Vergeudung

(oben:) Vergeudete Erinnerung: Alte Wrietzener Oder am 5. Juli 2022, 17.16 Uhr

Über die aktuelle Kreislaufkollapswirtschaft, über die Rache, die wir an ihr üben müssen und über die Konspiration, das Zusammen-Atmen, den Kniff, in verpesteter Luft „einen gemeinsamen Geist zu teilen

Genehmigte Einleitung

Zunächst eine aktuelle Meldung vom 31.08.2022, 4:50 Uhr morgens. Die deutsch-polnische Untersuchungskommission hat festgestellt, das eigentlich nicht Besonderes festzustellen ist.
Die Oder-Katastrophe scheint sich also zu klären: es gab kein Chemieunglück, keine illegale Verklappung im großen Stil, kein aktuell einmaliges besonderes Verbrechen.

Es gibt etwas viel Schlimmeres: die behördlich sanktionierte Normalität; den Terror der bis an die Obergrenze ausgeschöpften Grenzwerte.

Der Fluss ist auf 500 Kilometer Länge gestorben, weil zu den zahlreichen „genehmigten Einleitungen“ nun eine mörderische Hitze und Wasserknappheit hinzu kam. „Permanent und legal“ wird hartes Gift in den Fluss gekippt. Eine „menschengemachte Verschmutzung“.

Wir müssen, wie der Biologe Mark Benecke in „Time is up!“ sehr richtig sagt, nicht darüber streiten, ob es Kipppunkte wirklich gibt. Es ist nur ganz einfach über Jahre und Jahre viel zu viel gewesen.
Und dann war die Oder „plötzlich“ im Eimer.

Tote pro Politiker

Das Klimakarussell dreht weiter, schneller, tödlicher.
Die Debatte um den „Lobpreis der Aasgeier“ hat ergeben: die deutschen Energiehersteller müssen Co2-intensiv produzierten Strom nach Frankreich liefern, weil dort die Atomkraftwerke wegen Überhitzung runtergefahren werden.

Ein Leser schreibt: „Die niederländische Agrarindustrie ist verantwortlich ist für 60% des Ausstosses an Ammoniak und Nitrat. Dennoch wollen die EU-subventionierten Agrarmilionäre nicht umrüsten. Die Niederländer leben unterm Dampf der in die Atmosphäre sich verflüchtigenden Tierpisse. Warum? Neben 3,5 Millionen Kühen (Gewicht einer Milchkuh 650 Kilo = so viel wie 8 Menschen) gibt es in den Niederlanden etwa dreimal so viele Schweine: mehr als 11 Millionen – bei 17.591.394 Einwohnern. Die Niederlande sind der größte Fleischexporteur der EU. Das am dichtesten besiedelte Land der EU exportiert 3,6 Milliarden Kilo Fleisch, das mehr als 10 Milliarden einbringt. Also etwas von 3 € das Kilo. Hier gibt es auch 100 Millionen Hühner. Plus 850.000 Schafe und 500.000 Ziegen. Endergebnis: Biodiversität in NL <15 %
Ein anderer Leser schreibt mir: „Wenn wir nicht wollen, dass unsere Generation auch nur der Anfang einer verschwindenden Biomasse ist, muss jeder seinen Fußabdruck halbieren: Komfortverzicht, Konsumverzicht, massive Änderung von Lebensgewohnheiten. Und wie schwer das ist! Aber das ist in der Masse wirksamer, als immer nur auf die Lobbyisten zu schimpfen. Das eigentliche Übel sind die billigen (Junk-) Lebensmittel; die können wir uns nicht mehr leisten.

Ein dritter: „Es gibt einen Index, der die verschiedenen Energieerzeugungstechnologien anhand ihres Kollateralschadens auf den Menschen berechnet. Die Masseinheit ist „Tote pro Terawattstunde Energieleistung“. Kohlekraftwerke, die die Grünen jetzt zu Kriegszwecken wieder anwerfen, schneiden da ganz schlecht ab, viel schlechter als z.B. Gas.
Eine Regierung tötet ihr eigenes Volk. Man sollte mal eine Rechnung aufmachen mit der Gleichung Tote pro Politike
r.“

Wir wissen alles. Jedenfalls alles Notwendige.
Aber was tun wir?
Verzichten oder vergeuden?
Die Antwort ist existenziell.

Kreislaufkollapswirtschaft

Was der Aasgeier frisst, habe ich im „Lobpreis“-Beitrag an einigen Anekdoten aus den letzten elf Jahren illustriert.

