Die „Umweltbewegung der Reichen“ (Peter Dauvergne) war und ist ein Desaster.
Gegenwärtig versucht sie, uns in das Phantasma einzuspinnen, dass wir mit Superausbeutung im planetarischen Maßstab ruhig weitermachen können und trotzdem wird alles gut, solange es nur unter grüner Parteiobhut passiert.
Schlaft ihr noch oder seid ihr schon wieder eingepennt?
In Teil 4 der Aasgeier-Reihe suche ich nach Belegen für die These, dass „grüner Kapitalismus“ ein krasser Widerspruch in sich ist, mehr noch: ein vorsätzlicher Beschiß.
Die nachfolgenden Zeilen versammeln Zitate aus spannenden aktuellen Forschungsprojekten wie dem geradezu enzyklopädischen „After Extractivism“ und der Arbeit rund um das World-Ecology Research Collective des „Umwelt-Historikers“ Jason W. Moore und stellen die Erkenntnisse der Wissenschaftler neben alte Punksongs und frühsozialistische Texte.
Wer die ganze Reihe nachlesen möchte: der erste Aasgeier-Text steht hier , seine Nachfolger heißen „Vergeudung“ und „Gründlich ruiniert„.
Weil jeder von uns, selbst wenn er die Lage noch so kritisch reflektiert, unter den furchteinflösssenden Alltagsbedingungen der vergangenen drei Jahre als williges billiges „Instrument für den Klassenkampf von oben“ (Magdalena Taube) fungiert, solange er innerhalb der vorgegebenen Strukturen verweilt, führen wir – nolens volens – das Leben von Idioten.
Jedenfalls, wenn es uns nicht zügig gelingt, das System überflüssig zu machen, das uns überflüssig machen will.
Um das zu schaffen, müssen wir zunächst unser Denken grundlegend verändern, es radikalisieren, vielleicht in der Art, wie es Ernst Fuhrman einmal vorschlug: „Die völlige Freiheit vom Staat (ist) die erste Vorbedingung, unter der Menschen mit neuen Experimenten anfangen könnten.“
Infektion, Infektion, Infektion, Infektion.
Umweltverschmutzung ist super gut.
Sag, ist die Zeit der Schafe vorbei?
Infektion, Infektion, Infektion, Infektion.
Eure Umnachtung hat einen Grund.
Sie ist die Grundlage unserer Verfassung.
Infektion, Infektion, Infektion, Infektion.
Man kann es auch Verhöhnung nennen.
Es ist wie im Fernsehen.
Infektion, Infektion, Infektion, Infektion.
Du verkaufst Dich – das macht Sinn!
Das befreit Dich von allen natürlichen Impulsen.
Infektion, Infektion, Infektion, Infektion.
Die Überdosis an Gift
vernichtet alle Deine Pläne.
Infektion, Infektion, Infektion, Infektion.
Verbote haben eine Funktion:
sie sind Voraussetzung für Dein Leben als Idiot.
Infektion, Infektion, Infektion, Infektion.
Deine Suche nach neuen Horizonten:
nur im Rahmen öffentlicher Vorgaben.
Infektion, Infektion, Infektion, Infektion.
Du glaubst, zudröhnen ist geil?
Das große Abschalten.
Infektion, Infektion, Infektion, Infektion.
Du hast bei der Wahl nicht abgestimmt,
Deine Pflicht versäumt gegenüber der Nation!
Infektion, Infektion, Infektion, Infektion.
Man darf die Mission nicht vergessen:
die Mission heisst Umerziehung.
A3 dans le WC, Contagion, 1979
Ausser Atem
Beim Sortieren meiner Singles aus den frühen Punkjahren stieß ich auf den Öko-Desaster-Song einer obskuren Garagen-Band aus Saint-Quentin in der Picardie mit dem sperrigen Namen „A3 dans le WC“.
Öko-Desaster? Das war aus der 80er-Jahre-Perspektive der Helden meiner Jugend (Rotzkotz, Blitzkrieg, Slime) betrachtet ein Thema für Hippies von der Arschkriechereinheitsfront.
Ihr Symbol war das Poster Bitte die Erde nicht kaputtmachen, in zwölf Pasteltönen mit Kinderschrift geschrieben und über die gärenden Müsli-Container in die WG-Küche gehängt. Das fanden wir abgefuckt.
