Fluten

Heute erscheint der Text „Das Wortmonopol“ von Hanna Mittelstädt in DIE AKTION. Dazu einige kurze Vorbemerkungen. In unserer Diskussion um den aktuellen gesellschaftliche Zustand war uns schon vor zwei Jahren eine massive Kampagne zur Schaffung neuer Worte durch regierungsnahe Agenturen aufgefallen. Wir haben versucht, dem Phänomen mit einem Projekt – dem „Wörterbuch des Unrates“ – Rechnung zu tragen. Aufgrund der dicht aufeinander folgenden Wellen – nicht eines Virus – sondern machtstrategischer Eingriffe in unseren Alltag, ist das Projekt bislang nicht über erste Schritte hinausgekommen. Aber wir verfolgen es weiter.

Inzwischen sind neue Worte entstanden. Wahre Fluten. Wortfluten aus gesellschaftlichen Deichbrüchen. Sie überschwemmen uns. Sie ertränken unser Denken.

Ich nenne nur zwei: Impfdurchbruch und Verdachtsfall. Beide kaschieren Tatsachen. Der zur Naturgewalt hochstilisierte Impfdurchbruch will das Versagen der Impfung wegreden. Der Verdachtsfall soll die Nebenwirkung zur unbeweisbaren Einbildung des Kranken herunterskalieren. In beiden Fällen soll Haftung der Verantwortlichen vermieden werden. Siehe hierzu auch unsere Diskussion unter dem Artikel „Die rote Linie„.

Wahre Genies in den Agenturen der Regierung denken sich solche Worte aus; als Waffen gegen die eigene Bevölkerung. Was setzen wir dagegen?

Warum sind uns Worte so wichtig?

Worte waren schon immer die wichtigsten Werkzeuge in der Auseinandersetzung mit der Obrigkeit. Wenn diese Werkzeuge stumpf werden, entgleitet nicht nur den kritischen Intellektuellen eines Landes, sondern allen Mitbürgern die Kontrolle über das Handeln ihrer Regierung.
George Orwell formulierte es einmal so:

Ich möchte … darauf hinweisen, dass es zum Teil von dem herrschenden intellektuellen Klima abhängt, welcher Art der Staat ist, der uns reagiert, d.h. in diesem Zusammenhang von der Haltung der Schriftsteller und Künstler selber und von ihrer Entschlossenheit, den Geist das Liberalismus lebendig zu erhalten.

in „Rache ist sauer“ (S.171), 1948

Er hat vollkommen recht: wir könnten nicht nur, wir müssten mehr tun.

Fraglos war die Corona-Kommunikations-Strategie der Bundesregierung von Anfang an hinsichtlich ihrer psychologischen Wirkung pfiffig ausgedacht, handwerklich brilliant umgesetzt und mit viel Geld flächendeckend platziert.
Aber genau das müsste den Anreiz für unsere Dichter, Denker, Philosophen eher noch erhöhen, sich ihr wichtigstes Werkzeug nicht einfach aus der Hand nehmen zu lassen.
Hier scheint mir ein anderes Problem zu greifen, dass aktuell fatale Folgen zeitigt. Die Intellektuellen im deutschen Sprachraum waren (und sind – laut Selbsteinschätzung) mehrheitlich links. Links im politischen Sinne, als damit noch ein Bündel von Ideen gemeint war, die für eine menschenwürdige, gerechtere Gesellschaft standen.
Dass nun ausgerechnet jene linken Intellektuellen, denen früher die Kritik am staatlichen Handeln das Zentrum ihres Denkens war, mehrheitlich zur bedingungslosen Befürwortern staatlicher Anordnungen geworden sind, führt dazu, dass keinerlei relevante kritische Theorie über das aktuelle Geschehen entsteht.

Damit ist das Feld offen für (krypto)rechte Autoren, die sich höchst erfolgreich einer wohlfeilen Staatskritik befleißigen – die, weil augenblicklich konkurrenzlos, viel Zuspruch geniesst, aber herzlich wenig zur Überwindung der geistigen Krise beiträgt.

Meine geschätzte Professorin Elisabeth Lenk hat ihren Lehrer Theodor W. Adorno gern mit einem Wort zitiert, das zwar auf den ersten Blick etwas überheblich klingen mag, aber unser jetziges Problem auf den Punkt bringt: „Wer nicht klar sprechen kann (nicht die richtigen Begriffe benutzt), kann auch nicht klar denken.“ (aus der Erinnerung an die Vorlesungen vor 40 Jahren zitiert).

Was aber tun, wenn es „die richtigen Begriffe“ nicht mehr gibt?

Je mehr uns unsere schärfsten Werkzeuge, die Worte, stumpf werden und uns zum Schluss gänzlich entgleiten, zum geistigen Eigentum jener Personen werden, die mit Worten nur Befehle erteilen und uns damit ihren Willen aufzwingen, desto weniger Handhabe besitzen wir, um uns erfolgreich wieder aus dem Dilemma herauszuarbeiten.

Es gibt viel zu tun. Arbeiten und nicht verzweifeln!

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