Anekdoten haben den großen Vorteil, dass sie das große Ganze im Großen und Ganzen hinreichend genau am Einzelbeispiel klar machen. Um das Einzelbeispiel zu verstehen, muss man keine theoretisch-wissenschaftliche Vorbildung haben, muss kein Ausnahmegehirn besitzen, dass sich die neuesten Statistiken merken kann. Man muss kein ideologischer Triebtäter sein.

Man muss sich nur treiben lassen und alle Einzelbeispiele, die einem nicht passen, weg-trollen. Denn angeblich beweisen Einzelbeispiele nichts. Sie könnten ja Ausnahmen sein.

Na gut, wer nicht kapiert, dass es bei diesem Thema um ihn selbst geht, kann gern weitertrollen.

Troll-Argument No.1: Aasgeier dienen dem natürlichen Kreislauf. Klar, der Vogelschützer hasst natürlich Vermenschlichung von Tiergruppenverhalten. Schon Konrad Lorenz hat davor gewarnt – und sein Buch „Das sogenannte Böse“ seiner Ehefrau gewidmet. Diese Ratte!
Entschuldigung.
Nein, ernsthaft.

Gegen Naturschützer trollen ist so etwas wie Selbsthaß.

Eine Art Scientology-Strategie, bei der man immer kurz bevor man entdeckt wird als typischer „Schädling“, den anderen vorwirft, schlimme Schädlinge und Ignoranten zu sein. Oder eben „framing“, ein absichtsvoll erzeugter Prozess, der mittels verbaler struktureller Gewalt dem Opfer ein Bedeutungssystem überstülpt, das ihn mundtot macht.

Schädling benutze ich übrigens hier in genauer Umkehrung der Normaldefinition (Kollektivbezeichnung für Organismen, die den wirtschaftlichen Erfolg des Menschen schmälern) im Sinne von „Menschen, die den natürlichen Erfolg der Organismen schmälern.“
Ich spreche von Kreislauf-Killern.

Im Aasgeier-Text habe ich, ohne das Wort zu benutzen, bereits von einer Kreislaufkollapswirtschaft gesprochen. Weil es im heutigen Text öfter darum gehen wird, ersetzen wir das entsetzliche Bandwurmwort durch eine hübsche Abkürzung: KKW. Aber nicht KKW wie KKW , sondern wie Kreislaufstillstand.

Um die Kreislaufkollapswirtschaft, meine KKW zu beschreiben, könnte ich jetzt weitere Anekdoten erzählen: „olle Kamellen“ (denn die Klimakrise ging nicht erst gestern los) von dem westfriesischen Großbauern Harry Van Gennip, der über den Kerosin-Seen des russischen Flugplatzes in Cobbel, Sachsen-Anhalt, eine Schweinefarm mit über 100.000 Tieren anlegen wollte, quasi ergänzend zu seinem Betrieb im benachbarten Sandbeiendorf, wo bereits 65.000 Tiere standen: in geschlossenen Betonwannen. So ist alles versiegelt. Mit Bio-Gütesiegel. Das anhaltische Land ist billig zu kaufen. Und der Bundesstaat spart sich die sündhaft teure Bodenreinigung.

Mir fiele dazu noch eine schöne Anekdote über einen damit zusammenhängenden kommerziellen Kreislauf ein; die Anekdote von den westfriesischen Großbauern in der Magdeburger Börde, die ab 1990 den guten 100er Boden aus der Elb-Aue auf dem LKW ins Polderland geschafft haben, bis sie auf Sand gestoßen sind. Wir reden hier über etwas mehr als dreißig Kilometer entlang der Elbe. Den darunter zutage getretenen Sand haben sie an die A2-Baustelle geschafft: auf naturgegeben kürzestem Weg, wofür sie einen Öko-Preis erhielten.
Als sie bei drei Metern in der Tiefe waren, haben sie langsam wieder verfüllt: mit Schweinescheiße. Stimmt nicht: Pisse war auch dabei. Die konnte man flussabwärts noch vor Hamburg messen.

Die meisten Menschen seien von den Megaschweinefarmen schockiert, „dabei handelt es sich einfach nur um eine Fabrik.“, sagt der Unternehmer Van Genugten, der sich zu Recht dagegen verwahrt, als Bauer betrachtet zu werden.
Auch sein Kollege Kees Klaassen ist glücklich in der ex-DDR, wie alle seine Landsleute: „Zu Hause wirst du als Schweinezüchter ständig wie ein Krimineller behandelt. Das ist in Ostdeutschland anders.“

Wie tief unter der Erde endet das Privateigentum?
Ich spreche hier von einem ethischen Problem, nicht von juristischen Spitzfindigkeiten.