Hatte der deutsche Punk vor lauter Führer-Polizei-Spießer-Hass-Liedern das zentrale Thema der Zeit verpasst? Vollgedröhnt von seinen eigenen provokanten SA-SS-Parolen?
Französischer Underground jedenfalls war im Deutschland der frühen 80er faktisch nicht erhältlich. Frankreich galt als „Dandy“, und das interessierte die Punks nicht. So erfuhr man erst in den letzten Jahren, als eine gute Hälfte der Szene schon jenen frühen Tod gestorben war, der angeblich Altersheim erspart, dass es mehr gab als den bizarren Disco-Mutanten „Plastic Betrand„, mehr als das „A bout de souffle“ von Marie et les Garçons, viel viel mehr als den wunderlich-schönen Steril-Pop von Elli & Jacno.
Auf den diversen Sampler-Reihen des Labels Born Bad (alle der schiere Wahnsinn: „BIPP“; „Wizz“ und „Les Jeunes Gens Modernes“), insbesondere aber auf „Punks 45 – The French Connection“ , wie gewohnt bei Soul Jazz Records in meisterhafter Verarbeitung und mit perfekten Liner Notes, heben Jean-Baptiste Guillot und der Übervater der Franco-Punk-Szene Marc Zermati längst vergessene Schätze wie Les Olivensteins oder ACT (mit ihrem fabulösen minimalistischen Nihilistensong „Ping Pong„).
Alles im typisch französischen, elegant rotzigem Tonfall, dabei ziemlich depressiv, atemlos, verzweifelt, mahnend, volle Pulle no future. Eben glasklar 80er.
Über allem schwebend, hämmernd, hysterisch verzerrt: der geniale Anti-Super-Hit „Contagion“ (aus dessen Lyrics auch der Titel dieses Textes stammt).
Um ein in jener schwarzgrauen Zeit epidemisch auftretendes Epitheton zu verwenden: der totale Soundtrack zum Untergang.
Soweit ganz schön! Jedenfalls vergleichsweise.
Was nützt es nun, kurz vor Jahresbeginn 2023 die Texte von 45 Jahre alten Punksongs anzuhören? Haben wir keine anderen Probleme?
Nein.
Haben wir nicht.
Es ist sogar noch übler.
Wir haben nicht nur nichts aus den alten Songs gelernt, die wir vor fast einem halben Jahrhundert mitgesummt, mitgepfiffen, mitgegröhlt haben.
Wir haben ein gutes halbes Jahrhundert lang gewusst, was falsch läuft.
Dass es zu spät ist.
Mindestens: so gut wie zu spät.
Und nichts unternommen.
Nichts.
Sogar noch weniger als nichts.
Viele von uns haben sogar die Grünen gewählt, obwohl jeder, wenn er nur eine Minute darüber nachdächte, wissen könnte, dass es keinen grünen Kapitalismus geben kann. Jedenfalls keinen mit weniger Schaden für alle Beteiligten.
45 Jahre, das sind 23.652.000 Minuten.
Wenn eine Minute gereichte hätte – seien wir großzügig, sagen wir: fünf Minuten nachdenken hätte gereicht – über was haben wir dann die übrigen mehr als 23 Millionen Minuten lang nachgedacht?
Es läuft auf eine trübe Bilanz hinaus.
Lasst uns zusammen rechnen.
Satte 10 Millionen Minuten haben wir fest geschlafen.
Dann sind wir aufgewacht, konnten morgens sehen, wie sich die Welt um uns herum über Nacht verändert, die Lage sich wieder zugespitzt hatte, wie sie zügig abstürzte
Ungläubig haben wir uns die Augen gerieben.
Und?
Noch mal runde 13 Millionen Minuten weitergeschlafen?
Es ist noch viel schlimmer.
Es kommen noch ein paar hundert Millionen Minuten, in denen wir nichts Vernünftiges entschieden haben, dazu.
Denn wir wissen das alles bereits viel länger als 45 Jahre.
