Der Umbau

Deutsche Ethik angesichts des Endes der “Geschichte der ehemaligen menschlichen Rasse” – ein Neujahrsgruß!

Die mutagene Prothese

Am 1. April 2021 – und das war kein Aprilscherz! – veröffentlichte der italienische Philosoph Franco “Bifo” Berardi unter dem Titel „Das Unvorstellbare“ einen Text als Teil seiner “Chronik der Psychodeflation“.

Darin heisst es mit Bezug auf COVID, den “Angriff der Natur”:

“Zunächst fühlten wir uns als ein bedrohter Körper vereint.

Dann griff die Technik ein … und brachte die chemisch-algorithmische Formel eines Impfstoffs hervor, der eigentlich kein Impfstoff ist, sondern eine mutagene Prothese, die in unser Immunsystem eingesetzt wird. Innerhalb weniger Monate folgte die Herstellung von Ampullen, Seren, Behältern – kurzum, die gesamte industrielle Kette, die Schutz und Immunität verfügbar macht.

Wir sind also in die zweite Phase des viralen Zeitalters eingetreten. Die Haltung der Menschen gegenüber den Menschen hat sich geändert. Sie leiden nun nicht mehr gemeinsam unter dem Angriff der Natur, sondern konkurrieren um die Macht über die Impfstofftechnik.

Das Regime des Mangels an lebensrettenden Verteidigungsmitteln stellt den Zustand des Krieges wieder her, der ausgesetzt war, solange wir in unserer Wehrlosigkeit vereint waren.

Der Umprogrammierungsimpfstoff wird zum Terrain, auf dem die symbolischen Spiele von Wirtschaft, Geopolitik und Krieg neu definiert werden.

Auch Immunität wird zu einer Ware. Als Produkt der technisch-wissenschaftlichen Arbeit von Virologen, Biologen und Ingenieuren, als Objekt der unternehmerischen Aneignung, die es der Herrschaft des Profits unterwirft, stellt die Immunität die neue Grenze der menschlichen Sklaverei dar.

Wenn der Besiegte vor dem Sieger kniet und verlangt, dass er und seine Kinder verschont werden, wird der Besiegte zum Sklaven, und seine Kinder werden mit ihm versklavt. Leben, einfach Leben, egal welches Leben.

Sklave ist derjenige, dem das Überleben gewährt wurde. …

Von diesem Moment an ist die Geschichte der ehemaligen menschlichen Rasse vorbei. Die Geschichte der Herde beginnt. Es ist eine Geschichte der Unterwerfung unter die höhere Macht der Immun-Reprogrammierung, die entscheidet, wer es verdient, als Sklave zu überleben und wer es verdient, ausrangiert zu werden.”

„Das Unvorstellbare“ war, wie ich heute weiß, nur die Overtüre für einen phänomenalen Wurf, den Berardi in zwei Teilen Anfang Dezember und wenige Tage vor Weihnachten 2021 veröffentlichte und dessen deutsche Übersetzung wir in den nächsten Tagen in der AKTION herausbringen wollen.

Bis ich diesen neuen Text las, hatte ich nicht erwartet, dass noch einmal ein Autor unsere sich blitzschnell wandelnde Welt so schonungslos zeigen und dies so beeindruckend formulieren könnte, wie es im vergangenen Jahr Julien Coupat im vergangenen Jahr mit “Wir haben gesehen” gelungen ist.

Berardis großer Coup heisst im Original “Rassegnatevi” und erscheint nun – nur wenige Tage nach der Originalpublikation in Italienisch – in DIE AKTION erstmals auf Deutsch.

Der Ernstfall

Ich hatte jene komplexen und radikalen Gedanken von Berardi im Kopf, als mir die Kulturstiftung des Bundes (das ist der Geld-spendende Arm des Beauftragen des Großkanzlers Scholz für Kultur und Medien, BKM) die neueste Ausgabe ihres namen- und bodenlosen Magazins wie immer unaufgefordert zusendete.

In Nr. 37 wird ab Seite 10 die Ärztin Alena Buyx interviewt. Sie ist Expertin für “experimentelle Medizin” (ehemalige Co-Direktorin des gleichnamigen Instituts in Kiel) und Professorin für “Ethik und Medizin der Gesundheitstechnologien” an der TU München. Buyx berät die Bundesregierung “zum Krisenmanagment der Corona-Pandemie” und ist seit Mai 2020 Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Bei der WHO ist sie in einer Arbeitsgruppe für “genome editing” zuständig.

