Golem

Heute erscheint in DIE AKTION der Text SEEK von Lutz Dammbeck. Über seine höchst spannenden filmischen und künstlerischen Arbeiten kann man sich auf der Website Herakleskonzept einen Überblick verschaffen.

Das schön gestaltete und reich bebilderte Buch SEEK ist jüngst bei Spector Books Leipzig erschienen – was jedoch die Leser nur hier bei uns finden, ist dieser Essay, der exklusiv für DIE AKTION um ein neues Schluß-Kapitel erweitert wurde.

Dammbeck geht anhand einer bahnbrechenden Kunstausstellung (SOFTWARE, 1970) der Frage nach, ob nicht Kybernetik und alle mit ihr verknüpften Technologien, mit denen wir heute unser Leben organisieren, notwendig in „Kontroll- und Steuerungswahn“ münden, mit dessen Hilfe unsere als „offen“ propagierten westlichen Gesellschaften notwendigerweise „autoritär“ enden.

Die Entblößung der Kybernetik als Herrschaftstechnologie ist nicht neu. Schon das 2007 erschienene und von unserem bis heute unvergessenen Freund und Mitstreiter Ronald Voullié (1952-2020) kongenial übersetzte „Kybernetik und Revolte“ der französischen Autonomen-Gruppe Tiqqun geht der Frage auf den Grund, wie weit der „kybernetische Kapitalismus“ bereits die beherrschende Ideologie des Westens geworden ist und welche Mittel der Revolte dagegen möglich sind.
Der Wunsch nach Ordnung und Gewissheit, so argumentieren Tiqqun, zeige die Verwandtschaft zum Totalitarismus.
„Der kybernetische Kapitalismus entwickelte sich, um es dem vom Kapital verwüsteten Gesellschaftskörper zu ermöglichen, sich zu reformieren und sich für einen weiteren Zyklus dem Akkumulationsprozess zur Verfügung zu stellen“.

Dammbeck weitet in seinem Essay diesen Ansatz gleich in zwei Richtungen auf: zum einen konstatiert er, dass der Fokus seines Buches SEEK zu sehr auf dem Westen läge. „Warum fanden im Osten die Ideen von Kybernetik, Systemtheorie, Psychoanalyse oder Sozialwissenschaft zwar eine Anwendung, zum Teil sogar früher als im Westen, konnten aber nie zu einem so wirkungsmächtigen Faktor werden wie im Westen?“
Eine Frage, die es in aller Genauigkeit noch zu beantworten gilt!

Zum anderen identifiziert Dammbeck dankenswerterweise einen oft übersehenen Aspekt der Kybernetik, von Software und der von ihr propellierten „künftigen Lebensform“, als Ausdruck des ihr immanenten Ekels vor dem Lebendigen.
So führen „die Glorifizierung der Technik, die Ökonomisierung des Lebens und der Wille zur Unterwerfung der Natur“ schließlich zu jenen horriblen Chimären, die uns heute befallen und quälen. Die Faszination für Biogenetik, Biochemie oder Genetic Engineering und andere kalte glatte abstrakte Technologien entpuppe sich als lebensfeindliche Männerphantasie, die zwangsläufig wie ein Golem operiere.

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