Weltökologie
Jason W. Moore, der uns seit Jahren versucht klarzumachen, wie „planetarische Gerechtigkeit“ aussehen müsste, aber dass wir statt dessen weiter zulassen, dass alles entwertet, verschleudert, und gnadenlos abgehalftert wird, bis wir alle selbst ein wenig zu Chicken Nuggets geworden sind, Wegwerflebewesen, die sich gegen ihr Ausbeutung nicht auflehnen, hält es mittlerweile für durchaus möglich, dass wir „in einem Zeitalter angekommen (sind), in dem der Mensch verschwinden könnte – und mit ihm die Welt, die er so gnadenlos ausbeutet. Denn was ist heute für uns nicht billig und schnell zu haben – auf Kosten der vielen Menschen, die weniger privilegiert sind als wir? Wir ruinieren unsere Erde, wenn wir nicht schleunigst kooperative Wege des Zusammenlebens und Wirtschaftens finden und den westlichen Raubtierkapitalismus bändigen.“
Moore fasst in einem 2022 ins Deutsche übertragenen Text zusammen:
„Wir leben im Zeitalter der kapitalogenen Klimakrise, kapitalogen im Sinne von vom Kapital gemacht. Wie das verwandte Kapitalozän mag es zunächst etwas plump klingen. Das hat jedoch wenig mit dem Wort zu tun – das System bürgerlicher Herrschaft hat uns gelehrt, den Begriffen zu misstrauen, die das System der Unterdrückung beim Namen nennen. Doch genau das ist seit jeher die Praxis emanzipatorischer Bewegungen. Sie schöpfen ihre Kraft aus neuen Ideen und einer neuen Art des Sprechens über die Dinge. Das verleiht Macht und intellektuelle sowie strategische Orientierung.
…
Der Fokus auf den ökologischen Fußabdruck lenkte die Aufmerksamkeit auf den individuellen Konsum. Der Begriff Anthropozän legt nahe, die planetarische Krise sei eine natürliche Folge der menschlichen Natur – als rühre sie daher, dass Menschen halt handeln wie Menschen, so wie Schlangen Schlangen sind und Zebras Zebras. Die Wahrheit ist offensichtlich nuancierter: Wir leben im Kapitalozän, im Zeitalter des Kapitals. Wir wissen ziemlich genau, wer für die heutigen und vergangenen Krisen verantwortlich ist. Die VerursacherInnen haben Namen und Adressen, angefangen bei den acht reichsten Männern der Welt, die mehr Vermögen besitzen als die ärmsten 3,6 Milliarden der Weltbevölkerung.“
(ganzer Text als PDF hier)
Enthauptung durch (Selbst-)Behauptung
Moores Erkenntnisse sind wichtig, aber nicht neu. Wir haben nur sehr lange nicht zugehört. Genauer: wieder vergessen, was wir schon wussten.
Zur Unmöglichkeit eines grünen Kapitalismus äußert sich Théodore Dézamy bereits 1842 (sic!) in seinem Code de la communauté unmissverständlich:
„Einen Augenblick lang scheint [unsere Kulturmethode ohne Methode] das Klima zu verbessern; bald jedoch bringt sie es wieder dahin, daß das Klima schlechter und unbeständiger wird, als es im Zustande der ursprünglichen Wildheit war. Es ist leicht, ein Land durch Urbarmachung und Ausrottung der Wälder wohnlich zu machen; aber es ist sehr schwer, ein von seinen Waldungen und Quellen beraubtes, verwüstetes und ausgetrocknetes Land, wie es das ehedem so fruchtbare Persien heute ist, zu restaurieren.
Verwüstet und ausgetrocknet sind aber durch unsere Kultur schon die Provence, Languedoc, Kastilien, und wenn das so fortginge, würden in einigen Jahrhunderten alle Länder, welche heute noch auf einen gewissen Schein von klimatischer Verbesserung stolz sind (obgleich man schon die Verschlechterung des Klimas dieser Länder mit Riesenschritten sieht), ebenso verwüstet sein.
Bekanntermaßen würde alles fast zusehends wachsen, wenn man eine Witterung nach Wunsch, eine regelmäßig abwechselnde Temperatur hätte, wo der Regen dem Sonnenschein und eine nicht allzugroße Hitze wiederum dem Regen auf dem Fuße folgen würde; man würde alsdann leichter drei Ernten erzielen als die einzige, welche man heutzutage so oft durch die Exzesse der Witterung geschmälert und zuweilen vernichtet sieht.
