Heute veröffentlichen wir in DIE AKTION – als Teil unserer neuen Reihe “Enquete – analytische Präparate für die post-pandemische Gesellschaft” – einen hellsichtigen, dreissig Jahre alten Text des französischen Mediziners und in Deutschland weitgehend unbekannten Essayisten Michel Bounan, der Guy Debord und den Situationisten nahe stand.
Der Text ist ein Ausschnitt aus Bounans Buch “La Vie innomable” (in dt.: “Das unsägliche Leben”), das er 1993 im Alter von 51 Jahren veröffentlichte.
In seinem wohl bekanntesten Essay, “Le temps du sida” (in dt.: ‘In Zeiten von AIDS’) stellt Bounan drei Jahre zuvor die These auf, der Ausbruch der Krankheit AIDS, die er “eine ideologische Infektion” nennt, stehe in enger Verbindung zu den durch die moderne Warenwirtschaft geschaffenen sozialen Bedingungen und der daraus resultierenden Umweltzerstörung.
Seiner Meinung nach würden die ständigen physischen und psychischen Angriffe durch allgegenwärtige chemische Verschmutzungen und medizinische Produkte, sowie die Impfungen in den Ländern der Dritten Welt die natürlichen Abwehrkräfte des Körpers beeinträchtigen.
Bounan, dies sei an dem Punkt angemerkt, praktizierte als Homöopath. Seine AIDS-Theorie knüpft an frühere Theorien an, die bestreiten, dass HIV der (alleinige) Auslöser der Krankheit sei.
Oder, wie es Bernd Volkert in seinem Beitrag zu Bounan im Berliner Magazin “Der Erreger” Nr.1 formulierte:
“Michel Bounan war sich sicher: Die Welt, wie wir sie kennen, die Welt der Waren, wird unaufhaltsam zugrunde gehen. Das fortschreitende Desaster zeigt sich für Bounan in allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens, ob in der Ökologie, der Medizin, der Ernährung, der Psychologie, der Erfahrung der Zeit, der Sprache. Alle Versuche, dagegen mit den vorliegenden Mitteln und Methoden …vorzugehen, sind für ihn zum Scheitern verurteilt. Im Gegenteil: Sie tragen unweigerlich noch zur Beschleunigung der Katastrophe bei.”
Debord erhob aufgrund des vorliegenden Textes Bounan zum “wichtigsten Kenner des totalen Desasters […], das bereits im gesamten Gesundheitswesen feststellbar ist.” (S.325 Ausgewählte Briefe 1957-1994, Berlin, 2011)
Bounan war Debords Hausarzt.
Noch einmal Volkert: “Michel Bounan ist am 11. November 2019 im Alter von 77 Jahren gestorben, gerade noch rechtzeitig – welch böse Ironie der Geschichte –, damit er keine Gelegenheit mehr erhielt, sich zur ‘Zeit von Corona’ zu äußern. Immerhin können seine vorhandenen Texte helfen, ein wenig diese dunkle Zeit durch Einsicht zu erhellen.”
Der durchtriebene Staat
Was der Enthüllung des wahren Gesichtes unseres “durchtriebenen Staates” (Bounan, L‘État retors, dt. hier) vorangeht, welche Illusionen wir aufgeben müssten, formuliert Bounan wie folgt:
“Genauso ist es mit jeder Ware, die sich rühmt, ihrem Besitzer seine Kraft, seine Freiheit, sein verlorenes Leben wiederzugeben, deren Gebrauch und schneller Verschleiß aber zu neuer schwerer Qual führt. In Zukunft muß man jede Ware, die mit solchen Behauptungen prahlt, als Gift betrachten, das heißt: fast alle modernen Waren.
Und noch eine andere Illusion muß aufgegeben werden: Man kann sich heute in keiner einzigen bezahlten Tätigkeit ‘verwirklichen’. Die Tätigkeit wird nur entlohnt, weil sie für das Funktionieren dieses perversen Apparates nützlich ist und deshalb im Gegensatz zu den lebendigen Wünschen steht, die in ihr in den Dienst genommen werden. Sie zerstört die Arbeiter immer. Es wird schließlich auch notwendig sein, jeden als Feind zu betrachten, der vorgibt, im Namen von anderen zu handeln, die keine Gelegenheit haben, ihn sofort der Lüge zu bezichtigen.”
Le Temps du sida, Paris 1990 (in dt. “In Zeiten von AIDS”), S.165, dt. von Bernd Volkert für “Der Erreger”
Die letzten Zeilen klingen vertraut in Zeiten von SARS-CoV2, in der unsere medizinische Behandlung von “Autoritäten” eingefordert wird: zum Schutz der Verletzlichen. Die Vergiftung ist durchaus nicht freiwillig – sie wird durch angsteinflössende Drohung angeordnet, mit quasi-psychologischem Zwang durchgeführt. Die Ware hat – so scheint es – ihre Verführungskraft eingebüßt. So muss nachgeholfen werden, damit der Umsatz stimmt.
Sollte sich die in den “Chimären” veröffentlichten Behauptungen eines Tages als wahr erweisen und die Krankheit tatsächlich das Ergebnis einer aus dem Ruder gelaufenen Waffenforschung sein, so hat auch hierauf Bounan schon eine Antwort parat.
In seinem Buch Logique du terrorisme (2003, in dt.: “Logik des Terrorismus”, engl. Textfassung hier) beschreibt er das Mafia-System im Italien des 19. Jahrhunderts, das Terrorismus gegen Ziele praktizierte, die sich nicht unterwerfen wollten, und ihnen gleichzeitig Schutzdienste gegen diesen Terrorismus anbot.
Er weitet diese Analyse auf Regierungen aus, die, um ihre Existenz gegen ihre kritische Bevölkerung zu verteidigen, den Terrorismus instrumentalisieren und unter dem Deckmantel des Schutzes vor diesem Terrorismus repressive Gesetze gegen ihre Bevölkerung einführen.
Bounan, der Experte für das das Undenkbare, Unsagbare, das Unbenennbare, hat Vieles vorweggenommen und früh als unausweichlich erkannt, dessen Einlösung wir erst heute in voller Härte erfahren. Denn täglich wird deutlicher sichtbar: “Wenn Sie nicht glauben oder sich nicht zwingen, zu glauben, sind Sie krankenhausreif. Der Normalzustand besteht darin, verrückt zu sein.“