Das Prinzip Verschärfung

Mit der Ankündigung der „Corona-Soforthilfe“ im März 2020 verglimpfte sich der deutsche Staat selbst als „Wohltäter“. Das war kein zweckfreier Altruismus. Damit erkaufte er die nötige Disziplin der Bevölkerung für den Lockdown: „Bleibt zu Hause! Wir zahlen euren Schaden!“
Die Bewilligungsbescheide, die nun acht Wochen später nach den „ersten Lockerungen“ ergehen, sprechen eine andere Sprache. Sie gehorchen dem Prinzip der Verschärfung.

Näheres dazu ist nachzulesen in meinem aktuellen Artikel bei Telepolis

Das französische Autorenkollektiv Tiqqun sagte bereits zu Anfang des „Confinement“ (Ausgangssperre) Mitte März 2020 in einem Text mit dem Titel „Das Coronavirus und der Ausnahmezustand“ , „dass die Gerissenheit des Gegners immer relativ zu unseren Wahrnehmungsqualitäten ist, zu unserer Fähigkeit, zwischen den Zeilen … zu lesen.“
Etwas arrogant, dennoch korrekt schlussfolgern sie: „Leider ist nicht so sehr die Relativität begrenzt. Begrenzt sind unsere Wahrnehmungsqualitäten. Die List der Herrscher funktioniert nur bei denen, die die Verblödung zu ihrem Kampfsport gemacht haben.“

Die Regierungen sprechen augenblicklich sehr viel über „die Bürger“, doch es bleibt meist abstrakt – und die Rede über den Bürger entbirgt ihre Intention erst, wenn es ans Handeln geht. Grenzverschärfungen, Kontrollverschärfungen, Verschärfung der ohnehin schon bestehenden Einschränkungen, den öffentlichen Raum zu nutzen. Ähnlich ist es auch mit den Hilfsgeldern: nicht das vollmundige Angebot zur Hilfe, sondern die schmallippig-scharf formulierten Konditionen der Auszahlung lassen erkennen, was gemeint ist.

So agieren Staaten. Das ist keine Überraschung – und auch nicht neu “seit Corona”. Neu ist, dass wir alle “den Schwanz einziehen” und “Schiss haben”. Wie Giorgio Agamben schon Ende Februar 2020 bemerkte: “Der Feind ist nicht ausserhalb von uns, sondern in uns.“ Es ist daher unsere bleibende, immer wichtiger werdende Aufgabe, zwischen den Zeilen der Verlautbarungen zu lesen. Aus den kursierenden Gesetzesentwürfen, Verfügungen und Hilfs-Angeboten abzuleiten, wie wir behandelt werden sollen und dadurch endlich die Verunsicherung abzustreifen. Erst dann können wir wieder vernünftig reagieren.

Beliebig manövrierbare Masse sind wir nur als erfolgreich Verunsicherte, wie jetzt: durch die zweifache Angst von Infektion und die Angst vor Verlust der wirtschaftlichen Existenz.

Nicht das vorgebliche Hilfsangebot ist existenziell wichtig. Es ist existenziell wichtig, sich nicht von Verschärfungen einschüchtern zu lassen.

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