Es ist aber schon mehr als bewiesen (daß das Klima wie die Erde vom menschlichen Kunstfleiß umgewandelt werden kann), daß die Kultur der Erde, wenn sie mit Einsicht betrieben wird, die Atmosphäre um zehn bis zwölf Grad zu mildern vermag, wie umgekehrt eine schlechte Kultur sie um ebenso viele Grade verderben kann.“
Quelle: Théodore Dézamy. Leidenschaft und Arbeit. Aus dem Heß-Nachlaß herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Ahlrich Meyer. („Der Text wurde in Orthographie und Zeichensetzung behutsam modernisiert …“) Karin Kramer Verlag, Berlin, 1980, S. 64 f. – 1845 frei übersetzt und bearbeitet von Moses Heß für eine von Marx, Heß und Engels geplante mehrbändige Bibliothek ausländischer Sozialisten.
Bert Papenfuß, dem ich diese beeindruckende Quelle verdanke, bringt es in seinem Text „Schlaffzahn/1“ mit wenigen Worten auf den Punkt:
„Es gibt keinen „besseren“ oder „grünen“ Kapitalismus. Eine technologische Umstrukturierung der Energieproduktion ändert nichts am Grundübel: Kapitalismus basiert auf der Ausbeutung von Mensch und Umwelt, die sich – gemäß der Doktrin eines permanenten Wirtschaftswachstums – immer mehr steigert, bis ins Kosmische. Kapitalismus ist Raubbau per se. Nachhaltigkeit erreicht man durch Dekapitalisierung: Enthauptung durch (Selbst-)Behauptung.„
Ein „gewisser Schein klimatischer Verbesserung “ ist offenkundig auch alles, was die gegenwärtigen (Partei-)Grünen erreichen wollen.
Neue Anfänge
Ein geistiger Punk, einer, der wenig Hoffnung hatte, dass man mit dieser Menschheit etwas Vernünftiges anfangen kann, der trotzdem keine Minute seines Lebens ausgelassen hat, nach Wegen zu suchen, die Menschheit zu erneuern, war der „Biosoph“ Ernst Fuhrmann (1886-1956):
„Es ist längst Erfahrung und Statistik geworden, dass die Menschheit die größten Epidemien, genau so wie die Kriege, überlebt. Sie macht weiter: leider. Und leider im alten Fahrwasser, indem sie hastig wieder aufbaut, was das vorige Mal schon zu einem Krieg geführt hat.
Kriege und Epidemien sind nicht groß genug, um den Menschen auf eine andere Bahn zu bringen. Und deshalb könnte man sie auch gleich auslassen. Es kommt nur auf das an, was der Mensch als freiwilligen Entschluss richtig fühlt und die Richtung, die er mit diesem Entschluss einschlägt.
Neue Anfänge zu machen sollte eher eine Freude für die Menschen sein als die Verfolgung der alten Gleise.
…
Wie schon erwähnt, haben die Staaten es dahin gebracht, dass der Einzelne nicht mehr die geringste Spur von Freiheit hat, völlig erblindet ist in seiner Sklaverei und einzig von den im Staat geleiteten Spuren eine Hoffnung haben kann.“
Fuhrmann zieht aus seiner Analyse folgen Schluss für einen Neuanfang:
„Deshalb ist die völlige Freiheit vom Staat die erste Vorbedingung, unter der Menschen mit neuen Experimenten anfangen könnten.„
Der Konjunktiv zeigt die Größe der Hoffnung. Dennoch: die Radikalität des Gedankens hat ihre Logik, wie uns der grüne Kapitalismus der Gegenwart negativ beweist. Fuhrmann war sich vollkommen bewusst, wie unpopulär – übrigens in allen Klassen – der Gedanke der völligen Freiheit vom Staat ist. „Der Geächtete“ heisst daher (s)ein Roman mit deutlich autobiografischen Zügen.
Fuhrman konzediert:
„Es ist im Grunde nicht gut, dass man das sagen muss, denn man hätte vielleicht eine größere Gemeinschaft denken können, die auch auf neue Wegen leitet und Dutzende von solchen neuen Versuchen, die einander nicht stören.„
Aber ein Staat, das steht für ihn fest, kommt trotz der Vorzüge einer „größeren Gemeinschaft“ zur Lösung der Probleme nicht in Frage. Auf was dürfen wir also hoffen, wenn größere Gemeinschaft aufgrund einer endlosen Kette historischer Fehlentscheidungen nicht in Frage kommt?