Der Interviewer ist nicht etwa ein Künstler, denn die Kulturstiftung des Bundes ist offenkundig nur noch nominell mit Kunst und Kultur befasst. Sie hat bereits seit vielen Jahren eine eigene Kultur der sog. Initiativprojekte entwickelt, mit denen sie dem Staat genehme Themen als unabdingbare Fördervoraussetzungen für Kunstprojekte etabliert. Mit der Nummer 37 ihres Hausmagazins wird nun ihre neue Rolle als kulturell getarnter Arm der Bundeszentrale für politische Bildung offenkundig.

Um die Ziele der Corona-Kommunikation der Bundesregierung maßgenau einzuhalten, hat man vom Risiko der Wahl eines womöglich unabhängig denkenden Künstlers als Fragensteller abgesehen und Frau Buyx mit einem Ökonom sprechen lassen. Ökonomie ist ja ohnehin unsere stärkste Kultur.

Der Fragensteller Robert Lepenies ist ausweislich der Kurzbiographie des Kulturstiftung Professor für “heterodoxe und plurale Ökonomik” an der Karlshochschule in Karlsruhe. Drei Worte, drei Fragezeichen.

Mir fällt der Witz ein, dass am Hauptbahnhof Berlin für eilige Kunden auf dem Weg zum Bewerbungsgespräch ein Visitenkartendrucker stehe, der unter der Namenszeile ein Feld für eine obligatorisch dreiteilige, englischsprachige Berufsbezeichnung bietet: “junior webdesign consultant” – die pompöse Null.

Um was geht es nun in dem Gespräch?

Das umfängliche Transkript ist kein Interview im engeren Sinn. Der Fragesteller assistiert der Befragten durchweg, ist hilfreicher Stichwortgeber. In einigen Fällen, in dem ihm die Gesprächspartnerin nicht scharf genug ist, radikalisiert er sie sogar.

Das Ganze steht im Zeichen der “Sollbruchstellen kommender Krisen”. Bereits die Anmoderation ventiliert die “Chancen institutioneller Veränderungen im Krisenmodus”: was könnten geeignete Maßnahmen sein zur notwendigen “Anpassung gesellschaftlichen Verhaltens” und unseren “Umbau für den Ernstfall”?

Wer sich von dem an sich schon hinlänglich eingetrichterten dystopischen Diskurs (“kommende Krisen” = es kommen gewiss noch viele – ohne zu fragen, wer sie macht; “Umbau” = du musst dich verändern, sonst wirst du verschwinden; “Sollbruchstelle” = alles wird kaputt gehen, weil es so vorgesehen ist) nicht abschrecken lässt, wird allerdings schwer verschreckt, wenn er liest, was im Kopf einer hauptberuflichen, regierungsnahen Ethikerin vorgeht.

Die “liebe Frau Buyx” (Lepenies) – um es gleich vorwegzunehmen – denkt, laut Selbsteinschätzug, “realethisch” (S. 13).

Was mag das bedeuten?

Wenn bei der klassischen Ethik das moralische Handeln im Zentrum steht, muss wohl analog bei der “Realethik” der Frau Buyx das Amoralische zulässig sein, wenn es denn nützt. So sagt sie schlussrichtig im Interview gegen Ende auch, das sittliche Verständnis (so etwa die direkte Übersetzung des Wortes Ethik) sei stets im (nationalen) Kontext zu betrachten sei: “Im Staatswesen geht die eigene Bevölkerung ganz klar vor den distant others.”

Dazu kommt mir ein Bild aus Berardis “Gibs auf!” in den Sinn: er sieht den sprichwörtlichen alten weißen Mann, der sich “Injektionen, Injektionen, Injektionen”, eine nach der anderen reinjagt, ein hässlicher bleicher Junkie, dem der globale Süden schnuppe ist.

Solche Gedanken darf man also haben und äußern, wenn man Mitglied des Etikrates ist. Damit keine Mißverständnisse entstehen, sagt Frau Buyx auch klipp und klar: die Betonung läge auf “Deutscher Ethikrat”.

Bis hier hin habe ich durchgehalten. Aber an dieser Stelle muss ich erwähnen, rein informativ: Frau Buyx ist knallblond und stinkreich.

Zur Ermittlung der Haarfarbe diente mir das Internet (Bildersuche). Den Beweis für ihre Gehaltsklasse liefert sie selbst. Auf die Frage “Zu welchen gesellschaftlichen Gruppen und zu welchen Ängsten haben sie denn einen besonderen Zugang?” antwortet sie keck:

“Ich war im positiven Sinne von vielen Angstkulissen isoliert. Unsere Wohnung war nicht winzig klein.”

