Zuversicht

Als wir den Autor des Textes mit dem hoffnungsfroh stimmenden Titel „Zuversicht“, Andree Weissert, zur Vorbesprechung der heutigen Publikation in DIE AKTION trafen, überraschte er uns mit einem tollen Geschenk: einem Atomteller mit dem Motiv „Brokdorf“.

Brokdorf war schon lange eine zentrale Größe im politischen Leben und Handeln unserer Familie: hier wurden die Eltern und Geschwister alle Ostern wieder mit tieffliegenden Hubschraubern bedroht, der Vater der Herausgeberin der AKTION in einer mobilen Gefangenensammelstelle inhaftiert: so waren die üblichen Freizeitvergnügen der Grünen, bevor sie selber die Macht ergriffen.

In Brokdorf konnten wir am eigenen Leib erfahren, wo die Toleranz der Bundesrepublik ein Ende hatte und wie ernst das mit der freien Meinung und dem Recht auf Demonstration gemeint war.

Aber wir waren zuversichtlich, den Fall eines Tages durch fortgesetzten Protest beenden zu können.

Am 31. Dezember 2021 ging das Kernkraftwerk mit der weltweit größten von einem Reaktor erzeugten Strommenge ( 12.000 Gigawattstunden) in aller Stille des Lockdowns schließlich vom Netz.

Es hinterblieben der denkwürdige Brokdorf-Beschluss über das „präventive generelle Demonstrationsverbot“ und 233 Brennstäbe. Letzere beeinträchtigten offenbar die “Gefahrenprognose“ weniger, als die sich um das strahlende Lager versammelnden Kritiker.

Soweit die Hintergrund-Geschichte zum Teller, von dem wir nun unseren Nudelesalat essen. Er ist spülmaschinenfest. Diese Mischung aus sarkastischem Humor und anwendungsorientiertem Design ist typisch für Weisserts Arbeit.

So hat er auch in seinem Buch mit dem etwas sperrigen Titel „Ich bin die STADT das KLIMA und die TRANSFORMATION – Durch Selbstwirksamkeit und Verbundenheit zur regenerativen Stadt“ das für den Text zentral wichtige Wort „Zuversicht“ in ein Daumenkino am Seitenrand gelegt, so dass nur diejenigen Leser, die schnell mal eben durchblättern, in den Genuß seiner Wahrnehmung kommen.

Der gelernte Zimmermann und Architekt Weissert ist allerdings nicht frei von gesunden Zweifeln:
„Jeder Versuch, die Gegenwart in Worte zufassen, ist zum Scheitern verurteilt. Unsere Zeit hat eine so erhebliche Rotationsgeschwindigkeit, dass kein Medium damit Schritt halten kann. Meine Beobachtungen und Gedanken von Gestern und Vorgestern, einige sogar aus der Zeit von vor dem Jahr 2020, habe ich trotzdem als ein Dokument zur Gegenwart in meinem Buch zusammen getragen.“
Normalität ist für Weissert eine gefahrvolle Schleuder-Bewegung. Dagegen setzt er seinen „radikalen Optimismus“.

Für den Vorabdruck in DIE AKTION hat Weissert ein Kapitel gewählt, das den psychologischen Aspekt seiner Überlegung ins Zentrum stellt. „Über den Zustand der Welt lamentieren schon viele andere – das kann ich nicht besser als sie.“

In diesem Sinne: Viel Vergnügen bei der Lektüre!

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