Fuhrmann sagt: „Es könnte sein, dass die Staaten keine Zeit haben, sich um einzelne Gruppen, die sich loslösen, zu kümmern: das wäre alles, was man erwarten kann.
So muss man also den Zeitfaktor bei dem Plan, einen neuen Versuch zu machen, vollkommen ausschalten. Es ist ganz gleich, wann die Menschen in einen neuen Weg ein lenken. Die Zeit bis dahin ist ein Nichts. Sie ist nicht wert, gelebt zu werden, aber es ist möglich, sich die Faktoren für das Leben klarer zu machen.“
Quelle: Ernst Fuhrmann: Biologische Studien, in: Neue Wege, hrsg. von Wilhelm Arnholdt, Bd. 4, Hamburg 1954, Seite 237 f.
Der nihilistische Tonfall Fuhrmanns mag manchem Punk-Freund vertraut vorkommen. Ich möchte sagen: zurecht. Denn im Nihilismus nimmt das konsequente zu Ende Denken, das Kaputtdenken der Lügen eine konkrete Form an. Es ist die Form der Weigerung, falsch weiterzumachen, eben so, wie zuvor.
Wie formulierte es noch der Anarcho-Philosoph und Crass-Drummer Penny Rimbaud in einem Interview? „No Future kam für uns gar nicht infrage. Wir wollten eine Zukunft. Doch wir wollten sie selbst entscheiden.“
Toxisch
Grüner Kapitalismus ist das Resultat von knallhartem Investoren-Denken. Ökologie, im Sinne von wirksamen Massnahmen zum Schutz und zur Verbesserung der Natur, spielen in ihm keine Rolle. Das zeigt sich schon an der missbräuchlichen, das heisst bewusst auf Verwechselung angelegten Verwendung des Begriffs „Ökosystem“ im Sinne von „Bedingungen für ein Geschäft“ („Ökosystem E-Auto“ etc).
Grüner Kapitalismus dient keineswegs der Weltrettung, sondern der Etablierung umsatzkräftiger technologischer Innovationen. Das bedeutet, grüner Kapitalismus verfolgt letztendlich nur ein Ziel: imperiale Strategien im 21. Jahrhundert weiß zu waschen, um in Ruhe mit dem Geschäft fortfahren zu können.
Dass grüner Kapitalismus enger verzahnt ist mit dem sog. KI-Kapitalismus („Plattformkapitalismus“), als mancher von uns auf den ersten Blick glauben möchte, zeigen Magdalene Taube und Krystian Woznicki in ihrer Arbeit rund um das Aussaugen von Rohstoffen (sog. „Extraktivismus“).
Über den Aufstieg des KI-Kapitalismus und seinen erheblichen Anteil am Klimakollaps arbeiten des längerem schon Nick Dyer-Witheford, der auch den Begriff KI-K entscheidend geprägt hat, und, um ein Beispiel aus dem Taube/Woznicki-Projekt zu nennen: Paul Schütze
Magdalene Taube fasst das in der Berliner Gazette vom 21. Dezember 2022 folgendermaßen zusammen:
„Dieser Komplex aus toxisch ineinander greifenden und sich gegenseitig befeuernden ökonomischen und ökologischen Krisen hat die kapitalistischen Gesellschaften an die Grenzen des Wachstums gebracht. Und es sind vor allem die großen Akteure und Profiteure des Kapitalismus, die nicht bereit sind, diese Grenzen zu akzeptieren. Sie kämpfen verzweifelt mit Gewalt um den Erhalt und die Ausweitung ihrer Herrschaft und verschärfen damit die katastrophale Entwicklung weiter.
Was tun? Der grüne Kapitalismus wird regelmäßig als Lösung beschworen. (Unser Forschungsprojekt) „After Extractivism“ zeigt jedoch, dass es bei dieser „Lösung“ vor allem darum geht, neue Räume für die Akkumulation zu eröffnen, die als Instrument für den Klassenkampf von oben dienen. Deshalb haben wir eine Vielzahl von Stimmen versammelt, die Möglichkeiten jenseits des kapitalistischen Horizonts ausloten und einen Blick darauf werfen, was Übergangsgerechtigkeit in diesem Zusammenhang bedeuten könnte, insbesondere unter Berücksichtigung derjenigen, die als „entbehrlich“ gelten und für das „größere Wohl“ geopfert werden.„
Wir „chicken nuggets“
Wohin führen uns diese Überlegungen?