Ja, das muss man wohl bestätigen: in der Ausgangssperre ist eine weitläufige Wohnung äußerst “positiv”! Auch junge erfolgreiche Frauen können alte weiße Männer sein.

Ich will nicht zu viel verraten von dem, was im übrigen Gespräch gesagt wird. Es lohnt, es einmal selbst zu lesen, um zu wissen, wohin “unser Zug” fährt.

Doch zwei Dinge liegen mir sehr am Herzen. Ich kann nicht schließen, ohne auf sie zu verweisen.

Frau Buyx ist eine ausgeschlafene Formulierungskünstlerin und beherrscht die Rhetorik des “project fear” wie kaum jemand sonst. Das Gespräch ist von Angst-Metaphern gerahmt, alle zentralen Kampagnen-Stichworte fallen gleich eingangs (Bergamo, Triage, “eigene Angst hat die Funktion, auf den Ausnahmezustand zu verweisen”, nicht zu vergessen die brandgefährlichen Narrative der Corona-Leugner etc.).

Zum Schluß zieht sie noch einmal alle Register ihre Redekunst. Sie benutzt die Figur der Verneinung, um Angst zu schüren.

Sie sagt: “Ich bin niemand, die sagt: Uns stehen jetzt Krisen ins Haus, die noch viel schlimmer werden als das hier. Das wäre Katastrophisieren. … Aber ja, so etwas wird wieder passieren, das war nicht die letzte Pandemie.”

Das ist schon sehr pfiffig, wie sie das macht. Sie streicht dabei gleich noch den Vorzug der “Krise” heraus: Pandemie, das sei ein gewaltiger “Innovationsschub”. Wir profitieren von der Katastrophe. Diesmal waren die “weltbesten Logistiker” aus Deutschalnd noch nicht federführend bei der Bewältigung der Krise beteiligt, aber diese “absoluten Spitzenunternehmen” werden eine “Art Task Force” aufstellen und sollten damit “jenseits von Legislaturperioden” künftig über ausreichende “Durchgriffsmöglichkeiten verfügen”, um die “Quadratur des Kreises” zu bewirken.

Womit wir beim zweiten Thema wären: dem Umbau unserer Gesellschaft nach der buyxschen Fasson, die im Kern die “Ethik” in den Rahmen der “Ökonomik” stellt.

Sie leitet das Motiv auf Seite 12 mit einem Zitat von David Rockefeller ein, ohne es als Zitat auszuweisen. Sie sagt: “Wir haben jetzt ein günstiges Gelegenheitsfenster, um uns neue Strukturen zu schaffen. Das muss man nutzen.”

Rockefeller sagte in seiner umstrittenen und oft als “deep fake” bezeichneten Rede vor dem Business Council der United Nations am 14. September 1994: “We are on the verge of a global transformation. All we need is the right major crisis and the nations will accept the New World Order. But this present window of opportunity… will not be open for long.”

Nun gut, selbst wenn das oft zitierte Wort eine Fälschung ist, so klingt doch “günstiges Gelegenheitsfenster” ziemlich exakt wie eine holprige google-translate-Übersetzung von “window of opportunity” und “Das muss man nutzen.” scheint mir doch recht ähnlich zu “will not be open for long.”

Warum Buyx ausgerechnet dieses Zitat benutzt, obwohl es in der Literatur als beständiger Beleg für das “Narrativ” der Verschwörungstheorethiker (“new world order”) gilt, oder ob sie diesen Gedanken genau in dieser Form selbst gedacht hat, ist mir nicht recht klar. Aber angesichts der zuvor aufgezeigten Gerissenheit der übergreifenden Konzeption ihrer Antworten mag ich nicht an Zufall glauben. Es ist eher ein offenes Kokettieren mit autoritärem (Berardi würde sagen “nazi-liberalem”) Gedankengut.

Dieser Eindruck bestätigt sich nur zwei Zeilen später. Frau Buyx möchte das Bundesgesundheitsamt wieder einführen. Sie hält diese Idee für einen “absoluten no brainer” (im Original kursiv, soll heißen: Zaudert nicht! Denn darüber gibt es kein Nachdenken!).

Das Bundesgesundheitsamt ist – wie schon zu vermuten war – tatsächlich die Nachfolgeorganisation des Reichsgesundheitsamtes und wurde von keinem Geringeren als Dr. Helmuth Kohl wegen schwerwiegender Fehler aufgelöst. Das ist offenbar der Typus von Historie, der Frau Buyx gefällt.

