Die neue Aktion

Wenn ich den Titel meines blog-Beitrags anschaue, der als “Plan für eine gefährliche Operation” missverstanden werden könnte, und wenn ich darüber nachdenke, was Prism aus der Kombination der drei Worte herausliest, sobald ich hier auf den WordPress-Button “Veröffentlichen” gedrückt habe, muss ich schmunzeln. Denn es erinnert mich an eine Geschichte, die mir Peter-Paul Zahl einmal erzählt hat. Ich hatte Zahl 1994 nach Karlsruhe eingeladen zu einer Lesung im Rahmen der Installation “camera silens“.

Zahl erzählte beim Essen mit den Kollegen vom Museum ZKM eine Anekdote aus der Zeit der anarchistisch-libertären Zeitschrift 883. Natürlich wurde die titelgebende Telefonnummer überwacht. Natürlich wurde am Telefon viel geplant, auch wenn man sich bewusst war, dass der Staat mithörte. Natürlich, weil ja nicht alles verboten war. So redeten die Redaktionsmitglieder der 883 oft über “die ID”, das Kürzel für ein Titelmonstrum namens “Informations-Dienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten“, einem radikalen Vorgänger der TAZ. Erst viel später, im Rahmen einer Vernehmung im Gefängnis, erfuhr Zahl, was die Verfassungsschützer verstanden hatten. Sie fragten ihn, von welcher “Idee” sie damals genau gesprochen, was sie geplant hätten? Die Geheimdienstler waren einer Homophonie auf den Leim gegangen und überzeugt, dass die oft besprochene, abstimmungswürdige “Idee” nur ein Geheimcode für den nächsten geplanten Anschlag sein müsse.

Wäre ich also ein guter Marketingmanager unserer digitalen Zeitung, DIE AKTION, hätte ich von “relaunch” gesprochen und damit vermieden, in Konflikt mit der algorithmischen keyword-search-Funktion unserer staatlichen Dienste zu geraten – einem beängstigenden Stück Code, das wahrscheinlich noch weniger phantasievoll ist, als der Mitarbeiter des VS, der in den guten alten Zeiten persönlich das Telefon der 883 abhörte.

Eine komplexe Vorrede zu einer einfachen Ankündigung: DIE AKTION 4.0, das Organ für radikale Intelligenz, das wir am 4. Mai 2020 neu gestartet haben, vergrößert sich.

In 2020 sind fünfzehn Essays zur Lage der Nation, Europas und der Welt in Zeiten der Pandemie erschienen. Nun kommen in 2021 zwei gänzlich neue Abteilungen hinzu. Sie sind benannt nach dem höchst erfreulichen Gruß, den der Schweizer Holzschneidekünstler und AKTION-MitstreiterJean-Jacques Volz unter jeden seiner Briefe schrieb:

Es lebe die Freiheit! Es lebe die Liebe! Es lebe die Poesie!

Klickt euch wund:
Es lebe die Freiheit! Hier sind alle politischen Essays versammelt. Heute neu: Autonomie
Es lebe die Liebe! Hier finden sich Zeichnungen, Fotos, Bilder. Der Liebesbeweis Nr. 1: J-J Volz
Es lebe die Poesie! Hier erscheinen ab heute in loser Folge klassische und zeitgenössische Texte und Gedichte, ausgewählt von Ralf Friel von Moloko Print. Auch in dieser Abteilung ein programmatischer Start mit Injektion Nummer 1: Georg Heym – Die Fratze

Weil wir diese poetische Dreiteilung von dem kürzlich verstorbenen Jean-Jacques Volz übernommen haben, schließen wir den “relaunch” der neuen AKTION mit einem Erinnerungsfoto.

Der AKTION-Herausgeber Lutz Schulenburg (erschienen von 1981-2013) im Atelier von JJV, 2008

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