Zuerst einmal müssen wir uns gründlich von der allgegenwärtigen Angst befreien. Denn Menschen, die Angst haben oder zu niedergeschlagen sind, um noch aufstehen zu können, schauen tatenlos dabei zu, wie ihre Umerziehung zum frittierten Idioten vonstatten geht.
„Chickens don’t turn into nuggets by themselves„, wie Moore und Patel in einem Text für den Guardian sagen. Das bedeutet übertragend: wir haben uns jetzt lange genug zu nuggets machen lassen. Schluss damit!
Seit 2019 läuft das alte Programm der „Umerziehung“ erneut auf Hochtouren. Milliarden werden, braun gebrannt und rausgeputzt in ihrem feschen Panier, zum „Eat-Piece“ für das gefrässige Monster, das in ständig neuen Maskierungen erscheint, aber auf den persönlichen und für sie selbst höchst profitablen Entscheidungen der immergleichen, mittlerweile ziemlich wild gewordenen Sparkassendirektoren beruht, die vorgehen, als würden sie ihre letzte Schlacht schlagen.
Nur wenn so eine brandgefährliche geistige Infektion erfolgreich verläuft, weil wir uns nicht gegen sie wehren, kann es diesen Sparkassendirektoren gelingen, dass wir in unseren verängstigten Hühnerhirnen dem „spin doctoring“ auf den leim gehen und denken: „La pollution c’est super bon! „
Widerstand gegen eine falsche Politik und das Aufzeigen von Alternativen sind laut John Jordan „die DNA-Stränge des sozialen Wandels“.
Ein solcher Widerstand ist ebenso möglich, wie das Aufzeigen positiver Alternativen.
Ich spreche hier nicht vom Kurzduschen oder Gassparen, nicht vom Lampenausschalten und im Dunkeln sitzen. Denn die Verlagerung der Schuld am Klimakollaps in die persönliche Ebene, die Ebene des vom Kapital herangezüchteten Konsumenten, der jetzt angeblich verzichten soll, um die Welt zu retten, ist, wie wir gesehen haben, nur ein fauler Trick.
Natürlich ist es notwendig, über unsere „überaufgepumten Bedürfnisse“ (superinflated needs, Penny Rimbaud im Gespräch mit dem Autor) nachzudenken.
Vieles ist in der Tat verzichtbar, insbesondere das, auf was die Plattformkapitalisten gerade nicht verzichten möchten: Dauerfilmstreaming, permanenter Onlinehandel, autonomes Auto- und Traktorfahren, Dauerüberwachung für ein Sozialpunkteprogramm, dauernder tägliche abgerufener Essenbringdienst, alle nur möglich mit den dazu notwendigen Monster-Rechenzentren mit dem Stromverbrauch von großen Städten.
Das ist alles bei Licht betrachtet wirklich überflüssig, schädlich, tödlich für den Planeten und seine Bewohner.
Angesichts solcher Entwicklungen stehen wir tatsächlich vor der Notwendigkeit, gemeinsam den Kollaps des aktuellen Systems zu beschleunigen, damit wir wieder zu einer lebenswerten Gemeinschaft zurückfinden können.
Denn nicht „wir“ sind der Fehler, sondern das System, das von unserer Angst, unserer Gier, unserer Schwäche, unserer Bequemlichkeit profitiert.
Weil Fehlentwicklungen wie die zuvor beschriebenen für jedermann leicht erkennbar sind, wächst der Frust ständig und führt leider in die falsche Richtung: viele von uns lassen sich die Wut verbieten, sinken statt dessen lieber ab auf das Niveau der verstümmelten Qualhühner, die sie täglich in sich hineinstopfen und mutieren dabei zu Kannibalen ihrer selbst.
Eine wesentliche Voraussetzung für Widerstand jedoch ist, dass man sich nicht zum nugget der jeweils neuesten Variante des Profitmodells herabwürdigen lässt, sondern einen Strich zieht unter die falsche Politik.
Denn dass man mehr Macht hat, als man denkt, das haben wir doch gelernt.
Eine Antwort auf „Mein Leben als Idiot“