Nicht etwa, dass sie vorschlägt, etwas radikal Neues, ein Anti-COVID-Amt oder eine Pandemie-Präventionsinstitution, zu erfinden. Nein, es muss gleich die einzige Behörde sein, die je wegen Inkompetenz aufgelöst wurde.

Buyx sagt: “Es ist nun offensichtlich geworden, dass wir sie (die Institution Bundesgesundheitsamt) gebraucht hätten…”

Wen? Das Amt, das am 30. Juni 1994 nach fast 600 Toten infolge HIV-verseuchter Blutpräparate seinen Dienst beenden musste? Ein Amt, das schon wankte, weil es just zuvor einen Skandal hinter sich gebracht hatte, da Warnungen vor gesundheitsschädlichen Holzschutzmitteln unterblieben, die in seinen Zuständigkeitsbereich gefallen wären? Ein Amt, dessen Vorgängerorganisation zwischen 1933 und 1945 die Rassenpolitik der Nationalsozialisten umsetzte, indem es Zwangssterilisationen anordnete?

Was steht uns da – selbstredend nach deutsch-gründlicher Reformation des Amtes durch den Wirtschafts-“Liberalismus” und unter den Auspizien des Deutschen Ethikrates – ins Haus?

Ein ganz besonders effizientes Zwangsanordnungsorgan – eine pandemic response force?

“Liebe Frau Buyx”, sind Sie wirklich sicher, dass “nun offensichtlich geworden” ist, dass wir genau dieses Amt jetzt wieder brauchen?

Liebe Kulturstiftung des Bundes, liebe Hortensia Völckers, sind Sie in Ihrem Amt wirklich so geschichtsvergessen, dass Sie jemandem wie Frau Buyx ein Forum bieten, ihre Visionen über die “Anpassung (unseres) gesellschaftlichen Verhaltens” zu verbreiten? Einer Frau, die auf ihre luxuröse Wohnung stolz ist und als einzigen konkreten Vorschlag für den angeblich höchst notwendig anstehenden “Umbau unserer Institutionen für den Ernstfall” die Wiedereinführung eines Amtes vorschlägt, das wie kein zweites die Würde und Unversehrtheit der Menschen angetastet hat in den vergangenen Epochen?

“Liebe” Kulturstiftung, “lieber” Ethikrat!

Sie haben aus meiner Sicht mit der Verbreitung solchen Gedankengutes Ihre Berechtigung verwirkt, die Begriffe “Kultur” und “Ethik” im Namen zu führen.

Ich spreche Ihnen für die Veröffentlichung meine tiefe Verachtung aus.

Ich streiche Sie aus dem Kreis der von mir geachteten Kulturverwalter, Mediziner und Philosophen.

Treten Sie zurück!

Und wir?

Was sollen wir tun?

Wir müssen einem Land, in dem solche Gedanken unwidersprochen verbreitet werden, die Gefolgsamkeit aufkündigen!

Rassegnatevi!

3 Antworten auf „Der Umbau“

    1. Lieber Winfried, zu Frau Buyx ein klares “nein” – zu Bifo Berardi – na, das ist eben Geschmackssache, seine Gedanken sind äußerst faszinierend, aber auch ziemlich radikal! Ein Anlass, die sache weiterzudenken, was es in letzter Konsequenz bedeuten könnte, gänzlich “auszutreten” aus einer Gemeinschaft, die nicht mehr “unsere” ist, sozusagen: den Gesellschaftsvertrag fristlos zu kündigen, weil er sich einseitig zum Nachteil auswirkt Olaf grüßt Dich

  1. Vielen Dank für Ihren herausragenden Artikel,
    zu dem ich Folgendes ergänzen möchte:

    Frauen sind längst aus der Opferrolle entwachsen,
    sie sind mehrheitlich zu den Tätern übergelaufen.

    Dies entspricht ihrer Neigung mit der Macht zu “kokettieren”,
    um dort vor allem Sicherheit zu suchen.

    Der kalifornische Psychiater Mark McDonald sieht es
    als eine Folge der “Entmannung der Gesellschaft”,
    dass viele Frauen den fehlenden männlichen individuellen Schutz
    nun beim Vater Staat suchen, und zwar selbst dann, wenn dieser kriminell ist.

    McDonald hat dazu ein Buch geschrieben:
    The United States of Fear: How America Fell Victim to Mass Delusional Psychosis (2021)

    Kein Wunder, dass Ethik bei diesen Frauen keine Rolle spielt,
    die Reihen in den Machtcliquen sind “dicht geschlossen”.

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