Die Giftwurzel

Beobachtungen am Rande der Friedensdemo in Berlin

Samstag, 25. Februar 2023. Der Weg durch Berlin-Mitte zum Ort der Friedens-Demo am Brandenburger Tor gleicht einem Spaziergang durch Margaret Atwoods dystopische Landschaft aus dem „Report der Magd“.

Unser kleine Demo-Reisegruppe, so scheint uns angesichts der geklonten Welt des Regierungsviertels, besteht aus Unfrauen und Unmännern der deutschen Gegenwart, denen nach Abschaffung des Bargeldes als erste Tat der Regierung die Bank-Karten gesperrt wurden. Versuchen Sie mal, in der Bannmeile oder rund um Unter den Linden einen Kaffee in Cash zu bezahlen. Sie werden erleben, wie ein Aussätziger behandelt zu werden.

Die freiwillige Selbstanpassung ist bis zu einem Grad fortgeschritten, dass sie einer vollständigen Unterwerfung unter die Sachlogik einer profitorientierten Ordnung gleichkommt.
Wenn Deleuze und Guattari vor mehr als vierzg Jahren schon zurecht auf die Schizophrenie des Kapitalismus verwiesen haben, möchte ich in Ergänzung dieses Gedankens seinen masochistischen Charakter betonen. Die freiwillige Selbstanpassung ist die Giftwurzel des Übels unserer derzeitigen politischen Lage.

Vor dem Café Einstein steht ein ausgewachsener Widerling mit einem heißen Literbecher Grünen Tee und ekelt die Kundschaft weg. Innen ist die Lage übersichtlich. Ein paar prominente deutsche Spekulanten, die ihren flusenfrei polierten Maybach in der Gasse daneben geparkt haben, residieren zwischen leeren Tischen. Schon durch die Schaufensterscheibe riechen wir ihre penetrante Frischgewaschenheit, das Element, das sie am stärksten mit ihrer 300.000,00 € Klimakiller-Karre verbindet.

Wir Durchgefrorenen, mit Fahnenstange und – gemessen am Outfit der Schnösel – im Kreuzberg Look sind jedenfalls im Innern der Nobelrösterei als Entourage für die Gralshüter des Luxus nicht willkommen. Früher, gleich nach der Eröffnung, als es schleppend anlief, hat die gleiche Einrichtung bedürftigen Künstlern mit bekannten Gesichtern Freibons für Getränke gegeben, damit sie das Flair aufpeppen. Heute gilt jeder unter einer bestimmten Einkommensschwelle den dünkelhaften Neureichen als räudiger Auswurf der Republik.

Fremd in der eigenen Stadt, wo selbst die Türsteher nun noch weniger Stil als ihre Dienstherren haben, treffen wir wenige Schritte weiter auf einen zerdepperten Panzer auf einer Lafette mit ukrainischem Nummernschild, der so geparkt ist, dass sein Kanonenrohr auf ein Büro der russischen Botschaft weist. Das Wrack, das mit Rosen bedeckt ist, die sicher nicht der Trauer um die tote Besatzung gelten, nutzen einige Rocker in kyrillisch beschrifteten Kutten als Hintergrund für Selfies.

Der für die Zulassung dieses Schandmals verantwortliche Richter des Verwaltungsgerichtes hat offenbar mutwillig missinterpretiert, was im Westen der Vorwende vorbildlich auf den Weg gebracht wurde: “Orte des Grauens, die wir niemals vergessen dürfen“.
Die bodenlose Frechheit der Einrichtung des havarierten T72 als symbolische Bedrohung lässt jedenfalls unmittelbar klar werden, dass nicht geplant ist, irgendjemanden für ethische bedenkliche Verfehlungen zur Rechenschaft zu ziehen.
Wer diese harte Metapher der Gewalt nicht versteht, dem diktiert der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev Klartext:

Die Ukraine sei sehr dankbar für die deutschen Waffen für „unsere Jungs und Mädels an der Frontlinie. …Ohne Waffen werden Kriege nicht gewonnen und die Ukraine wäre überrannt und viele tausend Zivilisten wären ermordet worden. …Wir werden diesen Krieg gewinnen mit einer tollen deutschen Hilfe.“

Eine schöne Einstimmung für die Friedensdemo.

Nur zwei Gehminuten von der symbolischen Gewalttat entfernt, genau vor dem Brandenburg Tor, das am Vorabend noch in die Flaggenfarben des osteuropäischen Bruderlandes getaucht war, eine theaterhafte Installation, die in ihrer Idiotie das Panzer-Mahnmal noch nach Längen toppt.