Noch eine olle Kamelle: Firmen, die mit den Westfriesen in Ostdeutschland Geschäfte machen, fahren die Kadaver aus den Jerichower Schweinemetropolen nach Westfriesland. Täglich. Mit hunderten von LKW.
Kreislaufwirtschaft?
Oder KKW?

Die Rohware (tote Tiere) wird mittels Grob- oder Feinbrechern in ca. 50 g bzw. 20 g schwere Stücke zerkleinert und der Fleischbrei wird auf ebenderselben A2 on the road entfettet (heisst: läuft als rosé-farbener Stinkschaum hinten aus den offenen LKWs raus; in Tonnen; verteilt sich alles auf der Strecke).
Das ist exakt, was man früher Schinden nannte. Der Abdecker zog mit dem zu beseitigenden Tierkörper lange Strecken über Land. Alles ganz normal. Schon immer so gewesen.
Der Kadaverbrei hat den Hautgout von gammeliger Leberwurst.
Wenn ihr das nächste mal über die Schinderpiste gen Berlin fahrt, haltet mal zwischen Barleben und Burg die Nase in den Wind.
Seit der Recherche über die westfriesischen Schweinegroßbetriebe in meinem Nachbarbundesland kann ich Leberwurst nicht mal mehr von ferne riechen. Das ist ein guter Anfang!

Nichts nichts nichts ist besser geworden in den dreissig Jahren seit der Wende. Mit 50 Millionen Schlachttieren pro Jahr ist Deutschland immer noch weltweit die Nummer 3.

Ja, schöne Anekdoten könnte ich noch etliche erzählen.
Könnte.
Aber es reicht.
Denn im Großen und Ganzen sind wir uns doch im Klaren über das Futter der Aasgeier: Das sind wir.
Die Aasgeier fressen uns arm.

Armut

Deswegen möchte ich mich jetzt einer höchst erstaunlichen Recherche von Danilo Dolci über die westsizilianischen Bauern zuwenden.
Der aus Dolcis Feldforschung über Armut und Rückständigkeit entstandene Text (entstanden 1959) heisst schlicht und heute treffender denn je: „Vergeudung“.

„Vergeuden“ steht in Grimms Wörterbuch gleich vor „Vergewalten“. Der Etymologe Wolfgang Pfeifer (Etymologisches Wörterbuch des Deutschen) weiß zu berichten, dass die Bedeutung „verschwenden, nutzlos, sinnlos vertun“ auf das untergegangene mittelhochdeutsche Wort „geuden“ zurückgeht, das einmal „prahlen, großtun, Verschwendung treiben“ bedeutete, aber mit einer festlich-fröhlichen Konnotation (wie Genuss, Jubel, Freude).
Das Präfix „ver-„ hat ihm dann aber den Rest gegeben (und nur der ist aufschlussreicherweise erhalten): „ver-„ bezeichnet das Beseitigen, Wegschaffen, endgültige Aufbrauchen, das Zugrundegehen wie in „verbluten“ und „vertilgen“.
Wir wissen nun, woran wir sind.

Vergeudung ist präzis derjenige Begriff, der unsere jetzige Lage am allerbesten beschreibt.
Wir könnten. Wir müssten. Wir sollten.
Aber anstelle dessen vergeuden wir.

In Kapiteln, die Titel tragen wie „Vergeudung an Land“, „Vergeudung an Hilfsmitteln“, „Vergeudung an menschlichen Leben“, identifizieren Dolci und die Mitstreiter seiner selbstbeauftragten Enquete-Kommission mangelnde Bildung und Aberglauben als die Hauptquellen der Rückständigkeit, sowie das in Sizilien typische Mafia-Problem, das von vielen Mitgliedern der armen Dorfgemeinschaften mitgetragen wird, obwohl es genau diesen Leuten schadet.

Die mangelnde Bildung resultiert nicht nur aus dem engen Horizont der Bewohner des bergigen Westsizilien. Sie ist auch ein Ergebnis des Analphabetismus.
Der Aberglaube hat seine Wurzeln im kirchlichen System, das ergänzt wird von fehlender medizinischer Versorgung, so dass ganz einfache Probleme wie Würmerbefall von den Heilkundigen im Dorf als Besessenheit, als von Dämonen erzeugt gedeutet werden und der Priester zustimmt. Ein geschlossenes System, in dem fließend Wasser, tägliche Hygiene und die notwendige Sauberkeit bei der Nahrungserzeugung keine Rolle spielen.

Die Mafia ist gut angesehen oder wird unwidersprochen hingenommen, weil sie Probleme regelt, die wegen fehlender Selbstorganisation der Dorfbewohner oder durch den Staat nicht gelöst werden.

Als ich den Text las, fühlte ich mich auf ungute Weise an die elf letzten Jahre erinnert.

In Fragen der Ökologie, in Sachen der Landwirtschaft sind wir modernen Städter alle Analphabeten. Methodische Analphabeten, die systematisch ihr Wissen verdunkeln.

Wir hören auf die Gesundheitsapostel der Pharmaindustrie, die den Dämon an die Wand zaubern; wir sehen die Gala der Superreichen und Konzerne und bewundern sie, wie einst die Bauern den Kardinal und seinen Prunk. Wir fürchten uns auszuscheren und selber zu denken. Wir schließen die Augen und verleugnen. Denn unser Wissen macht uns Angst.

Wir leben nach dem Prinzip der Vereinzelung: jedermann auf sich gestellt, obwohl wir wissen könnten, dass es zusammen viel besser ginge. Wir haben uns den Aberglauben einreden lassen, dass Selbstorganisierung gefährlich sei und die Gemeinsamkeit in Selbstermächtigung ein Terror.

Wir folgen mafiösen Politikern und medialen Intendanten, die nur auf ihre Bereicherung achten und damit den masochistischen Charakter all derer bedienen, in denen autoritäres Auftreten nicht Widerspruch, sondern Unterwerfung erzeugt. Wir sind wie die rückständigen Dörfler im letzten Winkel Europas vor sechzig Jahren. Wir bewundern den Mann, der Eier hat und sich gegen alle durchsetzt. Und über alles hinweg.

Das sind alles schlechte Voraussetzungen, um die Natur zu retten.

Der Plan

Gibt es für die mafiöse Landwirtschafts-, Gesundheits- und Energiepolitik der Regierungen einen gemeinsamen Plan?

Das „Konspirationistische Manifest“ hat hierzu einige Grundlagenforschung betrieben:

„In den 1950er Jahren ist der Klimawandel ein eigener Forschungsbereich, der die Schlagzeilen der Zeitungen beherrscht. Man ist sich weitgehend einig, dass die Zukunft des Krieges im „Umweltkrieg“ besteht, da eine nukleare Konfrontation das Ende der Menschheit bedeuten würde. Es ist eine für die damalige Periode alltägliche Aussage, wenn Irving Langmuir, Chemieingenieur bei General Electric und Nobelpreisträger, feststellt: „Die Kontrolle des Klimas kann eine Kriegswaffe sein, die so mächtig ist wie eine Atomwaffe.“ Er arbeitet im Übrigen an Bomben, die in den Wolken gezündet werden können, um Regen oder Dürre zu erzeugen und so den Feind auszuhungern, ohne dass man dafür beschuldigt werden kann.

Anstatt sich zu fragen, warum „man“ jahrzehntelang nichts unternommen hat, obwohl „man“ es wusste, sollte man sich die Dokumente der CIA aus den 1980er Jahren anschauen. Damals sah die CIA die globale Erwärmung als eine gute Sache an, da sie die Russen kräftig ärgern würde. Die Archive der Ölkonzerne hingegen sehen in der Katastrophe eine heilsame Dynamik, die zur „Anpassung“ drängt. Es gibt nichts Besseres als Katastrophen, um Knappheit, also neue Märkte und neue wirtschaftliche Güter zu schaffen. Zur selben Zeit, als die Pariser Klimakonferenz mit ihrem 1,5°C-Ziel tagte, teilte der Chef von Total bei einem Vortrag in der französischen Eliteuniversität Sciences Po gelassen mit, dass er bis 2050 mit einem Anstieg der globalen Temperatur um 3,5°C rechne.
Die Katastrophe ist Teil des Plans.
Der apokalyptische Blickwinkel, aus dem die Klimafrage heute betrachtet wird, ist nur deshalb vorherrschend, weil man seit den 1960er Jahren weiß, dass man sie damit neutralisieren kann und dass die Öffentlichkeit darauf mehrheitlich mit neuem Zynismus und Gleichgültigkeit reagiert.
Es geht nicht darum, sich des Klimaproblems wieder anzunehmen, sondern darum, diejenigen loszuwerden, die dafür gesorgt haben, dass es existiert.
Es geht darum, unsere Waffen gegen diejenigen zu richten, die aus dem Klimaproblem eine Waffe machen wollten.“

Soweit das „Manifest“.

Die Frage, ob die Regierung heute tatsächlich einen Klimakrieg gegen die eigene Bevölkerung führt und Tote per Terrawatt produziert, müssen wir genausowenig beantworten wie die Frage, ob es Kipppunkte gibt.
Denn es reicht aus, den Plan zu sehen. Und die Toten zu zählen, die an Dürre, Überschwemmung, Missernte und anderen klimainduzierten Dilemmata jährlich sterben. Die an Junk-Food und Massentierfleisch aus der industriellen Landwirtschaft sterben (obesity).

Neben dieser gezielten, methodischen, wirtschaftsfördernden Vergeudung von Menschenleben gibt es nur einen Begriff, der genauso aufschlussreich ist: Reichtum.

Reichtum

Der Plan der Reichen heisst Agenda. Agenda ist eines von vielen spindoctor-Worten, mit denen der Plan sich als Rettung der Welt zu bemänteln versucht. Jede Agenda ist eine tödliche Lüge.
Denn Agenda bedeutet, die Regierung will es später oder niemals tun, aber zeigen, dass man sich mit der „laut Agenda“ anstehenden Frage befasst.

Mit der Agenda illustriert die Regierung ihre Achtsamkeit. Unter der Bedingung negativer Inversion durch spin-doctoring bedeutet Achtsamkeit besondere Rücksichtsloskeit. Die achtsame Regierung beherrscht die große Kunst des Darauf-Scheißens. Sie will aber als sensibel gelten, damit ihr das wahre Verhalten nicht angekreidet wird.
Jeder Linguist lernt im ersten Semester: Sprachlösungen definieren ist Machtpolitik. Wer über die Definitionsmacht verfügt, herrscht.

Die achtsame Regierung hat den Öko-Check eingeführt und allgemein jede Menge Komposita mit Öko- produziert (wie -Bilanz, – Effizienz, -DAX, -Zertifizierung und -Trend)
Alle diese Begriffe sind nicht von ungefähr finanzsprachlich.
Ökocheck ist ursprünglich ein Begriff aus der Neurolinguistischen Programmierung, also: aus einer Lehre zur Beeinflussung psychischer Abläufe im Menschen.
Heute wird Ökocheck allgemeiner gebraucht, stets flankiert von den Begriffsschwestern Nachhaltigkeit und Resilienz und soll der Sicherstellung einer „lebenswerten Zukunft“ dienen.
„Lebenswerte Zukunft“ heisst:
Man muss nichts tun, nur alles glauben, was angeordnet wird.

Öko ist bloß die politisierte Fassung von Bio. In Berlin rangiert gleich hing B-IG und B-OY das B-IO an dritter Stelle der beliebtesten Wunschkennzeichen. Voll öko, ich mach mal eben meinen Elektro-TESLA Model S Performance mit 600 kW (815 PS) voll. Wenn ich den sehe, bin ich immer voll geladen.

Zurück zu den Big Boys. Sie bevölkern folgerichtig die Biomärkte wie kein zweites Klientel. DINKies (Double income no Kids) können sich besonders leicht die teure Gewissensberuhigung erlauben. Der kinderreiche Rest verdient genug an seinen natürlich vollständig stromlos laufenden Serverfarmen und Onlinedienstleistungsgeschäften. Voll fair-stärkt, wir telefonieren sogar grün: mit we-tell („klimaneutraler Mobilfunk“ ), die ihre Einnahmen aus den Tarifen, statt sie selber zu verdienen, schon jetzt in mehr als 1.000 Solarzellen investiert haben! So einfach ist das, grün zu werden! Das muss man sich mal konkret vorstellen: ein Telefonprodivder hat mehr als 1.000 Zellen gekauft, das ist mehr als auf drei Einfamilienhaus-Dächer passen. Wenn das keinen „Bock auf nachhaltigen Mobilfunk“ macht! Wenn das nicht locker den Stromverbrauch des abendlichen Netflix-Streaming einer glücklich fair-stärkten Familie abdeckt, also sagen wir mal, … locker mindestens 7 Minuten in Lo-Res.

Schön, dass die Leute sich das alles selber glauben!
Das erhöht die tägliche Zufriedenheit. Und zufriedene Leute unternehmen nichts, um den status quo zu ändern.
So einfach ist das!

Dinkies und ihre Brüder und Schwestern, die LOHAS (Lifestyles of Health and Sustainability), bezeichnen weniger eine umweltverträgliche Einstellung, als ein Geschäftsmodell.
Sie sind das Zentrum der Zielgruppenfahndung von Marketingexperten, die an der Preisschraube drehen, die üblen Tricks wie Teuerungszulagen ersinnen und die Wahrscheinlichkeit, dass sie klaglos geschluckt werden, modellieren.
In diesem Wirtschaftssegment ist Armut – wie Danilo Dolci sie untersucht – ein Fremdwort.
Arme sind Verlierer. Sie stehen nicht auf dem Zettel der Menschengruppen, für die der Aufwand sich lohnt.

Durch den Dunst der Wortnebelmaschinen sehen wir dennoch die realen Zustände:
Ausbeutung statt Achtsamkeit,
Bereicherung statt Bio,
Verordnung statt Verbesserung.

Das Hauptproblem am Reichtum: dass reiche Leute, die mit den alltäglichen Folgen ihrer Verordnungen keinerlei Berührung haben, die Ausbeutung ganz und gar unsentimental weiter vorantreiben, weil ihre Erfahrung ist, dass Wachstum ebenso unendlich ist wie ihr Geld.

Sie betrachten die Erde wie einen Lappen, den man auswringen kann und wenn er trocken ist, taucht man ihn in neues Wasser und weiter geht es. Sie leben wie die Hände, die wringen, nicht wie der Lappen. Das ist der ganze Unterschied und erklärt, warum sie keine Angst haben.

Die Koordinatoren des konzertierten Kreislaufwirtschaftskollaps, diejenigen, die am Zusammenbruch am meisten verdienen, sind die Politiker. Sie sind selbst reich, viele haben keinerlei abgeschlossene Berufsausbildung, keine Berufserfahrung jenseits der Politik und mit Dreistigkeit treffen sie politische Entscheidungen, die nur ihnen nützen und die Reichen superreich machen.
„An diesem Punkt wäre es absurd zu fragen, ob sie sich verschwören, dieses eine Prozent, das 48 Prozent des weltweiten Reichtums besitzt … Natürlich atmen sie die gleiche Luft.“
Wie wir alle.
„Wir müssen uns ihrer einfach entledigen.“
Wir müssen
„uns rächen für die ruinierte Erde und die sterbenden Ozeane. Für die prächtigen Wesen, die von der Fortschrittsmaschine zermalmt wurden, und die Heiligen, die in der Anstalt landeten. Für die ermordeten Städte und das versiegelte Land. Für die Beleidigung dieser Welt und aller nie entstandenen Welten. Für all die Besiegten der Geschichte, deren Namen man nie feiert.
Uns rächen für die Arroganz der Mächtigen und die abgrundtiefe Dummheit der Manager. Für die Gewissheit, dass es ihr gutes Recht wäre, die anderen zu zerquetschen. Für die Unverschämtheit, mit der sie nach der Fortsetzung ihres räuberischen Kurs streben. Dafür, dass sie es vermochten, uns in den Zustand der Verwirrung, des Zweifels und der Hilflosigkeit zu setzen.“

6 Antworten auf „Vergeudung“

  1. Danke für den Text … ich glaube übrigens, dass Rache trotz allem kein guter Ansatz ist. Leider ist das ein Relikt der „Kriegerkultur“. Ich glaube, die Richtung wäre Versöhnung, im Sinne einer Konsenskultur, Entwurf von Möglichkeitsräumen, sich Zuhören etc. Ich möchte mich nicht auf den Rachefeldzug begeben und ich glaube auch nicht, dass er „zielführend“ ist. Ich verurteile keine Gewalt im Sinne der herrschenden Gesellschaft, aber ich denke, dass wesentlicher, gerade für uns, die wir so viel wissen und so „privilegiert” sind, die Arbeit an einer Konsenskultur ist, auf allen Ebenen … in aller Klarheit … mit aller Entschiedenheit …
    Vielleicht könnten wir über die Rache debattieren?

  2. Ein ganz ausgezeichnetes Essay, es bringt die Dinge auf den Punkt. Ich bin gespannt, wann Selbstorganisation (und Selbstermächtigung) als Antwort auf vielfältige Problemstellungen greift. Die Formel lautet aus meiner Sicht schon lange: Survival of the most cooperative.

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