Die Reparaturkolonnen

Nachdem Phase I des Umbaus hinter uns liegt, die weiße Weltbevölkerung mehrheitlich mit Biotech-Produkten durchgeimpft ist und Gen-Modifikation nur noch bei Gurken und Tomaten kritisch gesehen wird, seit die KI dank Zoom in Gesichts- und Spracherkennung einen Sprung nach vorn geschafft hat, seit die Kontaktverfolgungs-App tracking als allgemein wünschenswert erscheinen lässt, seit die ins Bewusstsein gestanzte Infektionsgefahr das kontaklose Bezahlen als ersten Schritt zum Verschwinden des Bargeldes (schmutzig! verseucht!) etabliert hat, lesen sich die Pamphlete der großen Think-Tanker noch einmal ganz anders als vor COVID.

Dieser Entdeckung geht Rudolph Bauer in seinem Text „Die Entfremder“ nach. Er betrachtet die Gegenwart durch die Augen von Karl Marx, dessen zentrale Begriffe er im ersten Teil seines Essays, der heute in DIE AKTION erscheint, in Erinnerung ruft. Der zweite Teil erscheint in Kürze.

Dabei zielt der Soziologe Bauer auf die Frage, wie die Welt von morgen aussehen wird? Werden wir „im Erdzeitalter des Kapitals“ unter einer dunklen Sonne leben?

Elmar Altvater ging schon 2014 dieser Frage nach: „Die gesellschaftliche Gestaltung des Naturverhältnisses erfordert … Eingriffe in planetarischer Größenordnung. Damit schlägt die Stunde des Geoengineering. Nun muss die westliche Zivilisation Reparaturkolonnen und Taskforces zusammenstellen und an allen möglichen Fronten einsetzen: im Kampf gegen den Klimawandel, den Verlust der Artenvielfalt, die Verunreinigung von Biotopen; gegen die Unwirtlichkeit der Städte, gegen die Auswirkungen der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise oder auch zum systematischen Abfangen von Daten, mit deren Kontrolle das globale Herrschaftssystem stabilisiert werden soll.
Und mit Bezug auf einen Begriff, den Jason W. Moore in die Debatte eingebracht hat, konzediert er:
Im Kapitalozän sind die wichtigsten Gestaltungskräfte große Konzerne, Medienmogule, global operierende Finanzinstitute und Geheimdienste, die reguliert, kontrolliert und gegebenenfalls neutralisiert werden müssen, um die negativen Wirkungen der völlig rationalen Externalisierung auf die Erdsysteme zu unterbinden. Das verlangt nach Politik, und zwar auf globaler Ebene, gegen die Bewegungsgesetze, die Sachzwänge des Kapitals.

Aber eine globale Task Force, wie auch ein Klaus Schwab sie schon vor Corona vorschlug, macht wenig Mut.

Denn „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“, so Albert Einstein.

Aber wo kämen die von Altvater geforderten Politiker her, die es wagen würden, gegen die Sachzwänge des Kapitals zu verstoßen?

Während deswegen zur Desertion aus dem falschen System aufgefordert wird (siehe Franco Bifo Berardi ) und schon seit einer Weile rundum tödliche Psychosen zum Ausbruch kommen (Mann tötet Frau und 3 Kinder, weil sein Geschäft mit gefälschten Impfpässen aufflog ) und obwohl man sich in der kritischen Linken allgemein einig ist, dass man etwas unternehmen muss gegen das „tödliche Kollektiv von Nationalismus, Krieg und Kapitalismus“ (Charles Reeve ), wagt sich dennoch kaum jemand an die Frage: wer wird denn den Alltag von morgen gestalten?
Die Risikokapitalanleger, die auf den Schaumkronen des Gardner Hype Cycle surfen? Die Ranking-Agenturen, die das Barometer für das kapitale Wetter einstellen? Die uns versprechen, mit der Missachtung des Einsteinschen Diktums jedes Problem zu „fixen“?

Wollen wir wortlos, tatenlos warten, bis Phase IV beginnt?
Oder kommen neue tragfähige Ideen „von unten“, von uns allen, die wir nicht zum Objekt spekulativer Begierden werden wollen? Und – wenn wir hierauf hoffentlich „ja“ antworten: wie machen wir das?
Die Debatte hierzu wollen wir mit den kommenden Beiträgen in DIE AKTION weiter führen.

Einen Einstieg in die Diskussion liefert der zweiteilige Beitrag von Rudolph Bauer. Es folgen dann die zuvor erwähnten Beiträge von Reeve und Berardi – alle als deutschsprachige Erstveröffentlichungen.

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