Geschützt von einer Anzahl Polizisten in Dreierformation, die Rücken an Rücken sich gegenseitig sichern und rundum heranrückende Gefahr abwehren, hat ein klägliches Grüppchen von karnevalesk Maskierten und mit Fahnen einer sogenannte „Antiverschwurbelten Aktion“ Ausgestatteten eine Burg aus beklebten Obi-Kartons aufgebaut. Das sieht auf den ersten Blick aus wie ein „Messe-Stand“ der Antifa und besitzt durchaus einen Touch von Messe im religösen Sinn. Denn die Botschaften sind reine Bibelwahrheiten der Zero-Covid-Jünger, gemixt mit Verhetzungen aller Andersgläubiger. Mir fällt ein Satz aus einem Flugblatt ein, das die Erreger-Redaktion kurz vor der anstehenden Friedensdemo verschickte: „Die Dinge haben über Nacht einen anderen Namen erhalten und führen nun das Selbstgespräch der Ordnung (Guy Debord)“.

Ihren unbändigen Behauptungsmüll schützen die ver(w)irrten Antiverschwurbelten mit Frischhaltefolien gegen das unwirtliche Wetter. Im Zeichen einer lustigen grünen Echse aus dem Kinderfernsehen haben sich die radikalen Verbreiter der Regierungspropaganda selbst in Hohlweltbewohner verwandelt. Die Passanten und unfreiwilligen Betrachter dieser armseligen Anleihe bei Performance und Strassenkunst müssen sich als „transphob“, identitär und Putin-Fans beschimpfen lassen. Was hier alles zackig über einen Kamm geschoren wird, geht auf keine Drachenhaut. Neben uns spekulieren Demoteilnehmer darüber, ob und von wem diese Truppe gekauft ist? Von der Bundeszentrale für politische Bildung? Vom Verfassungsschutz? So weit ist ihr Misstrauen in den Staat schon gediehen, dass sie solche Möglichkeiten erwägen.

Wie formulierte es Johnny Rotten kürzlich noch so treffend: „Ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag erleben würde, an dem die Rechten die Coolen sind, die dem Establishment den Mittelfinger zeigen und die Linken die wehleidigen, selbstgerechten Trottel, die alle beschimpfen.“

Der Schneesturm fegt über den 17. Juni und nach Verlesung einer Liste von die Äußerungsfreiheit einschränkenden Maßregeln, ohne die heute keine öffentliche Veranstaltung mehr möglich ist (“keine Textbotschaften”, keine, auch keine versteckten Buchstaben V oder Z – man denkt unwillkürlich wieder an den “Report der Magd”, der von einer Welt erzählt, in der nichts in Buchstaben Geschriebenes mehr zulässig ist, nur dumme Symbole), gilt die erste Ansage der Besucherzahl: wir würden sicher heute Abend lesen, dass nur ein paar wenige verstreute Irre gekommen wären. Glaubt nicht alles was ihr lest!
Ich möchte mich an dem Schätzungswettbewerb nicht beteiligen. Auch war wegen Drohnenaufstiegsverbot eine eigene Messung der Besucherzahl durch die Veranstalter kaum möglich. Aber es dürften wohl drei mal mehr Menschen da gewesen sein, als offiziell behauptet wurde.
Es war jedenfalls voll vor und hinter dem Brandenburger Tor und seitlich im Tiergarten wimmelte es auch noch.

Die Reden waren durchweg plausibel, nachvollziehbar und klug formuliert und ganz im Tonfall einer klassischen Antikriegs-Veranstaltung gehalten. Dem „Beschimpfungs- und Verleumdungs-Tsunami“ im Vorfeld wurde auch nicht zu viel Raum gegeben – aber er wurde auch nicht totgeschwiegen. Insgesamt eine gelungene Veranstaltung, die etwas vom Charakter eines Auftaktes für eine dringend notwendige Re-Emanzipation der bürgerlichen Mitte hatte und mit der sie sich vom Versuch, durch Kontaktschuld-Vorwürfe Solidarität abzudrängen, glücklich befreit hat.

Wir danken Matthias Reichelt für das Foto der Aktion.

2 Antworten auf „Die Giftwurzel“

  1. Das ist so lebendig geschrieben, als wenn ich auch dabei war, sehr gut kommentiert, mit Humor durchtränkt, die wesentlichen Punkte aufgezeigt, die ich vielleicht übersehen hätte oder im guten Glauben doch geschluckt hätte. Vielen Dank dafür! An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass die „Klimakleber“ von amerikanischen Millionären gesponsert werden. Es gipfelt darin, dann einen Baum vor dem Reichstag abzusägen. Klima oder nur Selbstinszenierung?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert