Die Kinder des Spektakels

Heute veröffentlichen wir in DIE AKTION, Abteilung “Es lebe die Poesie”, den Text des Songs “Und was Cum-Ex? Sex?” von Mario Mentrup. Die Musik dazu gibt es hier.

Mentrups Stegreim-Extasen sind das beste Mittel gegen die – im Sinne des gefährlichen “creep” – weiter sich einschleichende Agonie, die zwei Jahre lang die Gangart bestimmte. Mancher mag das geschmacklos finden. Humor ist eben keine Frage des Geschmacks. Sondern eine der Haltung. Mentrup fackelt nicht lange. Er springt einen gleich an: eine Technik, die er sich wohl bei Herbert Achternbuschs Meisterwerk “Bierkampf” abgeschaut hat.

Mentrup, Mann der klaren Worte, hatte schon einige Tage vor seinem Song über die “Kinder des Spektakels” ein Email herumgesendet, das den schönen Titel trug “Warum haben sich so viele die FFP2 Masken ins Gesicht tackern lassen?, ja- ich weiss, es sind vermehrt GRÜNNINEN und andere BeklopptInnen, aber”.

In der Mail empfahl er wärmstens Gabriel Azaïs Text “Die Erfindung eines dystopischen Momentums“, der auf dem immer unverzichtbarer werdenden noBlog der klugen anonymen autonomen kollektiven Autoren von sunzibingfa erschienen war. Der Empfehlung möchten wir uns anschließen.

Denn es lohnt, sich in Gedanken wie die folgenden hineinzudenken, um sich künftig aus der Agonie herausdenken zu können:

Die Fiktion ist im Grunde nicht a priori das Problem (der Mensch trinkt ständig von ihr). Sie wird zu einem Problem, wenn sie zu einer Form der allgemeinen Verfälschung neigt (eine Umkehrung, die Debord bereits in den 1960er Jahren mit seinem Konzept des Spektakels theoretisiert hatte).

Sie ist es umso mehr, wenn sie dazu neigt, Angst und Bedrohung zu vermitteln. Das ist die Sicherheitsfiktion, von der wir uns heute so schwer trennen können (die man hier auch als Dystopie bezeichnen könnte).

Diese Fiktion begünstigt die Lüge, oder besser gesagt – als ob sie keine eigene Geschichte mehr hätte – sie verschleiert ihre Gründe, ihre tiefere Logik. Sie verschleiert ihren Ursprung. So scheinen die Lügen aus dem Nichts zu kommen, sie sprudeln förmlich aus ihm heraus, ohne Worte zu benutzen.

Die logischen Verkettungen im Spektakel – und noch mehr in der Sicherheitsfiktion, die wir erleben – scheinen zerbrochen.

Lügen untermauern nicht mehr die klassischen Muster der Unterdrückung. Es erscheint daher komplexer, sich ihnen zu widersetzen. Wir spüren jedoch, dass etwas nicht stimmt, dass etwas ins Wanken geraten ist, ohne es in Worte fassen zu können. Diese neue Welt verlangt von uns sogar eine subtile, schmerzlose Kooperation, und das ist das Besondere an ihr: Die Lüge ist die Bequemlichkeit und Sicherheit, die uns als Endwerte auf Kosten aller anderen Werte angeboten werden.

Aber was bedeutet diese Sicherheit, für die wir bereit sind, alles zu opfern?

Wenn sie zunächst eine unerfüllbare Fantasie ist, wenn sie vor allem eine Illusion ist, dann ist sie zweifellos auch ein Ideal der Sicherheit.

Sie haben die Wahl: ein Paradies, panoptisch, schmerzlos, oder die virtuelle Hölle dieser Sicherheitsfiktion.

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