster mit Sauerstoff aufmunitioniert haben.
Der Pyrokumulus, die Rauch- und Aschewolke ist 100 Kilometer lang und verdunkelt den Südwesten Frankreichs bis zu den Pyrenäen. Die Flocken sinken noch Tage später auf die Dörfer.
98% der Feuer, die gerade rund um Europa brennen, sind menschengemacht. Dabei ist – selbstredend jeweils – ein mehrfaches der Fläche der Hauptstädte der am schlimmsten betroffenen Länder Frankreich, Spanien, Portugal abgebrannt.
Menschengemacht? Der Lieblings-Honk ElHotzo schreibt, dass der Kontinent brennt. Wer das in Verbindung bringt mit dem Klimawandel, ist ein Spinner. Anthropozänist. Gefährlicher Verbreiter von Irrglauben. Man muss nur mit dem Kapitalismus gehen, dann blühen die Landschaften schon wieder. Gleich morgen. Dank gut 20% mehr Durchsatz.
Wenn das Feuer kommt, sind 300 Jahre alte Bäume in wenigen Sekunden weg. Erst lodernde Fackeln. Dann schwarze Stummel. Nach 300 Jahren, in denen auf diesem vormals schönen Flecken Erde, wo sie standen, nur sie standen und alle sich daran erfreuen konnten. 300 Jahre, in denen sie die Luft zum Atmen ständig erneuert haben. Die mit hoch entzündlichem Harz geladenen Mittelmeerpinien brennen durch die Wurzeln weiter. Brennen von den Land-Strassen auf den Hügeln, wo das Feuer durch Nachlässigkeit (was für ein Wort!) entsteht, an die sechsspurige Autobahn herunter. Mit zügiger Geschwindigkeit. Viele Kilometer pro Tag, wie ein Spaziergänger, nur verderblicher. An der Autobahn angekommen, zündet es die LKWs an. Die LKWs zünden den Mittelstreifen an und hopps ist das Feuer rüber über den 36 Meter breiten kahlen Streifen Asphalt und Beton. Durch die Luft fliegen kokelnde Flaken und hopps ist das Feuer rüber über 200 Meter Wasser und zündet den nächsten Küstenstreifen dahinter an. 300 Jahre alte Bäume brauchen 300 Jahre, um wieder genau so stolz und hoch und schön zu werden, wie sie es waren vor dem Feuer. 300 Jahre, das ist 2325, nach dem voraussichtlichen Ende der Menschheit.
Wie entstehen die übrigen 2% der Feuer, die nachweislich nicht durch Nachlässigkeit oder Brandstiftung verursacht wurden? Durch die Kolateralschäden der industriellen Landwirtschaft. Durch menschengemachte Dürre. Durch menschengemachte Monokultur. Durch menschengemachte Naturverachtung. Nur deswegen wirken die Nachlässigkeiten und Brandstiftungen so fatal.
Die Naturverachtung hat aber bald ein Ende. Wenn es keine Natur mehr gibt. Etwa in zwei bis drei Jahren. Wo ist das innere Lächeln? Wo der gegen jede Verzweifelung obsiegende Optimismus? Wo die vom Kapitalismus unablässlich geforderte positive Sichtweise? Die kann doch nicht mit dem Wald abgefackelt sein? Nein. Das wäre ja Memmen-Gewäsch, die paar ungenutzeten Flächen zu bejammern, die jetzt abgefackelt sind. Wald, aus dem keiner Profit bezieht, also Wald bloß zum angucken: wozu soll der gut sein? Der kann weg.
Man muss mit dem Kapitalismus gehen. Denn er ist bewundernswert. Er hat die stärkeren Ellbogen. Kein Wunder, dass er sich überall durchsetzt. Ist doch sein Kernprinzip die Verachtung. Seine Rücksichtlosigkeit. Sein fehlendes Sentiment gegenüber sämtlichen Wald- und Wiesenbewohnern, Libellen, Echsen, Fröschen, Lurchen, Käfern, Mäusen, Vogelnestern.
Na gut, wenn wir das Prinzip des Kapitalismus vielleicht auch gerade nicht bewundern, so ist es doch alternativlos. Oder fällt jemandem ein besseres Prinzip ein?
Das Wasser
Seit 14 Jahren fahren wir über die Elbe zum Einkaufen. Anfangs haben wir immer unser Essen von LPG aus Berlin mitgebracht, weil es im Osten keine Bioläden gibt. 35 Jahre nach der Wende. Aldi. Penny. Netto. Konsum. Maximal noch BioBio. Sonst nichts.
Es ist schön im Wendland. Hier gibt es alles, was der gebürtige Großstädter wichtig findet. Gutes Brot. Gutes Gemüse. Zutaten zum Essen, wie sie im 21. Jahrhundert normal sind. Sollte man denken.
Die Demarkationslinie des Kalten Krieges ist noch vier Jahrzehnte, eine ganze Generation plus nach seinem Ende eine Wasserscheide von hoher kultureller Bedeutung. Die tiefeinschneidende Trennung der Mentalitäten bildet sich symbolisch in der Elbe ab. Im Wendland: Anti-Atom, Anti-Nazi, Anti-Umweltvergiftung, Anti-Verpackungsmüll. Im Osten interessiert das keinen Hund. Hauptsache Fleisch, egal aus welcher Quelle. Fuck you Greta Auto-Aufkleber gibts für 50 Cent und sie werden gut angenommen. Rechts ist Gas.
Dann geh doch rüber, sagte man früher und meinte die andere Richtung, meinte die Linken, die sich zu stark für den Kommunismus interessierten.
Sowieso ist das alles Klischee. In Bayern ist Fleisch das Gemüse der Massen. Schweinefleisch-induzierte Adiposität ist bundesweit Volkskrankheit No. 1. Um nicht zu sagen: europaweit. Mit dem Osten hat das wenig zu tun. Außer, daß man aus West-Renitenz hier besonders stolz darauf ist. Nirgends habe ich so oft die Antwort Das haben wir schon immer so gemacht gehört, wie im Osten. Auf die alte Scheiße ist wenigstens Verlass. Da weiß man, was hinten bei rauskommt. Umdenken? Ist was für Weicheier.
Im Westen hingegen wird immer verzweifelter der Anschein von Kritikbewusstsein aufrecht erhalten.
An der Kasse im Bioladen im Wendland liegt eine kleine rote Broschüre mit dem etwas sperrigen Titel: „Kurze wissenschaftliche Stellungnahme zur sich verschärfenden Klimakrise von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Joachim Schellnhuber“. Von 1992 bis 2018 war Schellnhuber leiter des von ihm gegründeten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Ich bestelle mir einen Kaffee und setze mich in die Glut-Sonne vor den Laden. Die Hitze knallt.
„XXXXXXXXXXXX“ Abschnitt über die höchste je gemessene Temperaturanomalie im Januar 2025 auf Wunsch des Autors gestrichen.
Bumm! Es ist also bereits zu spät? Sieht so aus.
Ich lese die Stichworte Luftverschmutzung, Entwaldung, Habitat- Zerschneidung, Bodendegradation, Grundwasserabsenkung. Haben wir alle schon hundert mal gehört. Auch wissen wir um die „Kippdynamik für die großen Eisschilde, das Abschmelzen der kontinentalen Gebirgsgletscher, die Wärmeausdehnung von Wasser, usw.“ Wie viel steigt das Wasser?
Schellnhuber rechnet es vor:
„XXXXXXXXXXXX“ Abschnitt über den Meeresspiegelanstieg auf Wunsch des Autors gestrichen.
XX Meter? Der Kölner Dom stünde bis zu den Schultern im Wasser.
Wann sind wir da angekommen?
Jetzt.
Wegen der Kipp-Punkte, sagt Schellnhuber. Sind sie einmal erreicht, lässt sich nichts mehr umkehren. Die Priester können sich schon mal Schwimmwesten anziehen.
„XXXXXXXXXXXX“ Abschnitt über die Einigkeit der Wissenschaft zum Thema menschengemachte Klimakrise auf Wunsch des Autors gestrichen.
Aber wer ist „die Wissenschaft“? Ist sie der Gegenspieler des Kapitalismus? Oder sein Erklärorgan? Die Fuckyougretas jedenfalls sind sich in dieser Sache mit der Wissenschaft nicht so einig. Die Richter des Amtsgerichtes Nürnberg, die im Frühjahr 2025 hohe Strafen gegen drei Klimaaktivistinnen verhängen, die den Kirchentag in Nürnberg blockiert haben, wohl auch nicht. Immerhin konzedieren sie, das Gericht sei nicht kompetent zur Entscheidung von Klimafragen.
Schellnhubers Text ist ein Fachbeitrag zu diesem Verfahren.
Schellnhuber zeigt in komprimierter Form auf, mit welchem Rechen-Tricks die Auswirkungen der Klimakrise auf die Wirtschaft heruntergespielt werden, während tatsächlich der Schaden sehr hoch sei:
„XXXXXXXXXXXX“ Abschnitt über die Irreführung in Sachen Auswirkung der Klimakrise auf die Wirtschaft auf Wunsch des Autors gestrichen.
100%? Ich möchte kurz darauf hinweisen, dass bei 100% der Rest Null ist. Eine relativ totale Zahl. Es bleibt nichts übrig. Nichts. Totaler geht es nicht.
Wie beim Waldbrand. tabula rasa. Alles weg.
Wer dem Lese-Tipp aus der Zündschnur gefolgt ist und Octavia Butlers „Sämann“ gelesen hat, kann sich gut vorstellen, wie es sich anfühlt auf einem zu 100% blanken Planeten.
Welche Lehre ziehen wir daraus?
„XXXXXXXXXXXX“ Abschnitt über die Angemessenheit, in der aktuell absehbaren Situation von einer planetaren Notlage zu sprechen, auf Wunsch des Autors gestrichen.
